zum Hauptinhalt
7000 Fans zogen vor dem Spiel gegen Düsseldorf zum Olympiastadion.

© Imago/Nordphoto

Trauermarsch für den verstorbenen Kay Bernstein: Wenn Hertha-Fans das Ergebnis egal ist

7000 Hertha-Fans nehmen am Trauermarsch für den verstorbenen Hertha-Präsidenten Kay Bernstein teil. Für viele hat das Heimspiel seine emotionale Bedeutung verloren.

Das Transparent zieht sich über die gesamte Straßenbreite. „In tiefer Trauer um Kay“ steht in weißen Buchstaben auf pechschwarzem Grund. Zehn Hertha-Fans umklammern es, dahinter haben sich Tausende andere Anhänger des Berliner Fußballklubs versammelt. Fast alle tragen schwarz.

Es ist Sonntag, 10 Uhr. Noch dreieinhalb Stunden bis zum Hertha-Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf.

Für die Fans ist es wie ein tiefer Stich ins Herz

Schwarz, hier ist es das Zeichen von Schmerz, Trauer und Fassungslosigkeit. Trauer um Kay Bernstein, den Hertha-Präsidenten, der am vergangenen Dienstag mit gerade mal 43 Jahren gestorben ist. Für die Fans fühlt es sich an, als hätte man ihnen das Herz herausgerissen, abrupt, ohne Vorwarnung, mit maximaler, emotionaler Brutalität.

Deshalb haben sie sich jetzt zum Trauermarsch eingereiht, sie werden zum Olympiastadion gehen, still, die Gedanken bei dem Mann, der in ihren Augen dem Verein seine Seele wiedergegeben hat.

Emanuel Plischkowsky verköpert das Gesicht der Trauer

Das Gesicht dieser Trauer verkörpert Emanuel Plischkowsky, Hertha-Fan seit er ein kleiner Junge ist. Jetzt ist er 35 Jahre alt, hat die Mütze tief über den Kopf gezogen, und der Schal, den er um den Hals gewickelt hat, ist natürlich ein Hertha-Schal.

Emanuel Plischkowsky, Hertha-Fan seit er ein kleiner Junge ist
Emanuel Plischkowsky, Hertha-Fan seit er ein kleiner Junge ist

© Frank Bachner

Plischkowsky hat noch nicht mal seinen ersten Satz beendet, der mit „Unglaublicher Verlust...“ begonnen hat, da bricht ihm die Stimme. Die Augen füllen sich mit Tränen, zwei rollen über die Wangen, er entschuldigt sich dafür, dass er sekundenlang nicht reden konnte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Seine Wahl war eine Befreiung“, sagt er. „Ich habe ihn gewählt. Er war einer von uns, er hat dem Verein wieder ein Gesicht gegeben, nach den ganzen Dingen, die zuletzt vorgefallen sind.“ Den Namen Windhorst spricht er dabei aus wie eine ansteckende Krankheit. Lars Windhorst, der umstrittene Investor, der Hertha zum „Big City Club“ machen wollte und stattdessen zum Gespött der Szene degradierte.

Bernstein habe dem Verein wieder eine Seele gegeben

Bernstein aber, das sagt Plischkowsky mit immer noch tränenerstickter Stimme, der habe Hertha wieder auf einen vernünftigen Weg geführt. Natürlich, die Nummer mit dem neuen Investor 777 Partners, die sieht Plischkowsky auch kritisch, „aber der Kay konnte da ja wenig machen, er musste mit dem klarkommen, was da war.“ Dem finanziellen Trümmerhaufen, den andere ihm hinterlassen haben, das meint Plischkowsky damit.

Der 35-Jährige ist irgendwann in der Masse verschwunden, die sich langsam im Bewegung setzt. Viele haben Blumen in der Hand. Am Theodor-Heuss-Platz liegt ein Blumenladen, Hertha-Fans haben sich mit Rosen, Nelken und was sonst im Angebot und passend für den Anlass ist, eingedeckt.

Es ist bitterkalt, viele haben sich schon vor 10 Uhr versammelt, es gibt Menschen, die umarmen sich und verharren sekundenlang in dieser Haltung. Eine gemeinsame Trauer um den verstorbenen Präsidenten.

Eine Fahne mit Bernsteins Portrait im Trauermarsch

Aber Kay Bernstein ist ja auch da, mitten in der Menge, jedenfalls symbolisch. Ein Fan schwenkt eine riesige Fahne mit dem Gesicht des Verstorbenen, weiß der Untergrund, dunkel die Konturen des Gesichts. Die einzige Farbe, die es in dieser Menge neben schwarz und weiß noch gibt, ist blau. Das Hertha-Blau.

Ich habe erst heute morgen gelesen, gegen wen wir überhaupt spielen.

Emanuel Plischkowsky, Hertha-Fan, von Trauer erfüllt

Nach rund einer halben Stunde haben die ersten Fans das Olympiastadion erreicht. Über dem Haupteingang hängt ein meterhohes Porträt von Bernstein, auch schwarz-weiß, aber mit grauen-Tönen durchsetzt.

Viele Fans legen am Stadion Blumen nieder

Und viele Fans zieht es sofort zu jener Stelle am Eingangsbereich, an dem um Stangen Hertha-Schals gewickelt sind, Dutzende, eine blau-weiße Wand. Und darunter auf dem Beton viele Grablichter und Blumen. Und beinahe sekündlich kommen neue hinzu.

Ein paar Minuten später beginnt in der Kapelle des Olympiastadion die Hertha-Andacht, die Zeremonie, die Kay Bernstein so sehr geliebt hat. Aber diesmal ist es ein Trauergottesdienst.

Das Spiel hat für viele seine emotionale Bedeutung verloren

Das Spiel hat für die Fans seine emotionale Bedeutung verloren. Es bildet nur den Rahmen ihrer Trauerfeier, die im Stadion fortgesetzt wird.

Emanuel Plischkowsky hatte die Nachricht von Bernsteins Tod erst einmal so gut wie möglich verdrängt. Aber sie holte ihn wieder ein, mit ganzer Wucht. Und das Spiel wurde zur Nebensache. Die Trauer beherrscht alles. Eine nicht ganz unbedeutende Nachricht erhielt er deshalb erst am Samstagmorgen. „Da habe ich überhaupt erst gelesen, gegen wen wir spielen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false