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Kein Streik in der Hochsaison. Die EVG hat die Urabstimmung zu einem unbefristeten Streik vorbereitet, mithilfe der Schlichtung soll das vermieden werden.

© picture alliance/dpa/Bodo Marks

Schlichtung bei der Bahn: Tarifkompromiss wird diese Woche präsentiert

Vor allem die Laufzeit des neuen Tarifvertrags und Unstimmigkeiten in Reihen der Eisenbahnergewerkschaft EVG haben den Tarifkonflikt in die Länge gezogen.

Nun geht es schneller als gedacht: Voraussichtlich am Donnerstag wird das Schlichtungsergebnis im Tarifkonflikt bei der Bahn vorliegen. Ursprünglich war das Verfahren bis kommenden Montag anberaumt, zwischenzeitlich hieß es, die Schlichtung würde schon am Freitag beendet. Am Dienstag war dann in Bahnkreisen zu hören, eine Verständigung sei in Sicht und die Schlichter würden vermutlich am Mittwoch einladen zur Vorstellung des Tarifkompromisses.

Nach einem halben Dutzend Verhandlungen – Mitte Juni zog sich die letzte Runde über fünf Tage – und mehreren Warnstreiks hatten sich die Eisenbahngewerkschaft EVG und die Bahn auf eine Schlichtung verständigt, die von dem ehemaligen Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und der SPD-Politikerin und Gewerkschafterin Heide Pfarr geleitet wird. Dabei war der lange Zeitraum des Verfahrens vom 17. bis zum 31. Juli überraschend, denn viel zu schlichten gab es eigentlich nicht: Im Rahmen eines 140 Seiten umfassenden Papiers hatten die Tarifparteien vor fünf Wochen die Grundlagen des neuen Tarifvertrags bereits ausformuliert.

Am Ende haben zwei Zahlen nicht gepasst: 400 Euro und 27 Monate.

Cosima Ingenschay, Verhandlungsführerin der EVG

Am Ende hätten „zwei Zahlen nicht gepasst“, wie Cosima Ingenschay, die Verhandlungsführerin der EVG, dem Tagesspiegel erläuterte: „400 Euro und 27 Monate Laufzeit. Alles andere war geklärt.“ Für diese zwei Zahlen wurden also der 69-jährige de Maizière und die 78-jährige Pfarr bemüht. Aber das ist es nicht allein: Die Verhandlungsführer der EVG benötigen die Schlichter auch, um in den eigenen Reihen ein Tarifergebnis vermitteln zu können. Denn am Ende stimmen die Gewerkschaftsmitlieder ab: Entweder die Empfehlung der Schlichtung wird übernommen, oder es kommt zur Urabstimmung über einen unbefristeten Streik, der dann alles auf null stellt.

650
Euro hat die EVG gefordert

Nach mageren Coronajahren und angesichts einer hohen Inflationsrate war die EVG im Februar mit einer historisch hohen Forderung in die Verhandlungen gegangen: Zwölf Prozent mehr Geld, aber mindestens 650 Euro pro Kopf und Monat für rund 180.000 Tarifbeschäftigte beim Staatskonzern. Bahn-Personalchef Seiler hatte zuletzt 400 Euro geboten, davon 200 ab Dezember und die weiteren 200 Mitte 2024; dazu, ebenfalls aufgeteilt auf beide Jahre, eine Netto-Inflationsprämie von 2850 Euro.

Cosima Ingenschay führt das erste Mal die Verhandlungen aufseiten der EVG gemeinsam mit ihrem Kollegen Kristian Loroch.

© Imago/Future Image/Jean MW

Das war auch ein historisch hohes Angebot, wie Seiler mehrfach betonte, und aufseiten der Gewerkschaft wusste man das zu schätzen. Doch die avisierte Laufzeit des neuen Tarifvertrags von 27 Monaten war für die EVG jedoch eine Zumutung. „Es gibt einen Grundsatzbeschluss der EVG, wonach wir nicht über 24 Monate gehen dürfen. Das hätte Herr Seiler wissen können“, sagte Ingenschay.

27 Monate sind nicht konsensfähig, nachdem die EVG 2020 einen langfristigen Tarif mit einer mickrigen Erhöhung in den Coronajahren abgeschlossen hatte und deshalb nicht auf die hohen Inflationsraten 2021 und 2022 reagieren konnte. Deshalb macht die Gewerkschaft im aktuellen Tarifkonflikt Nachholbedarf geltend.

Private Bahnen zahlen mehr

Die Aufgabe von Pfarr und de Maizière war also, die Laufzeit um ein paar Monate zu kürzen, wozu Seiler bereit war, wenn die Arbeitgeberseite dafür an anderer Stelle einen Vorteil bekäme. Bei den absoluten Beträgen ist das schwierig: Seiler hatte 400 Euro angeboten, doch bei privaten Wettbewerbern der Bahn hatte die EVG bereits eine Benchmark gesetzt und 420 Euro verabredet. Und das bei einer Vertragslaufzeit von nur 21 Monaten und einer ersten Erhöhung um 290 Euro bereits im November und nicht erst im Dezember, wie Seiler anbietet.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler möchte endlich den Konflikt mit der EVG beenden. Im Herbst steht der nächste Ärger ins Haus: Tarifverhandlungen mit der Lokführergewerkschaft GdL.

© dpa/Arne Dedert

„Wir waren bereit, an unsere Grenze zu gehen, damit ein guter, ausbalancierter Abschluss zustande kommt“, argumentiert Seiler seit Wochen. Tatsächlich ist das Tarifwerk bei der Bahn viel komplexer und umfasst mehr Berufe und Beschäftigtengruppen als bei den privaten Bahnen. So musste sich Seiler einlassen auf eine Erhöhung des Mindestlohns, von der unter anderem das Reinigungspersonal profitiert, und auf die Einbeziehung des Güterverkehrs und der Bussparte in den Geltungsbereich des neuen Tarifs. Die Busfahrerinnen und Busfahrer bekommen die gleiche Lohnerhöhung wie die anderen Bahnbeschäftigten auch, obgleich Seiler die „notwendige Sanierung bei DB Cargo und den Busgesellschaften“ betont.

In der Komplexität liegt wiederum die Chance für eine erfolgreiche Schlichtung: Thomas de Maizière und Heide Pfarr konnten die 140 Seiten umfassende Grundsatzvereinbarung der Tarifpartner als Grundlage nehmen für ihre Arbeit. Indem an verschiedenen Schräubchen gedreht wird, kommt am Ende ein Mechanismus in Gang, der allen Seiten eine gesichtswahrende Beendigung des Konflikts ermöglicht. Denn für die EVG und die Bahn ist ein unbefristeter Streik der Worst Case. Deshalb muss die Schlichtungsempfehlung so aussehen, dass die EVG-Mitglieder zustimmen.

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