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© Fabian Frinzel

Ein Besteck unserer Zeit: Werkzeug für die Sinne

Der Designer Mark Braun hat für Mono ein Besteck entworfen. Ein Besuch in der Produktion

Wer ein neues Besteck ausprobieren will, kann das am besten beim Essen tun. Genauso machte es Mono. Die Firma aus Mettmann stellt seit den 1950er Jahren Designerbesteck her. Das heißt so, weil 1958 der Industriedesigner Peter Raacke mit Mono A das erste Besteck für die damals noch „Hessischen Metallwerke, Gebrüder Seibel, Ziegenhain“ entwarf.

Jetzt sitzt Mark Braun mit am Tisch im Restaurant Julius Ernst. Der Berliner Designer hat das neueste Besteck Mono V entworfen. Das ist alles andere als gefällig, aber da sein Auftraggeber das Besteck mit einem Abendessen einweiht, kann man sich fühlend, tastend und schmeckend überzeugen, dass sich der Löffel nicht zu quadratisch im Mund anfühlt, das Messer nicht zu plump in der Hand liegt und die Gabel alles aufspießt, was sie soll.

© Aidan Perry

Ein Besteck für Mono machen zu dürfen, „ist schon die Königsdisziplin“, sagt Mark Braun. Er lässt sich nicht gern festlegen – entwirft Tische, Sofas und Regale. Aber was er wirklich gut kann, sind die Dinge, die man in der Hand oder nah am Körper hat. Wie einen Füllfederhalter, eine Armbanduhr, Gläser oder eben das Besteck V.

Auch wenn Mark Braun schon viele Auszeichnungen für seine Arbeit gewonnen hat, ließ ihn die Inhaberfamilie Seibel erst einmal ein Fondue entwerfen, als Prüfung. 2018 bekam er dann den Auftrag, das legendäre Besteck Mono Ring von Peter Raacke zu überarbeiten. Der hat nach Mono A die wichtigsten Bestecke für Mono entworfen – in seinem Reihenhaus in Zehlendorf.

© Fabian Frinzel

Die Art, wie man miteinander isst, sagt viel darüber aus, wie man sich die Zukunft vorstellt. Das Mono Ring von 1962 lag nicht mehr nach Gängen sortiert, es hing an einem Gestell, mitten auf dem Tisch. Es war nicht die Zeit für Traditionen und ausgedehnte Gelage. Das hat sich gedreht. Heute will man mit Familie und Freunden eine gute Zeit beim Essen ohne steife Tischsitten verbringen. Es geht darum, zu zeigen, wie kreativ und individuell man isst.

Wir existieren nur noch, weil wir die Nische des hochwertigen Bestecks sehr früh besetzt haben.

Wilhelm Seibel, Firmeninhaber

Dazu passt Mono V. „Die Zusammenarbeit mit Mono war wie ein guter Tanz“, sagt Mark Braun und dass es sich auf jeden Fall lohnt, die Produktionsstätte in Mettmann zu besuchen. Immerhin ist es eine der letzten in Deutschland.

„Wir existieren nur noch, weil wir die Nische des hochwertigen Bestecks sehr früh besetzt haben“, sagt Wilhelm Seibel, der fünfte Wilhelm in der Familiendynastie. Inzwischen sind mehr als 200 Firmen vom Markt verschwunden. In Deutschland stellen noch vier Firmen Bestecke her.

Etwas muss Wilhelm Seibel noch erklären, bevor er durch seine Manufaktur führt. Mettmann war eine Besteckstadt, nicht Solingen. „In der ersten Hälfte des Jahrhunderts war die Besteckindustrie der größte Arbeitgeber in der Stadt. Aus Solingen kommen Schneidwaren von Herstellern wie Mühle, Zwilling und Wüsthoff. Das wird gern in einen Topf geworfen.“

Das neueste Besteck Mono V - der Name kommt vom Knick im Griff.

© bus.group

Das hauseigene Museum ist ein langes Wandregal im Flur. Weil sie bei Mono immer nach vorne geschaut haben, ist die Sammlung nicht allzu groß, vieles haben sie auf Ebay gefunden.

Wichtiger ist es Wilhelm Seibel, seine Werkhallen zu zeigen. Er muss das viele hundertmal gemacht haben: Diesen einen Löffel in Rohform in die Hand zu nehmen, ihn in das Werkzeug zu legen.

Er genießt die erstaunten Blicke, wenn sich ein 680 Tonnen schweres Gewicht langsam auf eine Löffelform senkt und das Metall zu einer Laffe verbiegt. Die ist danach glühend heiß. Die Hitze entsteht nur durch das Gewicht. „Auf einem Dessertlöffel lastet beim Pressen rund 390 Tonnen. Das ist, als würden auf unserem Daumennagel 390 Kleinwagen stehen“, Seibel ist sichtlich zufrieden mit diesem Vergleich.

