zum Hauptinhalt
Personaler vermuten, dass nach Corona mehr Männer zurück in die Büros gehen und viele Frauen weiter von zu Hause arbeiten.

© Julian Stratenschulte/dpa

Frauen und Karriere: Wie früher

Der Arbeitsminister plant ein Recht auf Homeoffice. Für Frauen ist das nicht unbedingt ein Vorteil.

Vor der nächsten Videokonferenz mal schnell das Mittagessen kochen für die Familie. Zwischen zwei Telefonaten das Hausaufgabenheft der Kinder checken oder neben dem digitalen Vortrag das Nachmittagsprogramm für die Kleinen organisieren. Das war und ist in Zeiten der Corona-Pandemie neben dem Job hier und da möglich – und in den meisten Fällen Sache der Mütter. Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen im Homeoffice weit mehr als Männer die Sorgearbeit übernehmen und dass sie sich dadurch stärker belastet fühlen.

Mehrfach hat die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger davor gewarnt, dass die Corona-Pandemie die Ungleichheit der Geschlechter nicht nur sichtbar mache, sondern sie verschärfe und eine „Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen“ drohe.

Jetzt zeigt der dem Tagesspiegel vorliegende „Sonderindex Frauen“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), dass das Homeoffice viele Frauen nicht nur doppelt belastet. Laut dem Index, der die DGB-Beschäftigtenbefragung „Gute Arbeit“ ergänzt, müssen viele ihren Job dort auch unter schlechteren Arbeitsbedingungen als Männer machen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Am 20. März, mit dem Ende des Corona-Schutzgesetzes, läuft auch die Homeoffice-Pflicht aus und die Karten werden neu gemischt. Unternehmen können ihre Mitarbeiter wieder ins Büro zurückholen. Arbeitsminister Hubert Heil (SPD) jedoch will ein allgemeines Recht auf Homeoffice auf den Weg bringen, wie er im Januar angekündigt hat. Da stellt sich die Frage, ob Frauen davon überhaupt profitieren – oder ob sie besser darauf verzichten sollten.

Schlechter ausgestattet, kein eigenes Arbeitszimmer

So sind laut Index, für den im Jahr 2021von Januar bis Juni 3339 Frauen und 3064 Männer befragt wurden, Frauen im Homeoffice deutlich schlechter ausgestattet als ihre männlichen Kollegen. Jede dritte Frau gab an, dass die eigene Wohnung gar nicht oder nur in geringem Maß dafür geeignet sei. Nur jeder vierte Mann sagte das. Während nur der Hälfte der Frauen ein Arbeitszimmer zur Verfügung steht, gilt das für zwei von drei Männern. Auch nutzen Frauen häufiger private elektronische Arbeitsgeräte (55 Prozent) als Männer, von denen das 38 Prozent tun. Dazu bestätigt der Index, dass die Arbeitsbelastung von Frauen durch Homeoffice stärker zugenommen hat als die von Männern. 37 Prozent der Frauen sagen das gegenüber 27 Prozent der Männer.

Frau in Teilzeit. Steuerliche Anreize fördern, dass vor allem Frauen weniger arbeiten, denn das zahlt sich für Familien oft aus.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Ein weiterer wichtiger Aspekt: Nur bei 40 Prozent der Frauen ist die Arbeit Zuhause durch eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt, was bei 57 Prozent der Männer der Fall ist.

Trotz der ungleichberechtigten Lage spricht sich der DGB für das Arbeiten von Zuhause aus, auch für Frauen. „Homeoffice sollte auch im künftigen Normalbetrieb leichter ermöglicht werden“, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende, Elke Hannack. Um Frauen zu entlasten, seien betriebliche Regelungen entscheidend, die klar die Nutzung von Homeoffice ausgestalten, etwa was die Erreichbarkeit via Telefon und E-Mail betreffe. Es sei selbstverständlich, dass alle Beschäftigten, Frauen wie Männer, mit digitalen Arbeitsmitteln ausgestattet seien. Auch dafür könnten Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber sorgen.

