zum Hauptinhalt
Wärme aus der Karibik. Die Satellitenaufnahme zeigt, wo der Atlantik vor der US-Ostküste besonders warm (rot) ist. Foto: AFP/Nasa

© AFP

Ozeanografie: Die Wärmepumpe läuft weiter

Hamburger Forscher haben ausgerechnet, wie sich der Golfstrom in den nächsten Jahren verhält. Ihnen gelingt damit zum ersten Mal eine Prognose für Meeresströmungen.

„Wir haben zum ersten Mal die Stärke einer Meeresströmung vorhergesagt.“ So fasst Jochem Marotzke vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie einen Artikel zusammen, den er gemeinsam mit seinen Kollegen vom Institut und von der Hamburger Universität in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht hat (Band 335, Seite 76). Für Laien mag diese Nachricht wenig aufregend sein, doch Klimaforscher sind begeistert. Marotzke zufolge ist eine Prognose zur Stärke einer Meeresströmung noch keinem Team zuvor gelungen. „Die Studie zeigt weiterhin, dass Klimavorhersagen möglich sind“, sagt er.

Dabei interessieren sich die Forscher zum Beispiel dafür, ob in den nächsten Jahrzehnten in der Sahelzone eine Dürre droht, wie viele und wie starke Hurrikane die Küsten des Atlantiks verheeren könnten, ob einige Regionen Europas empfindlich abkühlen oder vielleicht andererseits in heißen, regenarmen Sommern vertrocknen könnten. Solche Entwicklungen hängen stark mit einem gigantischen Strömungssystem zusammen, das alle Weltmeere durchzieht und das vor allem durch die Temperatur und den Salzgehalt des Wassers angetrieben wird.

Ein Teil dieser weltumspannenden Zirkulation transportiert zum Beispiel viel Wärme aus dem tropischen Atlantik nach Europa und bringt dem Westen des Kontinents so sehr milde Winter. Ohne diese „Golfstrom“ genannte Warmwasserheizung lägen die Durchschnittstemperaturen im Nordwesten Europas etwa zwei Grad Celsius niedriger als heute. Möglicherweise könnte die Klimaerwärmung diese Strömung abschwächen, fürchten einige Klimaforscher. Während sich der Rest der Welt aufheizt, würde Europa abkühlen oder zumindest nicht wesentlich wärmer werden.

Um eine solche Entwicklung vorherzusagen, müssten die Strömungen im Atlantik vermessen werden. Und das möglichst in verschiedenen Regionen und Tiefen. Genau das passiert seit 2004 zwischen den Bahamas und dem Atlantik südlich der Kanarischen Inseln. „Weltweit sind das die einzigen direkten Messungen für Meeresströmungen“, sagt Marotzke. Mit diesen Daten von der Atlantikregion zwischen den Bahamas und dem Süden der Kanaren gingen die Wissenschaftler der Frage nach, ob sich damit auch die zukünftigen Strömungen bestimmen lassen.

In einer „nachträglichen Vorhersage“ gaben Marotzke und seine Kollegen die bereits ermittelten Daten für die Jahre 2004 bis 2007 in ihre Strömungs- und Klima-Computermodelle ein. Anschließend ermittelten die Rechner die Strömungen für die nächsten Jahre und gaben so einen Hinweis darauf, wie nahe die Modelle der Realität kommen. Mit einem ähnlich Verfahren erstellen übrigens Meteorologen den Wetterbericht. Die nachträgliche Strömungsvorhersage der Hamburger Forscher stimmte recht gut mit den tatsächlichen Messungen zwischen April 2004 und März 2009 überein, berichten sie.

Der nächste Schritt war eine echte Prognose, diesmal mit den gemessenen Strömungsdaten aus den Jahren 2008 bis 2011. Zumindest bis zum Jahr 2014 bleiben demnach die Strömungen relativ stabil, wenn man einmal von kurzfristigen, zum Teil recht kräftigen Schwankungen absieht. So hat der auffällig kalte Winter von Dezember 2009 bis Februar 2010 eine stark verminderte Strömung im März 2010 initiiert. Das zeigen die Wissenschaftler mit ihren Modellrechnungen. Im Nachhinein entdeckten sie dieses Strömungsminimum dann auch in den gemessenen Daten und bestätigten so ihr Vorhersagemodell.

Welche Faktoren beeinflussen solche Schwankungen, die nur sehr kurzfristig sind? Marotzke hat einen Verdacht: „Im Süden der Kanarischen Inseln weht der Wind parallel zur Küste Afrikas, treibt dort das Wasser an der Meeresoberfläche weg und lässt so dichteres Wasser aus der Tiefe aufsteigen“. Dadurch ändern sich nicht nur die Dichteunterschiede zwischen der afrikanischen und der amerikanischen Küste, sondern eben auch die Strömungen. Bisher ist das aber nur eine Theorie, die noch bewiesen werden muss.

Streng genommen gilt die Strömungsvorhersage nur für den Atlantik zwischen den Bahamas und der südlichen Sahara. Die Methode öffnet jedoch den Weg zu echten Klimavorhersagen, die in den kommenden Jahren entwickelt werden könnten. „Werden die Strömungen dort stärker, entstehen auch mehr Hurrikane, die später die Karibik, Zentralamerika und den Süden Nordamerikas verwüsten können“, erläutert der Klimaforscher Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Geomar in Kiel (ehemals Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar). „Schwächen sich die Strömungen dagegen ab, regnet es in der Sahelzone weniger und das Risiko von Dürren steigt.“

Solche Klimaprognosen sind allerdings nur für längere Zeiträume möglich. Will zum Beispiel der Betreiber eines Ostseebades wissen, ob der nächste Sommer sonnig und warm wird und er daher mehr Strandkörbe ordern sollte, helfen ihm diese Informationen auch nicht weiter. „In unseren Breiten ist das Wetter anders als in den Tropen einfach zu chaotisch, um zuverlässige Saisonvorhersagen machen zu können“, sagt Latif.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false