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Gefährdet: Menschen in der Finanzabteilung haben leichten Zugriff aufs Geld.

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Wirtschaftskriminalität nimmt zu: Die größten Täter sitzen im Unternehmen

Firmen sollten ihre Buchhalter gut behandeln, sagt der Betrugsexperte von Allianz Trade, Rüdiger Kirsch. Aber auch Attacken von außen nehmen zu.

Die Größenordnung ist enorm: 2,1 Milliarden Euro Schaden haben deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr durch Wirtschaftskriminalität erlitten, das Bundeskriminalamt zählte über 73.000 Fälle, nach einer Studie der Unternehmensberatung KPMG schätzt gut ein Drittel der Firmen hierzulande das Risiko, selbst Opfer zu werden, als hoch ein.

Zu Recht, wie am Mittwoch vorgestellte neue Zahlen von Allianz Trade zeigen. Danach registriert der größte deutsche Kreditversicherer nicht nur für das vergangene, sondern auch für das laufende Jahr einen Anstieg der Fallzahlen und der Schadenhöhe. Unter Tätern, die von außen zugreifen, sind vor allem Methoden des „Social Engineering” beliebt. Dabei manipulieren Kriminelle Mitarbeiter mit gefälschten Anrufen, in denen sie sich als Chefs ausgeben (Fake President), oder per Zahlungsbetrug zu falschen Überweisungen.

Das Homeoffice erhöht das Risiko

Seit 2015 hat sich die Zahl solcher Fälle um 400 Prozent erhöht, berichtet Rüdiger Kirsch, Betrugsexperte von Allianz Trade. Allein in diesem Jahr haben sich die Schäden durch Fake-President-Betrügereien um 17 Prozent erhöht, die Fälle von Zahlungsbetrug haben sich um 29 Prozent erhöht. Begünstigt wird diese Entwicklung durch das Homeoffice, betont Kirsch. Denn Mitarbeiter seien abgelenkt, müssten oft verschiedene Sachen gleichzeitig erledigen und hätten Probleme, sich bei Vorgesetzten rückzuversichern. Und auch in der KI sieht Kirsch Gefahren. Wenn ChatGPT Mails im Stile des Chefs verfassen oder KI Stimmen imitieren kann, „graut mir davor“, warnt er.

69
Prozent der Schäden richten eigene Mitarbeiter an

Die meisten und vor allem die größten Schäden richten allerdings Menschen an, die im Unternehmen arbeiten. Für 51 Prozent der Fälle und 69 Prozent der gemeldeten Schäden waren eigene Mitarbeiter verantwortlich. Besonders gefährdet (und gefährlich) sind gut ausgebildete männliche Führungskräfte im Finanzwesen, die zwischen 40 und 50 Jahren alt und seit mindestens zehn Jahren im Unternehmen sind. Chefs sollten ihre Buchhalter gut behandeln, rät Kirsch, und sie sollten sich unbedingt vor einer Neuanstellung ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen lassen.

Wirtschaftskriminelle sind Spätzünder

„Wirtschaftsstraftäter sind Spätzünder bei der kriminellen Karriere“, sagt der Kriminologe Hendrik Schneider. Der Rechtswissenschaftler teilt Wirtschaftskriminelle grundsätzlich in zwei Kategorien ein: in Gelegenheitssucher und Gelegenheitsergreifer. Die einen suchen proaktiv nach Schwachstellen, und die anderen reagieren auf eine Gelegenheit.

Häufig spielen Spielschulden eine Rolle, weiß Kirsch. Manchmal sind es aber auch psychische Eigenheiten, die unauffällige Menschen zu Tätern werden lassen. Etwa im Fall einer Buchhalterin, die mithilfe einer doppelten Buchführung Geld abzwackte, um Futter und Tierarztkosten für die 200 Katzen in ihrer Wohnung zu bezahlen.

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