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Maisfelder: Der Mais gehört auf den Teller oder in den Trog, finden Lemke und Özdemir.

© dpa/Jan-Philipp Strobel

Biosprit: Grüne Minister wollen schnellen Ausstieg

Mais in den Tank? Umweltministerin Steffi Lemke und Agrarminister Cem Özdemir wollen das ändern. Doch der Verkehrsminister blockiert.

Mais, Raps, Soja oder Getreide sollen künftig nicht mehr zu Sprit verarbeitet werden. Darin sind sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und ihr Parteifreund, Agrarminister Cem Özdemir, einig. 2030 soll Schluss sein, einen Vorschlag zum stufenweisen Ausstieg werde sie „sehr zeitnah auf den Weg bringen“, kündigte Lemke am Dienstag anlässlich des Agrarkongresses ihres Ministeriums in Berlin an.

Mit dem Ziel, den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten, müssen Treibstoffe in Deutschland seit 2007 einen Mindestanteil an Bio-Masse enthalten. Dazu werden Pflanzen wie Rüben, Weizen zu Ethanol verarbeitet und Benzin beigemischt oder Pflanzenöle, etwa aus Raps, Dieselkraftstoffen beigemischt. Derzeit liegt der Anteil des Biosprits bei gut vier Prozent. Um das zu erreichen, würden 20 Prozent der deutschen Ackerflächen gebraucht, kritisierte Lemke. Durch einen Ausstieg könnte man „wertvolle Flächen“ gewinnen, betonte auch Agrarminister Özdemir. Wenn es um Lebensmittel in Tank, Teller, Trog oder Tonne gehe, gelte „Teller first“.

Ab 2030 sollen keine Lebensmittel mehr zu Sprit werden

Konkret wollen Lemke und Özdemir, dass im Verkehrssektor ab 2030 komplett auf Kraftstoff aus Anbaubiomasse verzichtet wird. Dazu soll die Obergrenze für den energetischen Anteil von Biokraftstoffen von 4,4 Prozent im vergangenen auf 2,5 Prozent in diesem Jahr und danach schrittweise auf null Prozent sinken. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben Lemkes wird in der Terminplanung des Bundeskabinetts jedoch seit Monaten vertagt. Einzig die Verwendung von Palmöl in Biokraftstoffen wird seit Jahresanfang nicht mehr gefördert.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist gegen den Vorschlag, weil er zu einem höheren Treibhausgasausstoß im Verkehr führe. Dies sei mit den Klimazielen der Bundesregierung unvereinbar. Rückendeckung bekommt er von Nobert Lins, Europaabgeordneter der konservativen EPP: Biokraftstoffe würden als Brückentechnologie für die Abkehr von fossilen Energieträgern gebraucht und seien bei der Dekarbonisierung des Verkehrs nicht wegzudenken, kommentierte er.  

Biosprit sparte CO2

Genau darauf pocht auch die Biokraftstoffbranche, für die Lemkes Vorstoß der vollkommen falsche Weg ist. Die Verbände verweisen darauf, dass Biokraftstoffe momentan für die mit Abstand größte Reduktion von CO2 im Verkehrssektor verantwortlich sind. Ihren Berechnungen zufolge minderten Biodiesel, Bioethanol und Biomethan im Jahr 2021 den CO2-Ausstoß um rund elf Millionen Tonnen. Die Elektromobilität, auf die die Bundesregierung die größten Hoffnungen setzt, habe dagegen nur knapp 25.000 Tonnen Treibhausgase eingespart. 

Die hohen Spritpreise haben 2022 den Anteil von E10 am verkauften Benzin kräftig steigen lassen. Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) geht für das Gesamtjahr von rund einem Viertel aus. Das wäre ein deutlicher Anstieg: 2021 lag der Anteil noch bei etwa 17 Prozent, 2020 bei 14 Prozent.

Durch einen Ausstieg kann man wertvolle Flächen gewinnen.

Agrarminister Cem Özdemir

Aral testet Sprit aus Abfällen

Tankstellenbetreiber wie Aral testen bereits neuen Kraftstoffe, die weniger CO2 freisetzen und erneuerbare Rohstoffe wie Abfälle und Waldholz enthalten: Ihr Anteil liegt bei „Futura Super 95 und Futura Diesel“ bei rund 30 Prozent. Allerdings sind die verfügbaren Mengen der fortschrittlichen Biokraftstoffe auf absehbare Zeit stark begrenzt. Sie machen derzeit ein Drittel aus, zwei Drittel stammen aus konventionellem Anbau.

Umweltschützer fordern Ausstieg schon seit langem

Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) oder Greenpeace halten nicht viel davon, Pflanzenöle aus Soja oder Raps als Agrokraftstoffe im Autotank zu verbrennen. Ihr Anbau stehe in Konkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln und bedrohe die Artenvielfalt, beispielsweise in Indonesien. „Es ist gut und längst überfällig, dass Lemke und Özdemir jetzt schnell Schluss damit machen wollen, wertvolle Lebensmittel in Verbrennungsmotoren zu verheizen“, sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lamprecht am Dienstag. „Es kann nicht sein, dass in der EU Tag für Tag 10.000 Tonnen Weizen zu Biosprit verarbeitet werden – genug, um daraus 15 Millionen Brote zu backen.“ Deutschland müsse beim Ausstieg aus diesem Agrokraftstoff vorangehen, die Hängepartie in der Bundesregierung müsse endlich beendet werden. „Es kann nicht sein, dass Verkehrsminister Wissing den Ausstieg aus dem Biosprit blockiert, um die Versäumnisse der Verkehrspolitik beim Klimaschutz zu kaschieren. Biosprit schützt das Klima nur auf dem Papier und Essen gehört auf den Teller, nicht in den Tank!” Das sehen auch Lemke und Özdemir so.

Beide Ministerien sind nach dem Regierungswechsel „eine Hausfreundschaft“ eingegangen. Das Fazit, meinen beide Minister, ist positiv. So habe man den Streit mit der EU um die Nitratrichtlinie und schlechte Werte im Grundwasser lösen können, beide Häuser arbeiten gemeinsam an einer Waldstrategie, um den Wald klimaresilient umzubauen. Auch der Plan, Moore wieder zu vernässen und so Treibhausgasemissionen zu binden, wird von beiden Häusern getragen. Unter der Vorgängerregierung hatte es oft Konflikte zwischen Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gegeben.

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