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Biblis bleibt in den Schlagzeilen. Inzwischen beschäftigt sich RWE mit dem Rückbau des stillgelegten Atomkraftwerks. Foto: dpa

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Wirtschaft: Atomkonzerne können strahlen

Das 2011 im Fukushima-Schock erlassene Kernkraft-Moratorium war rechtswidrig, urteilen Bundesrichter.

Berlin - Die vorübergehende Abschaltung des hessischen Atomkraftwerks Biblis im Jahr 2011 ist rechtswidrig gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig teilte am Dienstag mit, die Beschwerden des Landes Hessen gegen ein gleichlautendes Urteil des Kasseler Verwaltungsgerichtshofs (VGH) seien zurückgewiesen worden, das Urteil vom vergangenen Februar sei damit rechtskräftig. Nun drohen Hessen Schadenersatzforderungen des Betreibers RWE.

Das Urteil bezieht sich nur auf das damals verhängte dreimonatige Moratorium (Az. BVerwG 7 B 18.13), nicht auf den Atomausstiegsbeschluss als solchen. Gleichwohl schöpfen die Kernkraftwerksbetreiber nun Hoffnung, von Bund und Ländern entschädigt zu werden.

Die hessische Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) erklärte, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts treffe keine Vorentscheidung, „ob überhaupt Schadenersatzansprüche des Betreibers gegenüber dem Land bestehen“. Diese müssten in einem weiteren Verfahren geklärt werden. Das kündigte RWE auch gleich an, nun würden die genauen Schäden berechnet und in einem zivilrechtlichen Verfahren geltend gemacht, sagte ein RWE-Sprecher. In einem solchen Verfahren wird es um die Frage gehen, ob die Stilllegung auch rechtskonform möglich gewesen wäre. Dann käme Hessen um die Zahlung einer Summe von geschätzt etwa 190 Millionen Euro womöglich noch herum.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, die Entscheidung des Gerichts sei „zu respektieren“, ändere aber nichts am Atomausstieg. Die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, sagte: „Jetzt rächt sich nicht nur die Schlampigkeit der hessischen Regierung. Auch die Bundesregierung trägt Mitschuld.“ Sie wirft der früheren Regierung vor, sie habe sich offenhalten wollen, die alten Atomkraftwerke doch wieder anfahren zu lassen und habe deshalb nur „eine schlechte Pauschal-Vorlage“ für die Abschaltverfügung vorgelegt. Tatsächlich hatte die hessische Landesregierung 2011 versucht, den Bund zu einer bundesaufsichtlichen Weisung in Sachen Biblis zu bewegen, darauf wollte sich das Umweltministerium aber nicht einlassen. Vor Gericht behauptete die Landesregierung dennoch, sie habe auf Anordnung des Bundes gehandelt.

RWE-Konkurrent Eon war seinerzeit mit den Akw Isar I (Bayern) und Unterweser (Niedersachsen) von dem Moratorium betroffen – und hatte dies akzeptiert und lediglich gegen die im August 2011 verabschiedete 13. Novelle des Atomgesetzes, also den jüngsten Atomausstiegsbeschluss, Verfassungsbeschwerde eingereicht. Das nun in Leipzig gefällte Urteil ändert die Lage auch für Eon. Man werde das Urteil im Detail prüfen. „Fest steht aber nun, dass das verhängte Moratorium rechtswidrig war. Wir können allein schon im Interesse unser Aktionäre keinen Schaden hinnehmen, der auf Basis eines rechtswidrigen Beschlusses entstanden ist. Daher behalten wir uns vor, Ansprüche geltend zu machen“, sagte Eon-Sprecher Markus Nitschke dem Tagesspiegel.

Beim Vattenfall-Konzern, der die beiden norddeutschen Kraftwerke Krümmel und Brunsbüttel betreibt, ist der Fall etwas anders gelagert. Beide Meiler waren zum Zeitpunkt der Katastrophe von Fukushima nicht am Netz, insofern entstand durch das Moratorium zunächst auch kein Schaden. Gleichwohl sieht sich Vattenfall ebenfalls durch den Atomausstieg geschädigt. Als ausländischem Unternehmen steht dem schwedischen Staatskonzern zugleich die Möglichkeit offen, ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Im Mai 2012 reichte Vattenfall Klage beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington ein.

Nach unbestätigten Informationen strebt Vattenfall eine Entschädigung in Höhe von 3,7 Milliarden Euro zuzüglich Verfahrenskosten an. Argument: Gegenüber dem Atomausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2000, der Basis für getätigte Investitionen war, stehe man nun schlechter da, weil die Reststrommenge verfalle. Im Juli 2012 reichte Vattenfall dann auch Verfassungsbeschwerde ein. mit dpa

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