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Falsche Ernährung und Bewegungsmangel sind die häufigsten Ursachen für Übergewicht und Adipositas.

© dpa/Andy Rain

Abnehm-Spritze Tirzepatid: Nach dem Absetzen kommen die Kilos zurück

Die neuen Medikamente zur Behandlung von Fettleibigkeit sind keine Wundermittel, wie eine neue Studie erneut zeigt. Vielmehr müssen die Wirkstoffe wahrscheinlich ein Leben lang gespritzt werden.

Es war zu erwarten und ist nun bestätigt worden: Auch der Wirkstoff Tirzepatid dämpft den Hunger nur solange, wie sich die Patientinnen und Patienten einmal wöchentlich das Mittel ins Unterhautfettgewebe spritzen. In einer Studie hatten sich Probanden den Wirkstoff zunächst 36 Wochen gespritzt, ein Teil hatte ab dann unwissentlich nur noch ein Placebo erhalten. Während die Teilnehmer mit Tirzepatid weiter abnahmen, kamen die Kilos unter Placebo wieder zurück, so berichtet ein Forschungsteam im Journal „Jama“.

Tirzepatid ist in den USA für die Behandlung von Fettleibigkeit zugelassen, in der EU bislang nicht. Bei uns kann es unter dem Namen „Mounjaro“ bisher unter bestimmten Umständen von Diabetes Typ 2 verwendet werden. Tirzepatid wirkt noch stärker als der Wirkstoff Semaglutid („Wegovy“), der hierzulande bislang oft gemeint ist, wenn es um Abnehmspritzen geht. Im Gegensatz zu Sematglutid ahmt das Wirkmolekül gleich zwei körpereigene Hormone nach. Ähnlich wie bei Semaglutid-Präparaten sollten sich die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer kalorienreduziert ernähren und ausreichend körperlich aktiv sein.

21 Prozent weniger Gewicht nach acht Monaten

An der Studie nahmen 670 Patienten in verschiedenen Ländern teil, die zu Beginn fettleibig oder übergewichtig waren. Nach rund acht Monaten hatten sie ihr Gewicht im Schnitt um rund 21 Prozent reduziert. Ein Teil der Probanden bekam den Wirkstoff auch im Anschluss und verlort innerhalb eines Jahres im Schnitt weitere 5,5 Prozent an Gewicht. Die Probanden in der Placebo-Gruppe dagegen nahmen trotz Diätversuchen und Bewegung wieder zu. Nach einem Jahr unter Placebo lag der Gewichtsverlust immerhin noch bei zehn Prozent im Vergleich zum Studienbeginn.

Die Ergebnisse unterstreichen aus Sicht der Studienautoren, dass die Therapie fortgesetzt werden müsse, wenn man eine Wiederzunahme an Gewicht vermeiden wolle. Mindestens fünf Studien zu verschiedenen Medikamentenklassen – einschließlich der vorliegenden – hätten gezeigt, dass es nach dem Absetzen wieder zu einer Gewichtszunahme kommt. Es würden weitere Studien gebraucht, um den möglichen Langzeitnutzen und -risiken von Kurzzeittherapien zu verstehen.

Keine Wunderspritze

Die Ergebnisse seien „alles andere als überraschend“, sagte Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf. Beachten müsse man noch, dass Studienteilnehmer besonders ausgewählt, motiviert und außerdem in Sachen Lebensstil besonders trainiert worden seien. Wegen der geringeren Betreuung in der täglichen Praxis könnten Patienten nach dem Absetzen der Therapie womöglich sogar schneller wieder zunehmen. „Die Studien zeigen somit eindeutig, die ,Wunderspritzen’ müssen wohl lebenslang genutzt werden“, so Martin.

Bei der längerfristigen Gabe von Tirzepatid stabilisiert sich das Gewicht nach 64 Wochen, im Durchschnitt bei knapp minus 29 Prozent des ursprünglichen Körpergewichts. „Das heißt, dass Energieaufnahme und Energieabgabe in einem Gleichgewicht stehen“, sagt Isabelle Mack, Bereichsleiterin Ernährung und Gewichtsregulation am Universitätsklinikum Tübingen. „Damit kommen wir bei der medikamentösen Gewichtsabnahme in Dimensionen, die wir aus der Adipositaschirurgie kennen. Somit haben wir jetzt und vor allem in der Zukunft mehr Möglichkeiten, die Adipositas individuell und patientenorientiert zu behandeln.“

Unklar ist noch, ob es von Mensch zu Mensch individuelle Unterschiede geben könnte, was die Gewichtszunahme nach dem Absetzen betrifft. Mack hält dies jedoch für unwahrscheinlich: „Der Körper lässt sich einfach nicht gerne austricksen, wenn es um sein Gewicht geht.“

Die Studie zeigt außerdem, dass die anfänglichen Nebenwirkungen relativ häufig sind und meist den Magen-Darm-Trakt betreffen: etwa Übelkeit, Durchfall und Verstopfung. Das ist ähnlich wie bei Semaglutid-Präparaten. Die Schwere wird in der Studie als größtenteils mild bis moderat beschrieben, zudem wurden die Nebenwirkungen mit der Zeit seltener. Manche Menschen brachen die Studienteilnahme allerdings auch wegen Nebenwirkungen ab. (mit dpa)

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