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In der Franklinstraße 8 werden zwei alte Hallen abgerissen und durch diesen Neubau mit dem Namen „Glance“ ersetzt. 

© MORIET & BRRO GMBH, BERLIN/ENTWURF: Gewers Pudewill

Hoher Anspruch an Gewerbeimmobilien: Signas Großprojekt „Glance“ soll sich komplett selbst versorgen

Am Spreeufer realisiert das österreichische Immobilienunternehmen Signa bis 2025 ein zukunftsweisendes Projekt.

Nicht nur moderne Großstadtmenschen und Bürohipster sollen sich in dem geplanten Gewerbezentrum „Glance“ an der Franklinstraße wohlfühlen. Auch Brut- und Nistplätze auf dem üppig begrünten Dach sind fest vorgesehen. Am Spreeufer könnten gar Biber heimisch werden. Die Signa Real Estate will ein ökologisch besonders ausgereiftes Projekt an der Grenze zwischen Charlottenburg und Moabit realisieren. Baubeginn für den Rohbau soll im vierten Quartal 2023 sein.

Der Name „Glance“ ist dabei Programm: Schon „auf den ersten Blick“ soll es hier besonders hell scheinen. Der Entwurf von Georg Gewers/Henry Pudewill habe etwas von „einer schimmernden Bergkristall-Geode“, heißt es beim Projektentwickler. Das mit einer kristallin gestalteten Glasfassade versehene Gebäude bietet auf sieben Geschossen eine Nutzfläche von 30.000 Quadratmetern.

Dort sollen sich in einer warmen, inspirierenden Atmosphäre moderne Büros, Restaurants, kleine Geschäfte, Werkstätten und Fitness-Studios einmieten. Laut Signa laufen bereits Gespräche mit Interessenten. Über Vertragsabschlüsse könne zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nichts gesagt werden. „Glance“ soll nach derzeitiger Planung 2025 fertiggestellt sein.

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Lanzen sind mit 100 Meter tiefer liegenden Geothermiesonden im Baugrund verankert.

Derzeit schauen auf dem Baugrundstück zwischen den historischen Gebauer-Gewerbehöfen und einem Autohaus 85 Lanzen aus dem Boden. Sie sind mit 100 Meter tiefer liegenden Sonden für die Geothermie verbunden.

Erdwärme, Umgebungsluft und die Kraft der Sonne sind die drei Grundpfeiler für das energetische Konzept. Je nach Bedarf sorgen drei Erdwärme-Pumpen, zwei Luftwärme-Pumpen und zwei Rückkühlwerke für Wärme und Kälte. Neben der Netzverbindung liefert eine Fotovoltaik-Anlage mit mehr als 400 Solarmodulen Strom vom Dach. In der Tiefgarage sollen für 120 Parkplätze Anschlüsse für Elektrofahrzeuge eingerichtet werden. Alles zusammengerechnet wird CO₂-Neutralität angepeilt, Grundstock für das angestrebte Label „Green and Smart Building“.

Die Energieversorgung soll ein Vorbild für Dekarbonisierung sein

Timo Herzberg, Geschäftsführer bei Signa: „Die Energieversorgung des neuen Bürogebäudes in der Franklinstraße wird ein Vorbild für zukünftige Konzepte zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors sein. Durch die Kombination mit Luftwärme und Sonnenenergie wird der positive Effekt für den Klimaschutz und eine autarke Versorgung mit Energie noch größer.“

Momentan geht der Blick am Bauplatz über die mit den Lanzenenden gespickte Trogbaugrube. Weitere Vorarbeiten laufen. „Aktuell setzen wir einige Planungsanpassungen im Erdgeschoss um und vergeben die nachfolgenden Gewerke für den Hochbau und die technische Gebäudeausstattung“, sagt Signa-Sprecher Sebastian Schmidt.

Dabei steht auch die Biodiversität im Fokus. Nach einer Vor-Ort-Analyse durch das Berliner Start-up Studio Animal-Aided Design wurde ein detailliertes Konzept entwickelt. Danach sollen die Dächer gezielt mit Nischen und Rückzugsräumen für verschiedene Arten modelliert werden.

Schließlich können in einer 70 Zentimeter starken Schicht mit Bodensubstrat verschiedene Gehölze wurzeln. Darunter sind der Eingriffige Weißdorn, die Berberitze, der Eisenholzbaum, die Schwarzkiefer und der Sommerflieder. Allgemein gilt: Das blütenbetonte Dach soll mit Sträuchern und Stauden auch Insekten anlocken. Und so könnte sich einst hoch oben mit Blick auf den Spreebogen der Charakter einer Flussaue widerspiegeln.

