Tag der Genossenschaften: Ein Herr Schulze aus Delitzsch

Eigentlich hieß er Schulze, einfach so. Aber dann, im Jahr 1848, wurde der Sozialreformer Hermann Schulze aus Delitzsch (1808-1883) in die Preußische Nationalversammlung gewählt und stellte fest: Schulzes gab es hier mehrere, und mit denen wollte er nicht verwechselt werden. Daher nannte sich der linksliberale Abgeordnete nach seiner Heimatstadt: Hermann Schulze-Delitzsch.

Sein Hauptanliegen war es, die Situation der Handwerker zu verbessern, die im Zuge der Industrialisierung unter Druck und ins Elend geraten waren. Dafür nutzte er die Prinzipien, die bis heute die Genossenschaftsbewegung prägen: Selbstverantwortung, Selbsthilfe, das solidarische Zusammenwirken vieler und das Prinzip, dass der Nutzen für alle Vorrang hat vor Gewinnmaximierung.

1849 gründete Hermann Schulze-Delitzsch zusammen mit 57 Schuhmachern die erste erfolgreiche gewerbliche Genossenschaft, Vorbild für weitere Genossenschaften in Deutschland und weltweit.

Seine sächsische Heimatstadt gilt daher als Wiege der Genossenschaftsbewegung – und gedenkt ihres berühmtesten Sohnes in einem kleinen, aber feinen Museum. In einem ehemaligen Fachwerkhaus kann man sich über die Geschichte der Bewegung, über originelle Neugründungen und über den Mann informieren, von dem der Ausspruch stammt: „Der Geist der freien Genossenschaft ist der Geist der modernen Gesellschaft.“

Träger des Hauses ist die Dr. Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft. Zusammen mit der Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft hat sie den Antrag zur Aufnahme der Genossenschaftsidee in die Liste des Immateriellen Kulturguts der Unesco gestellt, der 2016 angenommen wurde. Somit muss Herr Schulze aus Delitzsch nicht mehr befürchten, mit beliebigen anderen Schulzes verwechselt zu werden.