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Auf dem Corona-Testzelt vor dem Hauptgebäude der TU Berlin tauchte im Sommer 2022 der Schriftzug „Erfrieren gegen Putin“ auf.

© Tsp/Burchard

Energiesparen an der Uni: Audimax gesperrt, Jahresende im Homeoffice

Eine Diskussion an der Technischen Universität Berlin zeigt, zu welchen Einschränkungen die Energiekrise an den Hochschulen führen wird.

Am Zelt des Corona-Testcenters vor dem Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin ist bereits nachzulesen, wovor sich Studierende kurz vor dem Start des Wintersemesters fürchten: „Erfrieren gegen Putin“ hat jemand in roten Blockbuchstaben und in satirischer Übertreibung auf die weiße Zeltwand geschrieben. Ein paar Tage später tauchte in der selben Farbe ein Zusatz auf: „Für den Frieden“. Im Hintergrund flattern die ukrainischen Fahnen, die die TU aus Solidarität mit dem von Russland überfallenen Land gehisst hat.

Allzu sehr frieren muss hoffentlich niemand, wenn die Raumtemperatur überall in der Uni auf 19 Grad geregelt wird. Warme Pullis, Strumpfhosen und Wollsocken könnten helfen. Doch die Hochschulleitung macht sich intensiv Gedanken, wie Härten vermieden werden können. Das wurde jetzt im Akademischen Senat der TU deutlich. „Personen mit chronischen Krankheiten wie Rheuma sollen keine Verschlimmerung ihres Krankheitsbildes in Kauf nehmen müssen“, sagte Sophia Becker, TU-Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit und interne Kommunikation. Gleichwohl gehören drastische Maßnahmen zu den von Becker vorgestellten Plänen der TU, um die Energiesparvorgaben des Landes Berlin und der Bundesregierung zu erfüllen.

Heizungen runter, Lichter aus, Eingangstüren zu

Neu für die TU ist eine „Jahresendschließung“ vom 19. Dezember bis zum 4. Januar, in der de facto ein Campus-Lockdown gilt: Die Heizungen werden runtergedreht, alle Lichter gelöscht, die Türen der Gebäude abgeschlossen. Mitarbeitende der TU, die über die Feiertage herum keinen Urlaub haben, sollen zu Hause arbeiten, Studierende in ihren Wohnheim- oder WG-Zimmern lernen und Hausarbeiten schreiben. Die Homeoffice-Quote der TU, die derzeit bei 40 Prozent liegt, wird für diese Zeit auf 100 Prozent heraufgesetzt, wie Sophia Becker erläuterte. Rund 400.000 Euro an Energiekosten könne die Universität allein durch die Weihnachtspause einsparen, hieß es.

Dazu gab es aus den Kreisen des Akademischen Senats Widerspruch: Gegengerechnet werden müssten die Mehrkosten für die Betroffenen, die an den Arbeitstagen zu Hause teuer heizen müssten. Die Weihnachtspause sei in der Abwägung aller möglichen Maßnahmen noch die mildeste, antwortete Vizepräsidentin Becker, gleichzeitig aber „eine der wichtigsten für uns, denn das bringt uns einen deutlichen Einspareffekt“. Im Präsidium wurde auch diskutiert, „das gesamte Wintersemester digital und im Homeoffice zu machen“. Das sei aber schnell vom Tisch gewesen.

Der Lehrbetrieb ruht ohnehin zwischen Weihnachten und Neujahr, aber für Studierende und Lehrende soll es danach zumindest eine kurze Online-Phase geben. Zwar werden die Heizungen ab dem 2. Januar wieder hochgefahren, doch bei den alten Systemen und schlecht gedämmten Bauten werde es länger als bis zum regulären Vorlesungsbeginn am 4. Januar dauern, bis die 19 Grad erreicht sind, sagte Christian Schröder, Vizepräsident für Studium und Lehre. Überlegt werde deshalb, erst ab dem 9. Januar wieder zur Präsenz zurückzukehren und bis dahin online zu lehren.

Niemand muss Angst haben, dass der Strom von einem Tag auf den anderen abgestellt wird.

Sophia Becker, TU-Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit

Studierende müssen sich auch auf weitere Einschränkungen einstellen: Das Audimax im Hauptgebäude soll im Wintersemester möglichst nicht genutzt werden. Der zentrale und größte Hörsaal der Technischen Universität sei „sehr schwer zu heizen und Teile der Technik kaputt“, erklärte Vizepräsidentin Becker. Schwierig wird es auch für studentische Arbeitsgruppen, die sich traditionell in den Abend- und oft in den Nachtstunden in Gruppenräumen der TU treffen, um gemeinsam an Referaten und Projekten zu arbeiten. Geplant sind nun aber nächtliche Gebäudeschließungen, wodurch auch die Gruppenarbeitsräume nicht mehr zugänglich wären.

GEW: Energie-Lockdown an Hochschulen abwenden

Auch in diesen temporären Schließungen sieht die TU-Leitung ein großes Einsparpotenzial. Um zehn bis 15 Prozent müsse die Uni ihren bisherigen Energieverbrauch den staatlichen Vorgaben zufolge reduzieren, sagte Becker. Man werde sich aber bemühen, darüber hinaus zu gehen. Allerdings werde es Ausnahmen geben, vor allem für laufende Forschungsexperimente, für die Sicherheit von Gefahrenstoffen und wertvoller Kulturgüter, so Becker. „Niemand muss Angst haben, dass der Strom von einem Tag auf den anderen abgestellt wird.“

Auch für die studentischen Arbeitsgruppen ließen sich Lösungen finden, so könnten etwa im Physikgebäude, wo ohnehin Experimente laufen, mehr Räume über Nacht offengehalten bleiben. Überlegt werde zudem, ob die TU Wärmezonen für die Öffentlichkeit anbieten könnte, etwa in der Bibliothek oder in der Mensa. Das werde noch mit dem Senat und dem Studierendenwerk geklärt.

Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, kritisiert, dass der Berliner Senat den Hochschulen keinen Energie- und Inflationsausgleich geben wolle.

© Tsp/Joana Nietfeld

TU-Präsidentin Geraldine Rauch wies darauf hin, dass die Universität „soziale Schieflagen“ wegen der angespannten Haushaltslage kaum werde ausgleichen können. Sie rechne allein angesichts der Inflation und der trotz geplanter Einsparungen steigenden Energiekosten mit Mehrausgaben von bis zu sechs Millionen Euro. Dafür wolle das Land Berlin bislang keinen Ausgleich anbieten. Zum Thema Homeoffice zum Jahreswechsel sagte Rauch deshalb: „Ja, es wird so sein, dass wir zu Hause sitzen und dass wir das selber tragen müssen.“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Länder am Donnerstag aufgefordert, die Finanzierung der Hochschulen um einen Energieaufschlag zu erhöhen. „Die sich zuspitzende Energiekrise und die enormen Preissteigerungen setzen auch die Hochschulen unter Druck“, erklärte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller. Vielerorts würden Energie-Lockdowns diskutiert. Einrichtungen dürften nicht geschlossen und nicht generell auf Online-Lehre umgestellt werden. „Nach vier Corona-Semestern wäre es fatal, wenn die Studierenden erneut ins Fernstudium geschickt würden.“

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