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Erntehelfer Dorin sticht während der offizielle Eröffnung der Spargelsaison in Hessen Spargel.

© dpa/Sebastian Christoph Gollnow

76.000 Arbeitsplätze verloren: Effekte des Mindestlohns seit 2015

Die moderaten Erhöhungen der Lohnuntergrenze hatten kaum Folgen für die Beschäftigung. Im Oktober gibt es einen Sprung von 10,45 auf zwölf Euro.

Wenige Tage vor der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro gibt es neue Erkenntnisse über die bisherigen Effekte der Lohnuntergrenze, die 2015 von der damaligen großen Koalition eingeführt worden war.

Insgesamt habe es zwischen 2015 und 2020 einen Rückgang von 76.000 Beschäftigungsverhältnissen gegeben, der auf den gesetzlichen Mindestlohn zurückzuführen seien, berichtete das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit am Montag. „Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Betrieben in Ost- und Westdeutschland sowie zwischen solchen mit hohem und niedrigem Wettbewerbsdruck.“

Arbeitsplätze gingen vor allem in Ostdeutschland verloren, wo der Anteil des Niedriglohnsektors höher ist als im Westen. „Aus den vorliegenden Erkenntnissen zur Mindestlohneinführung und den bisherigen Erhöhungen lässt sich vorsichtig schlussfolgern, dass der Mindestlohn moderat über die bisherige Höhe hinaus angehoben werden kann, ohne dass ein wesentlicher Beschäftigungseinbruch zu erwarten wäre“, schreiben die Wissenschaftler des IAB.

Erhöhung um 25 Prozent in kurzer Zeit

Von einer „moderaten“ Erhöhung zum 1. Oktober kann indes keine Rede sein: Der gesetzliche Mindestlohn steigt dann von 10,45 auf zwölf Euro. Ausgehend von 9,60 Euro im Jahr 2021 erhöht sich der Mindestlohn in relativ kurzer Zeit in drei Stufen um insgesamt 25 Prozent. Der letzte Schritt auf zwölf Euro macht dabei 15 Prozent aus.

Olaf Scholz hatte im Bundestagswahlkampf 2021 einen Mindestlohn von zwölf Euro in den Mittelpunkt der SPD-Kampagne gestellt und die zwölf Euro dann auch im Koalitionsvertrag unterbringen können. Trotz Widerstände der Arbeitgeberverbände, die von diesem staatlichen Eingriff die Mindestlohnkommission desavouiert sehen, setzte die SPD und namentlich Arbeitsminister Hubertus Heil die Erhöhung zum 1. Oktober durch.

Heils Vorgängerin Andrea Nahles, ebenfalls SPD, hatte seinerzeit die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro im Jahr 2015 umgesetzt. Auch damals gab es große Widerstände der Arbeitgeber, und nicht wenige Ökonomen warnten vor dem Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen. Auch deshalb fiel das Niveau mit 8,50 Euro relativ gering aus, jedenfalls im Vergleich zu westeuropäischen Ländern.

Am Ende gab es so gut wie keine Arbeitsplatzverluste. Eine von Arbeitgebern und Gewerkschaftern gebildete Mindestlohnkommission wurde vom Gesetzgeber mit der weiteren Entwicklung beauftragt, die sich an den Tariferhöhungen der vorausgegangenen zwei Jahre orientiert.

Arbeitgeber haben sich verkalkuliert

Die erste Erhöhung auf 8,84 Euro erfolgte zum 1. Januar 2017. Danach wurde der Mindestlohn jeweils zum 1. Januar der Jahre 2019, 2020 und 2021 auf 9,19 Euro, 9,35 Euro und 9,50 Euro angehoben, zuletzt in halbjährlichen Schritten auf bis zu 10,45 Euro zum 1. Juli dieses Jahres.

Die Arbeitgeber in der Mindestlohnkommission hatten sich auf die ungewöhnlich vielen Erhöhungen in 2021 und 2022 eingelassen, um dadurch einen großen Schritt auf zwölf Euro zu verhindern. Dieses Kalkül ging nicht auf.

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Von der Einführung des Mindestlohns waren 2015 noch knapp 16 Prozent der Betriebe betroffen, weil sie mindestens einen Beschäftigten hatten, der zuvor unterhalb des Mindestlohns entlohnt wurde. In den Folgejahren sank der Anteil der Betriebe, die von den jeweiligen Anhebungen des Mindestlohns betroffen waren, deutlich. So gaben bei der Erhöhung im Jahr 2020 nur noch etwa sieben Prozent der Betriebe an, eine Person unterhalb des Mindestlohns beschäftigt zu haben, teilte das IAB mit.

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