Karriereknick durch Homeoffice?

Dass dauerhaftes Homeoffice für Frauen zum Nachteil werden könnte, zeigt auch eine Studie des beruflichen Netzwerks LinkedIn, für die 2500 Arbeitnehmer:innen sowie Personalverantwortliche in Deutschland befragt wurden. Danach gehen 56 Prozent der Personaler davon aus, dass nach der Pandemie mehr Männer zurück in die Büros gehen, während viele Frauen weiter von zu Hause arbeiten – auch um sich dort „nebenbei“ um Haushalt und Familie zu kümmern. Dadurch könne es für sie schwieriger werden, Beziehungen zu Kolleg:innen zu halten, erklärten 22 Prozent der Personaler. 24 Prozent gingen davon aus, dass Frauen dadurch weniger berufliche Chancen bekämen und sich weniger berechtigt fühlen könnten, einzufordern, was sie sich von ihrer Arbeit wünschen (23 Prozent).

Die Politik hat mit dafür zu sorgen, dass die Sorgearbeit nicht an den Frauen hängen bleibt, sagt Aysel Yollu-Tok, Leiterin der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Die Professorin für Volkswirtschaftslehre plädiert für einen allgemeinen Rechtsanspruch auf Homeoffice, flankiert durch politische Maßnahmen: „Der Staat muss eine umfängliche, qualitativ gute Infrastruktur für die Betreuung von Kindern wie von Pflegebedürftigen gewährleisten“, erklärt Yollu-Tok.

Außerdem geht sie davon aus, dass Sorgearbeit gleichberechtigter übernommen werde, wenn die Politik steuerliche Anreize abschaffe, die fördern, dass hauptsächlich Frauen die Kinder und Alten betreuen, weil sich das auf dem Familienkonto auszahle. Dazu zählt sie das Ehegattensplitting, Minijobs und die beitragsfreie Mitversicherung von Familienmitgliedern bei den Krankenkassen.

Dass viele Frauen im Homeoffice schlechter ausgestattet seien als Männer, lasse sich nicht durch Gesetze ändern. Das bestehende Telearbeitsgesetz, nachdem Arbeitgeber Mitarbeitern Zuhause die gleichen Arbeitsbedingungen schaffen müssen wie im Büro, sei nicht übertragbar auf die breite Nutzung des Homeoffices, sagt Yollu-Tok. Hier sieht sie die Unternehmen in der Pflicht.

Die Bedingungen müssen stimmen

„Homeoffice ist in allen Hierarchiestufen für Frauen eine gute Möglichkeit, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, wenn sie unter bestimmten Bedingungen stattfindet“, sagt Camelia Reinert-Buss, Seniorcoachin und Vorstandsmitglied beim Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC) aus Münster. Sie rät zum hybriden Modell, zum Beispiel zu drei Tagen arbeiten im Büro und zwei Tagen Zuhause. Gerade im Homeoffice sei es sehr wichtig, dass Frauen sich sichtbar machen und bei den virtuellen Treffen nicht hinter Buchstabenkacheln auf dem Bildschirm verstecken. Die gegenwärtige Lage auf dem Arbeitsmarkt werde es ihnen leichter machen, ihre Rechte einzufordern.

„Wegen des Fachkräftemangels sind Arbeitgeber jetzt gut beraten, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen ernst zu nehmen“, sagt sie. Viele Frauen bräuchten mehr Mut, Position zu beziehen, Dinge auszuprobieren, auch wenn sie darin noch nicht perfekt seien. Zu oft zögerten sie, durch Türen, die sich ihnen öffnen, einfach hindurchzugehen. „Für einen guten Bildschirm und ein Firmenhandy im Homeoffice zu kämpfen, ist da nur der Anfang.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false