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Michael Zissis Vassiliadis ist Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE).

© Kai-Uwe Heinrich TSP

„Schuldenbremse-Fetisch“ würgt Wachstum ab: Chemiegewerkschaft wirbt für Investitionsoffensive

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie warnt in ihrem Jahresauftakt vor einer „gefährlicher Grundstimmung“ aus Abstiegsängsten und Staatsverdrossenheit.

Die Einkommen in der Industrie liegen deutlich über dem durchschnittlichen Gehaltsniveau in der Wirtschaft insgesamt. Aber aufgrund der Preissteigerungen in den vergangenen drei Jahren sowie der Sorgen um die Zukunft ist die Stimmung schlecht: Drei von vier Beschäftigten im Organisationsbereich der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) müssen sich finanziell einschränken und 59 Prozent blicken pessimistisch auf das neue Jahr, ergab eine Umfrage unter 3300 Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern.

„Eine gefährliche Grundstimmung aus Abstiegsängsten und Staatsverdrossenheit macht sich in der Bevölkerung breit, die allein den Radikalen und Populisten in die Hände spielt“, warnte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis am Montag in Berlin und plädierte für einen „Power-Cocktail“: Höhere Einkommen für die Beschäftigten, massive Investitionen in die Transformation der Industrie und die Modernisierung der Infrastruktur sowie wettbewerbsfähige Energiepreise. 

Vassiliadis fordert die Schuldenbremse zu reformieren

Die Bundesregierung sei mit der „Kahlschlag-Sparkeule“ unterwegs. „Unser Schuldenbremsen-Fetisch würgt Wachstum ab, schwächt die Substanz des Landes und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit“, warnte Vassiliadis, der die mit 573.000 Mitgliedern zweitgrößte deutsche Industriegewerkschaft führt. Ein parteiübergreifender Konsens sei erforderlich, um die Schuldenbremse so zu reformieren, dass Zukunftsinvestitionen möglich seien.

Die chemische Industrie, im Bild das Bayer-Werk in Leverkusen, gehört zu den größten Energieverbrauchern.

© picture alliance/dpa/Thomas Banneyer

Zum wiederholten Male warnte Vassiliadis vor den Effekten der hohen Energiepreise. Die Produktion in den Unternehmen mit hohem Energiebedarf sei bereits um ein Fünftel geschrumpft, Anlagen oder sogar ganze Standorte würden geschlossen, Tausende Arbeitsplätze gestrichen. „Es droht ein Exodus entscheidender Produktionsstufen am Beginn der industriellen Wertschöpfungskette.“

Mit mehr staatlichem Engagement und Steuergeld möchte die IG BCE dagegenhalten: Ein „staatlich abgesicherten Pool zur vergünstigten Finanzierung des Erneuerbaren-Ausbaus“, mehr Engagement des Bundes bei den Stromnetzbetreibern sowie „eine Vorfahrtregelung für energieintensive Betriebe bei der Grünstrom-Versorgung“. Die Unternehmen zahlen hierzulande bis zu dreimal mehr für eine Kilowattstunde als ausländische Wettbewerber.

Die Bundesregierung hatte im November Maßnahmen beschlossen, um den Preis zumindest zu stabilisieren. Einige Wochen später entschieden dann die Spitzen der Ampel, im Rahmen ihres Sparpakets den für 2024 vorgesehen Zuschuss von 5,5 Milliarden Euro für die Netzbetreiber zu streichen. Allein dadurch erhöht sich der Preis je Kilowattstunde um 3,3 Cent.

Die Chemieindustrie gehört zu den energieintensiven Branchen. „Wir befinden uns mitten in einem tiefen, langen Tal. Und noch ist unklar, wie lange wir es durchschreiten müssen“, hatte der Verband der Chemischen Industrie vor vier Wochen bei seinem Ausblick ins neue Jahr (VCI) mitgeteilt. Fast die Hälfte der Unternehmen rechne frühestens 2025 mit einer Besserung.

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