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Die Pilotanlage im spanischen Móstoles produziert CO₂-freies Kerosin mithilfe von Solarenergie.

© Imdea Energy

Klimafreundliche Luftfahrt: CO2-freier Treibstoff für Flugzeuge – dieser Solarturm macht es möglich

Eine Pilotanlage in Spanien produziert grünes Kerosin aus Solarenergie. Damit kommen die verantwortlichen Forscher dem Ideal des klimaneutralen Fliegens näher.

Der weltweite Luftverkehr befeuert die Klimakrise: Vor der Pandemie stieß er noch mehr als 900 Millionen Tonnen CO2-Emissionen aus – und übertrifft damit die gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands im zurückliegenden Jahr.

Das verwendete Kerosin in den Flugzeugtanks stammt nämlich aus Erdöl und führt bei seiner Verbrennung zu mehr klimaschädlichem Kohlendioxid in der Atmosphäre. Gelockerte Reisebeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie laden nun wieder zu Fernreisen ein, und viele Reisewillige lassen die Zahl der Flüge wieder in die Höhe schnellen.

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Das Fliegen gilt als eines der am schnellsten wachsenden Emissionsquellen überhaupt – denn mit steigendem Wohlstand in der Welt gehen auch immer mehr Menschen ihrer Reiselust im Flieger nach. Doch die Luftfahrtbranche steht weiterhin vor einem ungelösten Problem: Flugzeuge lassen sich kaum so einfach elektrifizieren wie Autos.

Und Modelle mit potentiell klimaneutralen Antriebsarten wie Wasserstoffflugzeuge wären erst in vielen Jahren marktreif – wenn überhaupt. Fliegen bleibt also noch lange klimaschädlich, und Zahlungen zur Kompensation von Emissionen sind teuer und helfen dem Klima nur bedingt.

In einer neuen Studie gehen Wissenschaftler:innen nun einen bedeutenden Schritt auf dem weiten Weg zum klimaneutralen Fliegen: Ein Solarturmkraftwerk im spanischen Móstoles hat mit einer Verflüssigungsanlage CO2-freien Kerosin produziert. Das berichtet ein Team um den Forscher Stefan Zoller von der ETH Zürich in der Fachzeitschrift „Joule“. Die beschriebene Pilotanlage gleicht einer Art solaren Raffinerie.

Sonnenstrahlen heizen einen Solarreaktor auf

„Wir sind die ersten, die die gesamte thermochemische Prozesskette in einem vollintegrierten Solarturmsystem von Wasser und CO2 bis zum Kerosin demonstrieren“, teilte der Co-Autor Aldo Steinfeld am Dienstag mit. In vorherigen Studien synthetisierten Forschende das grüne Kerosin oftmals in wesentlich kleinerem Maßstab in Laboren.

Bei dem Prozess kommt ein Solarreaktor zum Einsatz, der sich durch die Sonnenstrahlen aufheizt.

© ETH Zürich

Und so funktioniert der gesamte Prozess: Die Sonne bescheint 169 Reflektoren am Boden des Turms, sogenannte Heliostaten. Diese spiegeln dann die Sonnenstrahlen gebündelt auf den Solarreaktor an der Spitze des Turms. Die konzentrierte Solarenergie befeuert sogenannte Redox-Reaktionen im Reaktor, der mit einer porösen Struktur aus Ceriumoxid verkleidet ist. Das Ceriumoxid wandelt Wasser und von außen zugeführtes CO2 in Synthesegas um.

Eine Verflüssigungsanlage verarbeitet das Synthesegas anschließend zu Kohlenwasserstoffen weiter, darunter Kerosin und Diesel. Am Ende des Prozesses entsteht also grünes Kerosin aus Solarenergie, Wasser und bereits bestehendem CO2. Bei seiner Verbrennung belastet der Treibstoff das Klima nicht zusätzlich, weil das für seine Herstellung verwendete Kohlendioxid bereits vorher in der Atmosphäre war.

Bislang produziert die Anlage nur wenig Kerosin

Den Forschenden zufolge kann das besagte Kerosin direkt in der Luftfahrt zum Einsatz kommen – in der Treibstofflagerung, -logistik und im Flugzeugtank. „Mit unserer Solartechnologie haben wir gezeigt, dass wir synthetisches Kerosin aus Wasser und CO2 produzieren können statt aus fossilen Brennstoffen“, erklärte Steinfeld.

Bei der getesteten Pilotanlage geht allerdings noch viel Energie verloren. Die Effizienz des Solarreaktors misst sich an dem Verhältnis von der Menge des produzierten Synthesegases zur benötigten Solarenergie. Diese liegt gerade einmal bei vier Prozent.

Laut Co-Autor Steinfeld ist die Anlage nur für Forschungszwecke gedacht und produziert deshalb nur etwa einen Liter CO2-freien Kerosin am Tag. Dem Tagesspiegel sagte der Forscher: „Eine kommerzielle solare Treibstoffanlage könnte zehn Heliostatfelder nutzen und damit 34 Millionen Liter Kerosin pro Jahr produzieren.“

Verkleidet ist der Solarreaktor der Pilotanlage mit einer porösen Schicht Ceriumoxid.

© ETH Zürich

Die dafür benötigte Fläche würde Steinfeld zufolge 3,8 Quadratkilometer benötigen. Den jährlichen weltweiten Kerosin-Bedarf beziffert der Forscher auf schätzungsweise 414 Milliarden Liter. Würde man diesen durch die beschriebene Technologie und Solaranlagen decken, müssten dafür 45.000 Quadratkilometer gepflastert werden – das entspricht einer Fläche, die etwas kleiner ist als Niedersachsen.

Synthetische Brennstoffe helfen bei der Energiewende

Die solare Raffinerie krankt mit ihrer geringen Energieeffizienz am gleichen Problem wie Syntheseverfahren von grünem E-Kerosin oder anderen Elektro-Kraftstoffen. Letztere funktioniert, anders als beim Solarturmkraftwerk im spanischen Móstoles, mithilfe von Strom aus Wind- oder Solarenergie. Der in der Studie beschriebene Solarreaktor muss die Sonnenenergie nicht erst in Strom umwandeln.

Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft sind sich weitgehend darüber einig, dass Wasserstoff und synthetische Brennstoffe wie grünes Kerosin eine notwendige Ergänzung für eine klimaneutrale Wirtschaft sein werden. Solche Brennstoffe könnten dann nicht nur in der Luftfahrt, sondern auch in anderen schwer zu elektrifizierenden Wirtschaftszweigen wie in der Schifffahrt oder in Lastkraftwagen zum Einsatz kommen.

Bis 2050 will die große Mehrheit der Fluggesellschaften CO2-neutral werden – zumindest hat das die de Internationale Luftverkehrs-Vereinigung IATA im vergangenen Jahr beschlossen. Die IATA vereinigt mehr als 80 Prozent des globalen Luftverkehrs auf sich. Für das Klimaziel sollen auch CO2­-freie Kraftstoffe wie grünes Kerosin zum Einsatz kommen.

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