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Ein Westafrikanischer Lungenfisch (Protopterus annectens). Vor über 400 Millionen Jahren hat ein Tier gelebt, ein gemeinsamer Vorfahre heutiger Lungenfische und Landwirbeltiere, der bereits Lautäußerungen von sich gab.

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Die Suche nach dem Ur-Laut: 407 Millionen Jahre akustische Kommunikation?

Vor mehr als 400 Millionen Jahren begannen Tiere damit, sich akustisch zu verständigen – so lautet zumindest die steile These einer Studie.

Schnaufen, Zwitschern, Brüllen, Quaken: Das akustische Repertoire von Wirbeltieren ist vielfältig – nicht zuletzt wir Menschen kommunizieren hauptsächlich durch Geräusche. Unzählige Forschungsarbeiten haben sich bisher mit der Evolution akustischer Kommunikation auseinandergesetzt. Eine Frage blieb jedoch bislang offen: Wann fing das alles an? Wann begannen die ersten Tiere damit, sich durch Geräusche zu verständigen?

Ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern will sich diesen Ursprüngen nun mehr denn je angenähert haben. Sie ermittelten zunächst, welche Organismen sich überhaupt durch Laute verständigen und analysierten dann deren gemeinsamen Stammbaum. Daraus konnten sie den Zeitpunkt ermitteln, zu dem der erste Ur-Laut auf der Erde erklungen sein soll: vor rund 407 Millionen Jahren.

Die Urform allen Grunzens

Dem Ergebnis zufolge seien es nicht verschiedene Organismen gewesen, die unabhängig voneinander zu Krächzen, Schnaufen oder Pfeifen begannen. Vielmehr gehe alle akustische Kommunikation auf eine einzige Organismengruppe zurück. Das schreiben die Forscherinnen und Forscher um Gabriel Jorgewich-Cohen und Marcelo Sánchez-Villagra im Fachblatt „Nature Communications“.

 Meine Vermutung wäre, dass es zischende Geräusche waren.

Gabriel Jorgewich-Cohen, Universität Zürich

Bereits vor zwei Jahren war ein Forschergespann aus China und den USA ebenfalls per Stammbaumanalyse zu dem Schluss gekommen, akustische Kommunikation habe sich als erstes bei Tieren etabliert, die nachts aktiv waren, weil sie so einen Überlebensvorteil hatten.

Allerdings schätzten sie das Entstehen erster akustischer Kommunikation auf rund 200 Millionen Jahren – unter damals lebenden Froscharten, einige Millionen Jahre später auch unter Säugetieren. Vor etwa 100 Millionen Jahren kamen mit ihrem Auftauchen auch Vögel hinzu. 

Die Forscherinnen und Forscher der aktuellen Studie fanden jedoch, dass wichtige Tiergruppen und Arten in der damaligen Analyse ausgeschlossen waren. Sie ignorierte beispielsweise Schlangen und Eidechsen, sowie viele heute lebende Schildkröten-Arten, die zischende oder hissende Laute von sich geben.

Noch früher als vor 400 Millionen Jahren?

Das Team um Jorgewich-Cohen und Sánchez-Villagra schloss daher insgesamt 1800 Arten von Wirbeltieren in ihre Analyse ein, die auf irgendeine Weise kommunizieren. Dadurch ergab sich ihnen eine Perspektive, die wesentlich weiter in die Vergangenheit reichte als zuvor: Vor 407 Millionen Jahren habe demnach ein Tier gelebt, ein gemeinsamer Vorfahre heutiger Lungenfische und Landwirbeltiere, der bereits Lautäußerungen von sich gab. „Meine Vermutung wäre, dass es zischende Geräusche waren“, sagt Gabriel Jorgewich-Cohen. Wie diese Tiere jedoch wirklich miteinander kommunizierten, bleibt Spekulation.

407
Millionen Jahre sind laut aktueller Studie seit dem ersten Urlaut verstrichen.

Lautäußerungen seien ein weit verbreitetes Verhalten unter heute lebenden Strahlenflossen-Fischen, schreiben die Forschenden: Die Fische erzeugen Vibrationen mit ihren Schwimmblasen. Ginge man davon aus, dass Lungen und Schwimmblasen auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, wäre es legitim, auch Strahlenflosser in eine künftige Analyse einzubeziehen. Dann könnte man eventuell sogar einen noch früheren Ursprung der akustischen Kommunikation feststellen.

Kein gemeinsamer Vorfahre aller Laute

Doch ist das eine legitime Schlussfolgerung? Lässt sich alles Plappern und Grunzen verallgemeinern? Geoffrey Manley, Evolutions- und Neurobiologie an der Universität Oldenburg, ist skeptisch. Er beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit der Evolution von Hörorganen, vor allem bei Echsen und Vögeln. An der aktuellen Studie war er nicht beteiligt.

Würde man jegliche akustische Kommunikation zusammenfassen, implizierte man damit auch, dass alle genetischen Mechanismen gleich sind, die zu Hören und Lautäußerungen führen, sagt Manley – womit man wiederum voraussetzt, dass alle Hörorgane und Atemsysteme ebenfalls auf eine gemeinsame ursprüngliche Struktur zurückgehen. „Ich denke, das ist eine sehr steile These, vor allem wenn man die Vielfalt der Organismen bedenkt, die in der Studie einbezogen wurden“, sagt Manley.

Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass die Hörorgane von Amphibien, Fröschen und Lurchen auf einem anderen Grundmechanismus beruhen als bei Reptilien, Vögeln und Säugetieren. Auch die Signalverarbeitung im Gehirn ist bei Fischen anders als bei Amphibien oder Säugetieren und Vögeln.

„Es wird schwer zu beweisen sein, dass es nicht einfach eine vielfache unabhängige Entwicklung der akustischen Kommunikation gab“, sagt Manley – und zwar vor rund 200, nicht 400 Millionen Jahren.

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