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Die Lebensbedingungen könnten das Hochland für die Frühmenschen attraktiv gemacht haben.

© Diego Rodriguez Robredo

Auf dem Dach Afrikas: Frühmenschen lebten auf 2000 Metern Höhe

Der Mensch entwickelte sich nach heutiger Vorstellung, wo Wälder an Savannen grenzten. Einige unserer Vorfahren wollten aber schon vor zwei Millionen Jahren höher hinaus.

Als das Kind im Hochland von Äthiopien vor rund zwei Millionen Jahren starb, hatten sich in seinem Unterkiefer unter den Milchzähnen gerade die bleibenden Zähne gebildet. Fossilien von diesem Frühmenschen, der als Homo erectus identifiziert wurde, markieren gleich mehrere Meilensteine.

Diese Frühmenschen lebten bereits damals in einer Höhe von rund 2000 Metern über dem Meeresspiegel und nutzten dort Oldowan-Werkzeuge aus Stein, berichtet ein Team um Margherita Mussi von der Universität La Sapienza in Rom jetzt in der Fachzeitschrift „Science“. Diese alte Technik zur Herstellung von Schabern, Klingen und anderen Gebrauchsgegenständen war in Afrika bisher nie zusammen mit Homo-erectus-Fossilien gefunden worden.

Überraschendes Alter

Die Frühmenschen verwendeten zudem bald eine neue Technik, um größere Klingen und echte Handäxte zu fertigen. Diese lagen in einer Schicht direkt über dem Unterkiefer des Kindes, die mit rund 1,95 Millionen Jahren nur 50.000 Jahre jünger ist. Auch das ist eine Überraschung, weil diese Acheuléen-Werkzeuge etwa 200.000 Jahre älter sind, als die bisherigen Funde dieser Steinzeit-Kultur.

Viele dieser Funde waren in Melka Kunture, rund 50 Kilometer südlich der heutigen Hauptstadt Äthiopiens Addis Abeba, bereits seit 1971 ausgegraben worden. Der Unterkiefer des Kindes wurde dort schon 1981 entdeckt. Allerdings hat die Gruppe um Margherita Mussi das Alter jetzt mithilfe von Ablagerungen aus Vulkanausbrüchen und in diesen Gesteinen festgehaltenen Änderungen des Erdmagnetfeldes noch einmal viel genauer und älter als zuvor bestimmt.

Angenehm kühl

Mit hochenergetischer Synchrotron-Strahlung durchleuchtete die Gruppe das Unterkiefer-Fossil des Kindes und konnte so auch die Struktur der Kronen der noch nicht durchgebrochenen Zähne bestimmen. „Die Interpretation, das Kind sei ein Homo-erectus-Frühmensch gewesen, scheint mir stichhaltig zu sein“, sagt Ottmar Kullmer vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt am Main. Er untersucht Zähne von Früh- und heutigen Menschen, war an der Studie aber nicht beteiligt.

Der Fundort in einer Höhe von gut 2000 Metern überrascht den Senckenberg-Forscher kaum: „Die Frühmenschen sind vermutlich einfach aus den tiefer liegenden Regionen an den Flüssen stromaufwärts gewandert.“ Praktisch alle bekannten Fundstätten von Vormenschen wie Australopithecus liegen an Flussläufen mit Galeriewäldern am Ufer, die in eine offene Savannenlandschaft mit einzelnen Baumgruppen übergingen. Im Hochland von Äthiopien fand Homo erectus nach den Analysen der Gruppe um Mussi immergrüne Bergwälder, die von offenen Graslandschaften unterbrochen waren.

Ein unscheinbares versteinertes Knochenstück verrät viel über das Leben von Frühmenschen vor zwei Millionen Jahren.
Ein unscheinbares versteinertes Knochenstück verrät viel über das Leben von Frühmenschen vor zwei Millionen Jahren.

© Italo-Spanish Archaeological Mission at Melka Kunture, with ARCCH permit

Temperaturen waren dort niedriger. Tagsüber war es daher oft wahrscheinlich angenehmer als im heißeren Tiefland. Nachts konnte es allerdings empfindlich kühl werden. Zudem regnete es dort mehr und es wuchsen daher andere Pflanzen als in den tiefer liegenden Gebieten. Auch die Tierwelt mit Flusspferden, Antilopen, Kuhantilopen sowie Zebras unterschied sich vom Flachland. „Die Frühmenschen fanden also andere Ressourcen, an die sie sich offensichtlich anpassen konnten“, erklärt Kullmer.

Althergebrachtes und Neues

Für ihn ist der Unterkiefer, der unmittelbar neben den Oldowan-Steinwerkzeugen gefunden wurde, besonders interessant. Werkzeuge, die auf diese Weise hergestellt wurden, finden sich auch noch in der 50.000 Jahre jüngeren Fundschicht. Ein kleiner Teil der Werkzeuge gehört aber bereits zur Acheuléen-Kultur: Dabei wurden auf beiden Seiten eines geeigneten Steins große Splitter abgeschlagen, die man zum Beispiel als Schaber nutzen konnte. Aus dem Stein selbst entstand so ein Faustkeil – und damit das Standard-Werkzeug der Acheuléen-Kultur.

„Neben dieser Neuerung aber nutzten die Frühmenschen auch die althergebrachten Oldowan-Gerätschaften weiter“, erklärt der Senckenberg-Forscher. So wie die Menschen im 21. Jahrhundert noch immer das vor 5000 oder 6000 Jahren erfundene Rad verwenden, behielt also auch Homo erectus altbewährte Techniken neben neuen Errungenschaften bei.

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