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Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den in Leipzig forschenden Schweden Svante Pääbo für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution.

© Foto: AFP / MANUEL WALTZ

Auf Umwegen zum Nobelpreis : Wie Svante Pääbo zum DNA-Pionier wurde

Dass der schwedische Biologe Svante Pääbo einmal uraltes Erbgut entschlüsseln würde, glaubte er selbst lange nicht. Nun erhielt er den wichtigsten Forschungspreis.

Eigentlich wäre Svante Pääbo Dolmetscher geworden. Doch es kam ganz anders. Der 1955 in Stockholm geborene Pääbo hatte während seines Militärdienstes eine Dolmetscherschule besucht und dann zunächst Ägyptologie, Russisch und Wissenschaftsgeschichte studiert.

Sein Vater, der schwedische Mediziner und Biochemiker Sune Bergström, hatte ihn ermutigt dann aber auch Medizin zu studieren. 1986 promovierte Pääbo an der Universität Uppsala mit einer Arbeit in molekularer Immunologie. Das Medizinstudium schloss er dann aber nicht mehr ab, da er in die Grundlagenforschung wechselte.

Es waren immer wieder Umwege, die den heute 67-jährigen Schweden letztlich dazu brachten, zu einem der bedeutendsten Forscher auf seinem Gebiet zu werden. 1984 war es ihm erstmals gelungen, Erbgut aus Zellen von Mumien zu isolieren. Er war auf die Idee gekommen, dass man die gleiche Technik, mit der DNA aus frischen Gewebeproben gewonnen wird, auch für altes Gewebematerial benutzen kann.

Hier kam ihm nun sein Ägyptologie-Studium zugute. Sein ehemaliger Professor half ihm, Gewebeproben von Mumien aus der ägyptologischen Sammlung in Uppsala und des Pergamonmuseums in Ost-Berlin zu beschaffen. Erstmals überhaupt gelang ihm damit die Klonierung der DNA einer Mumie.

Dass sich Erbgut über Jahrtausende erhält, hatte Pääbo selbst lange Zeit gar nicht geglaubt. 1984 dann veröffentlichte er seine Ergebnisse in einer Zeitschrift der Akademie der Wissenschaften der DDR – was auf keinerlei Beachtung stieß. Erst als er 1985 seine Erkenntnisse in der international erscheinenden Zeitschrift „Nature“ veröffentlichte, wurde daraus eine wissenschaftliche Sensation.

Svante Pääbo, der heute als einer der meistzitierten Forscher der Gegenwart gilt, erweiterte seine Arbeit auf das Genom der Neandertaler. Und wurde zum Pionier des neuen Forschungsgebietes der Paläogenetik. Er entwickelte völlig neue Methoden zur Bestimmung von Erbgut-Sequenzen aus fossilen Überresten.

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Mit diesen Techniken konnte er DNA-Sequenzen aus dem Knochen von Neandertalern gewinnen und über drei Milliarden Basenpaare des Zellkerngenoms des ausgestorbenen Urmenschen rekonstruieren. Danach konnte erstmals das Genom des modernen Menschen mit dem seines nächsten ausgestorbenen Verwandten verglichen werden.

„Was wir machen, ist eine Art Archäologie in unseren Genen“, sagte Pääbo in einem Tagesspiegel-Interview im Jahr 2009. „Wir wollen versuchen, die Geschichte der Menschwerdung zu rekonstruieren.“ Sein Ziel war es, herauszufinden, was den Menschen zum Menschen macht. Der Biologe Pääbo hält es für ein Privileg, Forschung zu machen, für die sich die Menschen spontan interessieren. „Vermutlich fragt sich fast jeder einmal im Leben woher wir kommen – und man muss kein Lehrbuch gelesen haben, um zu verstehen, was wir machen.“

Von der Auszeichnung erfuhr Pääbo beim Frühstück.

© privat / Linda Vigilant

Für seine bahnbrechende Forschungsarbeit hat Svante Pääbo nun den Nobelpreis für Medizin erhalten, wie bereits sein Vater 40 Jahre zuvor. Als das Nobelpreiskomitee Pääbo am Montagmorgen in Leipzig am Telefon erreichte, war er sprachlos und überwältigt von der guten Nachricht. Ob er schon seiner Frau Linda und der Familie davon erzählen könne, war das erste, was er wissen wollte. Und das konnte er.

Nach seiner Promotion hatte Pääbo 1987 im Team des Evolutionsbiologen Allan Wilson an der University of California in Berkeley gearbeitet. Ab 1990 leitete er dann ein eigenes Labor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1997 wechselte der Schwede als einer von fünf Direktoren an das neu gegründete Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, wo er bis heute tätig ist. Gleichzeitig ist er Honorarprofessor an der Universität Leipzig.

Neben seinem Schreibtisch in Leipzig steht die Nachbildung eines Neandertalerskeletts. Es wurde aus Knochenfragmenten von vielen verschiedenen Fundorten zusammengesetzt. Genauso aufwendig puzzelte Pääbo auch das Genom des Neandertalers zusammen. Der Vergleich mit dem menschlichen Genom lieferte schließlich einen Beleg dafür, dass sich frühe Europäer mit Neandertalern vermischt hatten.

Wir werden der Evolution in Zukunft in Echtzeit zuschauen können. 

Svante Pääbo, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig 

In einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Max-Planck-Institut in Leipzig sprach Svante Pääbo am Montagnachmittag von der „einmaligen Möglichkeit“, heute in der genetischen Geschichte unsere eigenen Spezies zurückgehen zu könne. „Wir werden der Evolution in Zukunft in Echtzeit zuschauen können“, sagte der Nobelpreisträger, der gut Deutsch spricht. Er halte es mittlerweile für plausibel, dass andere Gruppen menschlicher Vorfahren verschwanden, weil sie sich mit dem modernen Menschen mischten. „Sie wurden absorbiert.“

Die genetischen Veränderungen in der menschlichen Linie, seit wir uns vom Neandertaler getrennt haben, hält Pääbo für so wichtig, weil sich hier Hinweise darauf finden können, warum sich gerade der modernen Menschen soweit ausgebreitet hat. Eine Hypothese sei, dass er mehr Gehirnzellen besitze als der Neandertaler

Svante Pääbo kam nicht nur auf Umwegen zu seiner heutigen Forschungsarbeit. Es sind auch Umwege, die ihn in seiner Forschung zum Menschen so begeistern. So sagte er einmal, dass er den modernen Menschen für total verrückt halte. Wäre er nicht verrückt, hätte er niemals von Afrika aus die ganze Welt besiedelt. „Wie viele Menschen müssen auf den Pazifik hinaussegeln und auf Nimmerwiedersehen verschwinden, bis einer mal auf die Osterinsel trifft?“

Diese Verrücktheit interessiere ihn. Und darüber hat er viel aus dem Vergleich der Genome erfahren. Aber Pääbo weiß auch, was die Zukunft der Menschheit entscheiden wird: „Die kulturelle Entwicklung, die wir nicht aus der Biologie heraus vorhersehen können.“ Was er nun als nächstes machen wolle, wurde er am Montag gefragt. „Vielleicht erst einmal das Sommerhaus in Schweden renovieren.“

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