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Kleiner wohnen: Bei einer Wohn-, Ferien- oder Wochenendhausnutzung von Tiny Houses ist grundsätzlich eine Baugenehmigung erforderlich, die vom örtlichen Bauamt ausgestellt wird.

© Raus Cabins

Urlaub eine Nummer kleiner : Im Berliner Umland boomen die Tiny Houses

In Brandenburg werden immer mehr Winzig-Herbergen vermietet. Kein Wunder, dass viele Grundbesitzer rund um Berlin auf den neuen Markt schielen.

„52 Grad, 57 Minuten, 22 Sekunden nördlicher Breite …“ Die Koordinaten, mit denen Google Feriengäste Richtung Norden aus der Stadt lotst, gehören zu einem kleinen Ferienhaus. Das steht etwa eineinhalb Autostunden von Berlin entfernt auf einer Wiese in Brandenburg, ist ganze 16 Quadratmeter groß, besitzt eine Küche, ein Bad und ein Doppelbett und wird über eine Solaranlage auf dem Dach mit Strom gespeist.

Die Design-Holzhütte gehört dem Berliner Startup Raus, einem Anbieter von Tiny Houses für Urlauber. Gemietet werden die Mikrohäuschen auf den Feldern und in den Wäldern Brandenburgs vor allem von gestressten Großstädtern, die sich nach einer Auszeit sehnen. Die Nachfrage ist hoch, die Diskussion über das Für und Wider dieses neuen Trends laut.

Sie tragen romantisch anmutende Namen wie „Waldlichtung“, „Wildblumenwiese“ oder „Lindenblick“ und befinden sich an abgelegenen Orten. Viel mehr als die Namen wissen die Urlauber, die bei Raus ein Domizil für zwei Tage oder drei Wochen buchen, vorab nicht.

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Wo genau ihr Häuschen auf Rädern steht, erfahren sie erst unmittelbar vor der Anreise. „Zum einen gewährleisten wir auf diese Weise, dass die Gäste in unseren Tiny Houses ungestört bleiben“, erklärt Julian Trautwein, Mitgründer und Geschäftsführer des Jungunternehmens. „Zum anderen kommt so zum Urlaub im Grünen noch etwas Abenteuer hinzu.“ Seine 25 mobilen Objekte in unterschiedlicher Größe und Ausstattung nennt Trautwein „Cabins“.

Corona hat der Beliebtheit der Mikrohäuser einen kräftigen Schub gegeben

Regina Schleyer, Vorsitzende des Tiny House Verbandes

Neben dem Unternehmen Raus tummelt sich ein halbes Dutzend weiterer Vermieter von Mini-Ferienhäusern auf dem deutschen Markt – zum Beispiel Naturhäuschen mit fünf Objekten für zwei bis vier Personen etwa in Neuruppin und Zehdenick, Green Tiny Houses, Kleiner Urlaub oder TinyHouse Mieten. Auch Privatleute und Online-Plattformen wie booking.com bieten Tiny-House-Ferienunterkünfte an.

Das 30-Mitarbeiter-Hospitality-Start-up um Julian Trautwein lässt seine selbst entworfenen Mini-Domizile von Firmen in Deutschland, Polen und den Niederlanden herstellen. Die Liste der Tiny-House-Produzenten ist in den vergangenen Jahren immer länger geworden, reicht von Albert Haus und Huf über Cabin One, Ecospace und Iglucraft bis Noordskstudio. Die Objekte sind meist aus Holz. Einige haben Räder, andere werden per Tieflader bewegt.

Die Kaufpreise beginnen bei 15.000 Euro

Groß sind die Kleinen nicht: Die Mehrzahl ist eingeschossig und maximal vier Meter hoch, Zweigeschossige messen bis zu fünf Meter. Die Wohnfläche beträgt maximal 50 Quadratmeter. Die meisten Tiny Houses sind autark, werden mit Solarstrom betrieben, haben einen Frischwassertank und eine Komposttoilette.

Wer eine schlüsselfertige Hütte kaufen möchte, muss mindestens 15.000 Euro ausgeben. Für qualitativ hochwertigere Objekte sind zwischen 35.000 und 120.000 Euro auf den Tisch zu blättern, so der Tiny House Verband in Karlsruhe. Um Interessenten ökologisch sinnvolle Objekte anbieten zu können, verwenden einige Produzenten nachhaltige Technologien etwa für eine Fassade aus „Superwood“-Holz, die ohne giftige Lacke und Klebstoffe auskommt, oder unbehandeltes Seegras der Ostsee als Dämmmaterial.

