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Noch immer bekommen zu wenige Kinder Medikamente gegen die tückische Wurmerkrankung Bilharziose, die Zehntausende tötet, vor allem in Afrika.

© picture alliance / dpa/MERCK

Der Wurm im System: Das ganz gewöhnliche Leid

Ein langer Wurm im Hirn ist kurios – und macht Schlagzeilen. Warum nicht auch das gewöhnliche Leid von Millionen unnötig wurmbefallener Menschen im Globalen Süden?

Ein Kommentar von Sascha Karberg

Der kuriose Fall einer Australierin, der ein acht Zentimeter langer Wurm aus dem Hirn operiert wurde, machte am Dienstag weltweit Schlagzeilen. Auch im Tagesspiegel. Das Mitgefühl, der Grusel vor einem solchen Parasiten im eigenen Kopf, die Neugier, wie so etwas passieren kann, weckte das Interesse der Fachzeitschrift ebenso wie unzähliger Medien und ihres Publikums.

Obwohl ein Einzelfall, ist es eine Geschichte, die die Fantasie anregt, mit dem Ohnmachtsgefühl der Menschen gegenüber den Unwägbarkeiten der Natur spielt und die noch dazu gut ausgeht, weil die Medizin dieser einen 64-Jährigen helfen konnte.

Kaum Aufsehen erregen die ganz alltäglichen, meist nicht gut endenden Geschichten von Millionen anderen Menschen, oft Kindern, in den Ländern des Globalen Südens, die von Würmern in ihren Organen, auch ihrem Gehirn, geplagt werden, obwohl sie mit wirksamen Medikamenten behandelt werden könnten. Dutzende von Wurmerkrankungen gibt es, eine der schlimmsten ist die von Saugwürmern ausgelöste Bilharziose, auch Schistosomiasis genannt.

Vom System vernachlässigt

Die Larven der Würmer bohren sich durch die Haut in Seen oder Flüssen badender Menschen, befallen Lunge, Leber, Darm und Hirn. Schmerzhafte chronische Entzündungen, aber auch Lähmungen und sogar Krebs können die Parasiten auslösen. Je nach Schätzung sind 250 bis 300 Millionen Menschen weltweit infiziert, etwa 24.000 sterben jährlich daran. Allerdings meist weit weg von uns, vor allem in Afrika, Südostasien und der Karibik.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich zwar das Ziel gesetzt, Bilharziose bis 2030 auszurotten. Ob es erreicht werden kann, ist allerdings fraglich. Das hat auch mit der mäßigen Unterstützung der WHO-Programme gegen solche „vernachlässigten Krankheiten“ zu tun. Und einem geringen Interesse von Pharmafirmen, nach neuen, wirksameren Medikamenten oder Impfstoffen zu forschen, weil in den betroffenen Ländern mit wenig Profit zu rechnen ist.

Es hat aber auch damit zu tun, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für das alltägliche Leid der Bilharziose-Patienten und damit der Druck für eine Globale Gesundheitspolitik fehlt. Nicht allein der Wurm im Hirn, der Wurm im System sollte aufregen.

Zumal die ach so fernen Seuchen uns in Zeiten von Globalisierung und Klimawandel oft näher sind, als wir denken: Korsika haben die Bilharziose-Würmer bereits erreicht.

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