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Quartier Heidestraße in Mitte in der Nähe des Hauptbahnhofs - seit einem Jahrzehnt entstehen hier Büro- und Wohnhäuser.

© Jens Kalaene/picture alliance/dpa

Tagesspiegel Plus

Immobilien begehrt wie nie: Der Kauf in Berlin lohnt sich trotz hoher Preise noch immer

Krise, welche Krise? Trotz der unsicheren Wirtschaftslage halten Experten den Immobilienmarkt in Berlin für stabil. Was das für Wohnungssuchende bedeutet.

Die Stimmen, die eine Blase auf dem Wohnungsmarkt befürchten, mehrten sich zuletzt. Vor allem die Bundesbank mahnte vor Überbewertungen; auch die Deutsche Bank wähnte das Ende des Immobilienzyklus’ in ein paar Jahren in Sicht. Doch die aktuellen Zahlen kennen weiterhin nur einen Kurs: Wachstum.

Noch nie investierten Käufer von Wohnungen so viel Geld in Immobilien wie im vergangenen Jahr. Getoppt wurden ihre Ausgaben nur von Investoren, die Büroobjekte erwarben. Nach wie vor gilt in Berlin: Weil Immobilien so begehrt sind, steigen die Preise. Aber das dämpft die Euphorie nicht.

Weiterer Zuzug wird erwartet

Denn die Marktbeobachter rechnen fest mit einem weiteren kräftigen Zuzug von Menschen aus allen Regionen. Erst recht mit dem Abklingen der Pandemie. Zumal auch der russische Angriffskrieg Zehntausende aus der Ukraine in die deutsche Hauptstadt verschlug. Viele von ihnen drängen auf den Arbeitsmarkt. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung wegen des Krieges aktuell ungewiss ist, sind das langfristig gute Voraussetzungen für steigende Nachfrage nach Wohnungen und Büroarbeitsplätzen.

So viel Wohneigentum wurde in Berlin verkauft.
So viel Wohneigentum wurde in Berlin verkauft.

© Grafik: Tagesspiegel / Rita Böttcher • Quelle: Gutachterausschuss Berlin, Aengevelt Research • Stand: 23.2.2022

Ein Beispiel dafür ist der Online-Autoteile-Vertrieb „Autodoc“. Viele der Mitarbeiter flohen aus der Ukraine - und wurden von den Firmeneignern auch in der Region Berlin-Brandenburg angesiedelt. Von hier aus arbeiten sie weiter.

„Berlin gehört weiterhin zu den dynamischsten Metropolen Europas“, jubelt auch das Maklerhaus „Aengevelt“. Die Zahl der Beschäftigten sei um rund 43.000 Personen im Pandemiejahr 2021 gestiegen, ein Wachstum von 2,8 Prozent.

Die Hälfte der drei Milliarden flossen in Büros

Wo neue Arbeitsplätze entstehen, braucht es Büro- und Produktionsflächen. Doch der Markt ist leer gefegt. Das „Angebotsdefizit“ beträgt Aengevelt zufolge 275.000 Quadratmeter Bürofläche. Und selbst wenn die Konjunktur wegen des Krieges lahmen sollte, dürfte das für steigende Preise sorgen. Die „Spitzenmieten“ steigen. Das international tätige Maklerhaus JLL meldet, dass auf Bürohäuser fast die Hälfte aller Umsätze mit Immobilien im ersten Quartal dieses Jahres entfielen: 47 Prozent der insgesamt umgesetzten drei Milliarden Euro. Büros seien wieder die „stärkste Assetklasse“.

Und wer einen Job in Berlin hat, braucht hier auch eine Wohnung. Eine Wohnung in Berlin bleibt deshalb auch begehrenswert für jede Art von Investor: Von der begüterten Familie, die eine Studentenbude für den Nachwuchs kauft, über mittelständische Investoren, die ein ganzes Miethaus erwerben bis zu den Fonds und Aktiengesellschaften, die sich ganze Häuserzüge aneignen.

4000 zusätzliche Haushalte kamen im vergangenen Jahr in Berlin hinzu gegenüber 2020. Und das Wachstum der Bevölkerung wird nicht nur nach Auffassung der Marktforscher, sondern auch nach Meinung von Berlins Senator für Stadtentwicklung Andreas Geisel (SPD) anhalten: „Die Pandemie hat uns zu einer Atempause verholfen, aber jetzt wächst Berlin weiter und wir müssen das Wachstum steuern“. Geisel kündigte im März eine „Trendwende“ in der Stadtentwicklung an mit dem Bau tausender neuer Wohnungen.