Der Erdaushub soll per Schiff abtransportiert werden

Zunächst spielt das fließende Gewässer aber für die Baustellenlogistik eine wichtige Rolle. So sollen 40.000 Kubikmeter Erdaushub per Schiff abtransportiert werden. Das spart rund 10.000 Lkw-Fahrten durch die Stadt. Später kann auf der öffentlichen Uferpromenade flaniert und geradelt werden. Signa verspricht einen Fahrradweg von der Franklinstraße zum Spreeufer.

Der Spreebogen könnte die Qualitäten einer Flussaue haben – denn Biodiversität soll Teil der Bauaufgabe werden.

© MORIET & BRRO GMBH, BERLIN/ENTWURF: Gewers Pudewill

Schließlich sieht sich „Glance“ als verbindendes Element zu den Gewerbenachbarn Gebauer Höfe, ein historischer Standort der GSG Berlin, der Firmenname lautete bis vor Kurzem Gewerbesiedlungs-Gesellschaft, und dem Online-Versandhandel für Beauty-Produkte Flaconi.

Die Quartiersentwicklung startete bereits in den 1850er-Jahren

Dabei könnte der Kontrast kaum größer sein. Bei den Gebauer Höfen handelt es sich nämlich um eines der klassischen Berliner Gewerbe-Ensembles auf einer Fläche von rund 20.000 Quadratmetern. Ab 1865 produzierte dort eine Textil- und Maschinenfabrik. Die Firma Friedrich Gebauer nutzte in der damals noch selbstständigen Stadt Charlottenburg die günstige Lage an der Spree.

In der langen Lebenszeit der Höfe gab es viele An- und Umbauten. Jetzt sind hinter den roten Ziegelmauern bis zu 75 Mieter von der Modeschule über die Kaffeerösterei bis zur Anwaltskanzlei zu Hause.

Die Gebauer Höfe mit ihrem Mietermix und das Neubauprojekt „Glance“ könnten das Quartier in Charlottenburg gut ergänzen.

© MORIET & BRRO GMBH, BERLIN/ENTWURF: Gewers Pudewill

Der GSG-Geschäftsführer Thomas Ostermann freut sich auf die neuen Nachbarn: „Die Gebauer Höfe mit einem bunten Mietermix und das Neubauprojekt Glance mit seinen Büroflächen können sich mit Blick auf das gesamte Quartier sehr gut ergänzen.“ Ein gemeinsamer öffentlicher Wanderweg am Wasser ist für ihn absolut sinnvoll. Zumal die Uferwand in Höhe der Höfe umfangreich saniert und die Außenanlagen völlig neu gestaltet werden.

Unter der Bezeichnung „Gebauer Wateryards“ plant die GSG verschiedene bauliche Erweiterungen. So soll mit dem Gebäude „The GEM“ eine Lücke zwischen zwei Brandwänden mit schicker Glasfassade und hellen Innenräumen für flexible Büros geschlossen werden. Die Terrasse auf dem Dach steht allen Nutzern der Höfe zur Verfügung.

Für zwei vorhandene Gebäudeteile sind umfassende Sanierungen mit Anbauten geplant. Essentials wie Dachaufstockung mit Oberlichtern und Loftcharakter sowie optimalem Fensterblick auf die Spree und eine neue verglaste Halle mit Galerie direkt am Ufer bringen einen Schub Modernität in die historischen Gemäuer.

Der geplante Neubau F10 von Thomas Hillig Architekten mit einer spektakulären Schrägstellung zum Wasser hin allerdings wird, so Thomas Ostermann, „nach aktuellem Stand nicht weiterverfolgt“. Nach Informationen aus dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erlischt die Baugenehmigung zum 1. Oktober 2023.

Im Rathaus ist man allerdings froh darüber, dass „Glance“ für 1500 Arbeitsplätze an der Spree sorgt. Und auch die neu bepflanzte 12,50 Meter breite Uferzone samt 3,50 Meter breitem Spazierweg kommt bei der Bezirksverwaltung gut an. Selbst die Biber könnten in Flachwasserbereichen Lebensräume finden.

Allerdings, so heißt es in der Abteilung Stadtentwicklung: „Ein Ausstieg aus dem Gewässer mit Nahrungsaufnahme ist möglich, steht jedoch in Abhängigkeit zur Frequentierung des Uferbereichs durch Besucher, Passanten, Hunde etc.“ Ein Biberbau komme unter diesen Bedingungen kaum infrage.

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