In den USA, wo die Tiny-House-Bewegung ihren Anfang nahm, ist die Definition eindeutig: Jedes Eigenheim mit weniger als 37 Quadratmetern Wohnfläche gilt dort als Tiny House. Hierzulande ist von Tiny Houses die Rede, wenn die Wohnfläche bis zu 50 Quadratmeter beträgt.

© Raus Cabin

Ferien machen in einer Winzig-Herberge ist ein Trend, der aus den USA kommt und hierzulande spätestens seit Frühjahr 2020 angekommen ist. „Corona hat der Beliebtheit der Mikrohäuser einen kräftigen Schub gegeben“, sagt Regina Schleyer, Vorsitzende des Tiny House Verbandes. Zu dessen Mitgliedern gehören neben zwei Dutzend Herstellern auch Branchendienstleister wie Architekten und Juristen sowie mehrere Vereine von Tiny-House-Nutzern.

Die Häuser stehen irgendwo im Nirgendwo – das reizt

Die Nachfrage nach günstigen, luxusbefreiten Ferien irgendwo im Nirgendwo ist groß. Weniger ist oft mehr. Trautwein sieht einen positiven Nebeneffekt des Rückzugstrends: „Sanfter, nachhaltiger Tourismus hilft, die Kluft zwischen Stadt- und Landbewohnern zu schließen.“

Wie viele Mikrohäuser aktuell in der Vermietung sind, weiß niemand genau. Auch der Branchenverband nicht. „Es gibt keine Zahlen, weil es noch keine einheitliche Erhebung gibt“, konstatiert Regina Schleyer. Fakt ist aber, dass die Wartelisten für viele Ferienhäuschen lang sind. Gerade in Brandenburg.

In Brandenburg sind die Wartelisten lang

Das Bundesland ist eine Hochburg der jungen Szene. Hier steht beispielsweise eine Holzhütte am Klostersee in Lehnin im Landkreis Potsdam-Mittelmark für zwei Personen. Tagespreis: 100 Euro. Andere Unterkünfte gibt es auch schon für 35 Euro am Tag, aber man kann auch 300, 400 oder 700 Euro und mehr ausgeben. Der Mietpreis hängt von der Lage des Objekts, der Größe und Ausstattung ab. Letztere variiert erheblich, reicht von spärlich bis üppig.

In einigen Mini-Herbergen stehen nicht viel mehr als ein Bett, ein Tisch und zwei Stühle, in anderen, teureren Unterkünften gibt es Großbildschirme, WLAN und Fußbodenheizung, Panoramafenster, Sauna und Badewanne.

Was sagen die Hoteliers in Brandenburg zu den neuen Mitbewerbern? Sie freuen sich – jedenfalls, wenn man Olaf Schöpe glaubt. „Neue Ideen sind gut für den Tourismus“, sagt der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Brandenburg. „Regionen, in denen es attraktive Angebote gibt, bekommen auch viele Gäste.“ Ferienkleinhäuser passten besser in den brandenburgischen Naturraum als riesige Hotelburgen: „Tiny Houses nehmen selbst unseren Wellness-Häusern keine Gäste weg.“

Die Tourismusbranche sieht die Kleinsthäuser als Zugewinn

Ins gleiche Horn stößt Ronny Korbaniak, Geschäftsführer des LTV Landestourismusverbandes Brandenburg: „Diese Häuschen im Spreewald oder in Barnim fügen sich in unser bestehendes Angebot ein, sprechen Naturfreunde und Familien an, die lieber mit dem Fahrrad um einen See fahren als mit dem Auto durch eine Stadt.“

Auch gegen Schlaffässer und umgebaute Seecontainer auf der grünen Wiese hat Korbaniak nichts: „Wenn eine behördliche Genehmigung vorliegt, sind solche Objekte ein Zugewinn.“ Trautwein sieht auch Vorteile für das Gastgewerbe und die Entwicklung der Region: „Wir gehen tatsächlich nur in infrastrukturell-schwache Gegenden, die bisher wenig oder gar keinen Tourismus haben.“

Stellplätze sind eine neue Einnahmequelle für Bauern

Im jungen Markt des Tiny-House-Bookings haben sich neue Partnerschaften entwickelt. So arbeiten die meisten Vermietungsagenturen mit Land- und Forstwirtschaftsbetrieben zusammen. Die Vermietung einer Wiese oder eines Waldstücks als Stellplatz für ein Kleinhaus auf Rädern stellt für Landwirte, Obstbauern, Waldbesitzer und Winzer eine lukrative neue Einnahmequelle dar.