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„Ungeachtet zahlreicher weiter vorherrschender Engpässe am Wohnungsmarkt ist und bleibt Berlin Magnet für Zuzügler, Gründer und Investoren“, schreiben die Marktforscher von Aengevelt. Das zukünftige Einwohnerwachstum Berlins werde bestimmt „von der Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums“. Gelinge es nicht, das Angebot deutlich zu erweitern und den Anstieg des Mietpreisniveaus zu bremsen, würden Teile der Bevölkerung in das (noch) kostengünstigere Umland abwandern.

Allerdings hatte bereits der Marktbericht der Investitionsbank Berlin vor wenigen Wochen gezeigt: Unmittelbar hinter der Stadtgrenzen haben die Brandenburger Mieten bereits dasselbe Niveau erreicht von dezentralen Lagen in der Hauptstadt selbst, um die zehn Euro je Quadratmeter und Monat.

Der Druck ist hoch, weil die Bevölkerung in Berlin „nachhaltig weiter wächst“ und deshalb in der Stadt eine „kontinuierlich anziehende Wohnraumnachfrage“ herrsche, so der Marktbericht von Aengevelt. Das sind gute Nachrichten für Käufer von Immobilien, weil die große Nachfrage die Mieten verfügbarer Wohnungen stabil hält oder sogar steigen lässt.

Das sind keine Hoffnungswerte, denn auch der Berliner Mieterverein „befürchtet weiter massiv steigende Mieten“. Die Angebotsmieten für bezugsfreie Wohnungen seien „nach dem Mietendeckel-Ende wieder angestiegen und werden es aktuell im Hinblick auf die große Zahl Geflüchteter auch weiter tun“, so Berlins Mieterchef Reiner Wild.

26.300 neue Wohnungen bräuchte es im Jahr

Schuld daran ist eine Verschleppung der Bautätigkeit in Berlin: Sowohl die Zahl der zum Bau genehmigten neuen Wohnungen als auch die Menge der fertig gestellten neuen Wohnungen gingen zuletzt zurück, wie das Amt für Statistik Berlin Brandenburg meldete. Die Marktforscher von Aengevelt errechnen nunmehr einen „Gesamtneubaubedarf von 26.300 Wohnungen im Jahr. Doch in diesem Jahr werden bestenfalls gut 18.700 Wohnungen fertig, so die Prognose. Der Mangel an Wohnungen wächst also - und mit diesem steigen Preise und Mieten.

Andreas Geisel, Senator für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung, will eine „Trendwende“ am Wohnungsmarkt anstoßen.
Andreas Geisel, Senator für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung, will eine „Trendwende“ am Wohnungsmarkt anstoßen.

© Sven Darmer

14,75 Euro je Quadratmeter und Monat sagen die Experten von Aengevelt für frei verfügbare neue Wohnungen in diesem Jahr voraus - ein Plus von 11,5 Prozent. Bei den Mieten insgesamt (Alt- und Neubauten) geht es ebenfalls aufwärts, aber nicht ganz so stark: um 4,3 Prozent auf 10,59 Euro je Quadratmeter im Durchschnitt.

Bei diesen Aussichten drängen viele Käufer von Miethäusern auf den Markt und zahlen Rekordpreise: Der „mittlere Objektpreis“ stieg auf 5,24 Millionen Euro je Wohnhaus. Die Investoren kauften Wohnimmobilien im Gesamtwert von 2,773 Milliarden Euro im Jahr 2021 (2020: 2,139 Mrd. Euro). Das war sogar noch einmal mehr als im bisherigen Spitzenjahr 2019 (2,627 Mrd. Euro), vor der Corona-Krise.

Insgesamt hat sich Berlin zum „größten Investmentmarkt in Deutschland“ gemausert, so die Marktforscher. Sie sehen aber wegen der großen Nachfrage eine „Renditekompression“. Soll heißen: Wer gegenwärtig eine Immobilie erwirbt, kann im besten Fall mit den Mieten seine Kosten erwirtschaften. So liegt die „Spitzenrendite“, also das, was unter dem Strich nach Abzug der Kosten übrig bleibt, bei 2,5 Prozent pro Jahr bei Wohnobjekten und 2,6 Prozent bei Büroimmobilien.

Die Wette auf die Zukunft der deutschen Hauptstadt ist es, die zu jener ungebrochenen Investitionstätigkeit in Berlin führt. Die Bundesbank warnte zwar wiederholt davor, dass auch in Berlin Immobilien um rund 25 Prozent überbewertet seien. Doch diese Warnungen verhallen ungehört. Risiken für die Anleger bringen auch die steigenden Zinsen, wodurch die Kosten für die Finanzierung der Immobilien mit Krediten steigen. Üblicherweise bremst das den Anstieg der Preise. Noch ist davon allerdings nichts zu erkennen.

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