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Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger (l.) mit seinem Anwalt Hans-Jörg Metz.

© dpa/Arne Dedert

Wurde die WM 2006 gekauft?: Darum geht es im Sommermärchen-Prozess

Der sogenannte „Sommermärchen“-Prozess hat begonnen. Was wird den Angeklagten vorgeworfen? Wie stehen die Chancen auf Aufklärung.

Unterschiedlicher könnten die Gemüter kaum sein: Theo Zwanziger spazierte am Montag mit siegessicherer Miene zum Auftakt des „Sommermärchen“-Prozesses in den Verhandlungssaal. Wolfgang Niersbach, erst DFB-Generalsekretär und ab 2012 Zwanzigers Nachfolger als DFB-Präsident, war die Anspannung am ersten Verhandlungstag im Frankfurter Landgericht dagegen deutlich anzumerken.

Gemeinsam mit dem einstigen DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt sind Zwanziger und Niersbach wegen schwerer Steuerhinterziehung angeklagt. Bewusst sollen sie die Rückzahlung eines 6,7 Millionen Euro hohen Privatdarlehens von WM-Chef Franz Beckenbauer an den damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus als Betriebsausgabe des Verbandes geltend gemacht haben. Denn das Geld floss 2005 nicht von Beckenbauer, sondern von einem DFB-Konto über den Weltverband Fifa zurück an den Gläubiger.

Mit dem Bekanntwerden der Zahlung kam der Verdacht auf, Beckenbauer könnte den Kredit zum Stimmenkauf eingesetzt und damit die WM 2006 nach Deutschland geholt haben. Immerhin setzte sich der DFB im Juli 2000 denkbar knapp mit zwölf zu elf Stimmen gegen Mitbewerber Südafrika durch.

Zudem landete das von Beckenbauer mit unterschriebenem Schuldschein geliehene Geld in mehreren Tranchen beim katarischen Funktionär Mohammed bin Hammam. Den DFB ist die mutmaßliche Verschleierung bereits teuer zu stehen gekommen: 22,57 Millionen Euro musste der Verband an Steuern nachzahlen, weil ihm für das Jahr 2006 die Gemeinnützigkeit entzogen wurde.

Den drei ehemaligen DFB-Funktionären wirft die Staatsanwaltschaft vor, wissentlich falsche Angaben in der entsprechenden Steuererklärung gemacht zu haben. Laut Anklage sollen Zwanziger und Schmidt 2003 in die Schweiz gereist sein, um Louis-Dreyfus zum Verzicht der Rückzahlung des Darlehens an Beckenbauer zu bewegen.

Weil sie damit keinen Erfolg hatten, seien sie an den Fifa-Generalsekretär Urs Linsi herangetreten, der die DFB-Funktionäre bei ihrem Plan unterstützte. Mit dem Verwendungszweck „Kostenbeteiligung OK an FIFA Football-Gala“ überwies der DFB im April 2005 die geforderten 6,7 Millionen Euro auf ein FIFA-Konto, von wo sie sofort weitergeleitet wurden an Louis-Dreyfus – eine Gala gab es nie.

Der im Januar verstorbene Beckenbauer hatte behauptet, die 6,7 Millionen Euro seien an die Fifa zu zahlen gewesen, um im Gegenzug vom Weltverband einen Organisationszuschuss zur WM in Höhe von 250 Millionen Schweizer Franken zu erhalten. Als Verwendungszweck benutzte Beckenbauer damals allerdings „Erwerb von TV und Marketing Rechten Asien Spiele 2006“.

Es ist fraglich, inwieweit der auf 24 Prozesstage und bis in den Oktober hinein angesetzte „Sommermärchen“-Prozess wird klären können, wofür Beckenbauer die Millionen tatsächlich einsetzte. Die Vorsitzende Richterin der zweiten großen Strafkammer Eva-Marie Distler stellte zwar sinngemäß eine Aufklärung rund um das Sommermärchen in Aussicht.

 Ich habe den Eindruck, dass die Vertreter der Anklage sehr wohl wissen, dass sie auf sehr dünnem Eis sind.

Theo Zwanziger, ehemaliger DFB-Funktionär

Niersbachs Verteidiger Sven Diener beantragte dagegen die Einstellung des Prozesses. Der Fall sei mit einem eingestellten Betrugsprozess vor dem Schweizer Bundesstrafgericht bereits entschieden. Das Verfahren in Bellinzona wurde 2020 wegen Verjährung eingestellt. Mit dem zweiten Verfahren, das nun in Frankfurt stattfinde, liege eine Doppelverfolgung vor und damit ein Verfahrenshindernis. Auch Horst R. Schmidt und seine Anwälte unterstützen den Antrag.

Theo Zwanziger dagegen spielt auf Sieg: „Ich habe den Eindruck, dass die Vertreter der Anklage sehr wohl wissen, dass sie auf sehr dünnem Eis sind und es einen Freispruch geben kann und geben wird für alle drei Angeklagten“, so der ehemalige DFB-Boss, der sich nach dem Ende des ersten Verhandlungstags bereitwillig äußerte. Er fände es deshalb „sehr viel sympathischer, wenn es zu der vom Gericht angekündigten Beweisaufnahme kommt.“

Gut möglich ist es allerdings, dass Zwanziger diesen Weg allein gehen muss. Denn die Staatsanwaltschaft stellte den Angeklagten gleich zu Prozessbeginn in Aussicht, die Anklage gegen Geldzahlung fallen zu lassen. Ein Ausweg, den vor allem Niersbach und Schmidt bevorzugen. Ende 2023 hatten sich beide schon mit der Staatsanwaltschaft geeinigt.

Das Landgericht Frankfurt hatte diesen Deal allerdings gestoppt. Sollte das Verfahren ganz eingestellt und die vermeintliche Betriebsausgabe nicht richterlich geklärt werden, dürfte es für den DFB schwer werden, seine 22,57 Millionen Euro Steuern zurückzubekommen.

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