Viele von ihnen schnüren für ihre Gäste zusätzliche Servicepakete. Einige übernehmen beispielsweise die Reinigung der Objekte. Dafür erhalten sie eine höhere Umsatzbeteiligung. Andere verkaufen Obst und Gemüse, bieten Alpakawanderungen oder Sternführungen an – und verdienen damit gutes Geld.

Kein Wunder, dass viele Grundbesitzer rund um Berlin auf den neuen Markt schielen. Etwa ein Eigentümer in der Siedlung Waltersdorf im Landkreis Dahme-Spreewald südlich von Berlin, der für seine 500 Quadratmeter große „Rasenfläche ohne Baumbestand“ 900 Euro Miete verlangt.

Holzbefeuerte Hot Tubs sind vom aktuell geltenden Verbot strombetriebener Pools nicht betroffen.

© Raus Cabins

Aber Vorsicht: Wer mit dem Gedanken spielt, ein Tiny House an Feriengäste zu vermieten, sollte sich über die lokalen und für sein Anwesen gültigen Bestimmungen informieren. Auch Pachtverträge können Hürden darstellen.

Die beweglichen Gehäuse gelten als bauliche Anlagen

Auskunft geben das Bau- oder Gewerbeamt der Gemeinde. Ein kleiner Ausflug in den Regulierungs-Dschungel der Behörden-Welt zeigt, dass der Teufel oft im Detail steckt: Die beweglichen, minimalistischen Behausungen gelten als bauliche Anlagen, weil sie mit dem Boden verbunden sind, denn laut Gesetz reicht es, „wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden“.

Deshalb muss für jedes Tiny House bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung beantragt werden. Ein Kleinhäuschen einfach aufzustellen und zu nutzen, ist verboten, betont Nils Carl Henke vom Landkreis Mecklenburgische Seenplatte: „Das verstößt gegen geltendes Baurecht. Und Verstöße werden geahndet.“ Die meisten Anträge würden in seinem Landkreis derzeit abgelehnt.

In der Uckermark ist die Landrätin und für das Gebiet der Stadt Schwedt die Bürgermeisterin zuständig. Hier hat eine Genehmigung „Konzentrationswirkung“, so René Harder, Leiter des Bauordnungsamtes der Kreisverwaltung Uckermark. Das heißt, dass sie sämtliche für das Projekt erforderlichen weiteren behördlichen Entscheidungen einschließt. Harder: „Im Baugenehmigungsverfahren wird das Vorhaben deshalb nicht nur auf seine Vereinbarkeit mit den bauordnungsrechtlichen und bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers, sondern auch mit den weiteren öffentlichen Belangen wie Naturschutz oder Wasserrecht geprüft.“

Ist das Mini-Haus mit einem Ofen ausgestattet, hat nach der brandenburgischen Bauordnung auch der Bezirksschornsteinfeger noch ein Wörtchen mitzureden. „Er muss den sicheren Anschluss der Feuerstätte sowie die Tauglichkeit und die sichere Benutzbarkeit der Abgasanlagen bescheinigen“, sagt Harder.

Die Regeln für die Genehmigung sind in jedem Bundesland anders

Sowohl Tiny-House-Vermieter als auch Tourismus-Vertreter ärgern sich darüber, dass die genehmigungsrechtlichen Vorgaben von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Raus-Mitgründer Trautwein spricht von „enorm viel Mehrarbeit“ und ist sicher, dass eine Vereinheitlichung „für alle Beteiligten hilfreich wäre“.

Auch LTV-Geschäftsführer Korbaniak hält einheitliche Spielregeln für „wünschenswert“. Und Regina Schleyer hat auch schon einen konkreten Vorschlag: „Hilfreich wäre eine eigene Gebäudeklasse, die es Kommunen ermöglicht, die Mikrohäuser anders als freistehende Einfamilienhäuser zu behandeln.“

In Schleswig-Holstein scheint man die Forderung des Verbandes nach Bürokratieabbau schon gehört zu haben: Die CDU-Fraktion im nördlichsten Bundesland will die Ansiedlung von Mikro-Häuschen vereinfachen. Gedacht ist an eine sogenannte Experimentierklausel in den Landesbauordnungen, die eine einfachere Flächenvergabe ermöglicht.

Im Auge haben die Nordlichter Grundstücke, die für den herkömmlichen Wohnungsbau nicht geeignet sind. Die Verbandschefin ist optimistisch: „Immer mehr Kommunen sehen Tiny Houses als einen wichtigen Baustein zur Minderung des Drucks auf dem Wohnungsmarkt.“

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