An dieser Maschine wird die Laffe eines Löffels in Form gepresst. Ein Gewicht von 390 Tonnen senkt sich hier auf einen Dessertlöffel.

© Fabian Frentzel

„Messer sind ein ganz anderes Thema“, sagt er und führt in einen separaten Bereich der Halle. Messer bestehen aus zwei Teilen. Das hat einen einfachen Grund, Schaft und Klinge sind aus unterschiedlichem Stahl. Der für die Klinge muss gehärtet sein und kommt fertig aus Solingen. „Wir verarbeiten nur kalt und Stahl für ein Messer muss geschmiedet, also heiß verarbeitet werden.“

© Fabian Frinzel

1912 meldete Krupp in Essen Edelstahl als Patent an. Seitdem ist nicht mehr viel passiert. „Das ist immer noch der beste Stahl. Aber eben nicht für Klingen. Er ist zu weich, um daraus eine scharfe Schneide zu machen.“ Aber der gehärtete Stahl, der bei hochwertigem Besteck verwendet wird, ist nicht rostfrei. Wenn Kunden ihre Messer bei Mono einschicken, weil sich Rostflecken bilden, erwähnen sie oft, dass ihr billiges Ikea-Besteck immer noch so aussieht, wie am ersten Tag. „Aber man kann damit auch nicht schneiden wie am ersten Tag“, erwidert Wilhelm Seibel dann gern.

Sogar bei der Qualitätskontrolle von Mono A versucht er die Fehler an einer Gabel zu finden. Aber trotz roter Markierungen erkennt er nicht alle Unebenheiten, die nur bei einer bestimmten Lichtbrechung zu sehen sind.

Wenn man heute auf das Mono A schaut, sieht man einen Klassiker. Einen, der für viele andere Löffel und Gabeln zum Vorbild wurde, zum Beispiel das Besteck von Lufthansa. Die Produkte von Mono sind sehr nüchtern, minimalistisch, radikal. Das weiß Wilhelm Seibel als Qualität zu schätzen. Das ist bei Pott anders. Die Firma, die immer ein Konkurrent und Kollege war und die Seibel 2006 übernahm, weil bei Pott eine Nachfolge fehlte. „Auch dort haben viele tolle Architekten Bestecke gestaltet“, sagt der Mono-Chef. Pott war immer weicher, mehr auf die Manufakturarbeit ausgerichtet. Da gab es den Kartoffel- und Vorlegelöffel, die hat es bei Mono nie gegeben.

Mark Braun hat sich der 62-jährige Seibel zusammen mit seinen Söhnen ausgesucht, „um den Staffelstab zu übergeben“. Der eine, Matthias, arbeitet als Produktionsleiter. Er sitzt gerade vor einer Maschine, öffnet eine Klappe, legt ein paar Messer hinein. Nach einem Knopfdruck lasert ein feiner Strahl das Markenzeichen von Pott in den Schaft. Der andere, Johannes, kümmert sich als Kreativdirektor von Berlin aus um den Markenauftritt.

Mark Braun ist froh, dass er sich noch mit Peter Raacke vor seinem Tod treffen konnte, um mit ihm zu besprechen, wie er das Mono Ring verändern wollte. Raacke war mit allem einverstanden.

© Fabian Frinzel

Auch in anderer Hinsicht steht Mark Braun für einen Generationswechsel. Er ist freundlich und zugewandt und trotzdem sehr konsequent in seiner Formensprache. Jedes Detail wird ausgehandelt. Das passt zu Mono. Hier lässt sich niemand gern drängeln. Auch wenn viele Händler gern bei jeder Messe einen neuen Entwurf sehen würden. Die Vorstellung, auf die Schnelle ein Produkt zur Marktreife zu bringen, da muss sich Wilhelm Seibel fast schütteln: „Ich kann mich an kein Produkt erinnern, das uns ein Designer hierher gebracht hat und das wir eins zu eins umgesetzt hätten. So läuft das bei den Seibels nicht!“

Mono V ist wieder ein radikal moderner Entwurf, weil er den Herstellungsprozess offen legt und den Umgang mit dem Material in der Form sichtbar macht. Es ging Mark Braun darum, das Besteck so dünn wie möglich zu machen, ohne etwas von der Gebrauchsqualität einzubüßen. Die Griffe haben der Länge nach einen Knick in der Mitte. Mark Braun nahm sich Plastikbesteck zum Vorbild, das diese Faltung für die Stabilität braucht. Dass so ein Besteck entstand, das so gar nichts mit Fast Food gemein hat, ist da nur konsequent.

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