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Ein Abschmelzen des Eisschilds in Grönland würde den Meeresspiegel massiv ansteigen lassen – mit katastrophalen Folgen.

© dpa / Felipe Dana

Folgen der Klimakrise: 1,5 Grad Erwärmung könnte bereits Kipppunkte auslösen

Die steigenden Temperaturen drohen, das Klimasystem an bestimmten Punkten zum Kippen zu bringen. Forschende haben die Risiken nun ermittelt.

Je stärker die Menschheit die globale Erwärmung befeuert, desto näher rücken bedrohliche Kipppunkte im Klimasystem. Dazu gehören unter anderem der Kollaps des Amazonas-Regenwaldes, die massive Störung des atlantischen Strömungssystems sowie das langfristige Abschmelzen des Grönländischen und Westantarktischen Eisschilds. Die Folgen reichen von vermehrten Dürren über deutliche Temperaturänderungen in Europa bis hin zu einem starken Anstieg des Meeresspiegels.

Doch wie groß sind die Risiken für das Kippen dieser vier beispielhaften Elemente? Das hat ein Team um den Wissenschaftler Nico Wunderling vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) untersucht. Die neue Studie ist veröffentlicht im Fachmagazin „Nature Climate Change“.

Ein Ergebnis: Das Risiko für die Kipppunkte steigt bereits deutlich, wenn Temperaturgrenzen auch nur vorübergehend überschritten werden. Leitautor Wunderling erklärte am Donnerstag in einer Mitteilung: „Selbst wenn es gelänge, die globale Erwärmung nach einer Überschreitung von mehr als zwei Grad auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde dies nicht ausreichen, da das Risiko, einen oder mehrere globale Kipppunkte auszulösen, immer noch mehr als 50 Prozent betragen würde.“

Risiken ließen sich bei Abkühlung begrenzen

Um alle Klimarisiken wirksam zu verkleinern, müsste die globale Erwärmung langfristig auf das heutige Level von etwa 1,2 Grad oder noch besser darunter begrenzt werden, heißt es in der Studie. Für ihre Untersuchung haben die Forschenden die vier miteinander verbundenen Kippelemente in unterschiedlichen Klimaszenarien berücksichtigt. Die Berechnungen beziehen eine vorübergehende Erwärmung („Peak-Temperaturen“) um zwei bis vier Grad ein – und vergleichen sie mit Risiken für die finalen und geringeren Temperaturanstiege.

Die angenommenen Temperaturanstiege beeinflussen die Kippelemente in den Modellen ganz unterschiedlich. So zeigte sich, dass das atlantische Strömungssystem bei einer vorübergehenden Erwärmung um maximal zwei Grad deutlich eher kippen könnte (24,7 Prozent) als der Grönländische Eisschild (14 Prozent). Erwärmt sich das Klima vorübergehend um maximal vier Grad, könnten die besagten Meeresströmungen mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent kippen. Beim Grönländischen Eisschild hingegen läge das Risiko bei 16 Prozent.

Ein Eskalieren der Klimakrise könnte dem Amazonas-Regenwald den Todesstoß versetzen. Er steht bereits wegen Entwaldung und Bränden unter Druck.
Ein Eskalieren der Klimakrise könnte dem Amazonas-Regenwald den Todesstoß versetzen. Er steht bereits wegen Entwaldung und Bränden unter Druck.

© REUTERS / BRUNO KELLY

Verantwortlich dafür machen die Forschenden in der Studie unterschiedliche „Reaktionszeiten“: So entfalten die höheren Durchschnittstemperaturen ihre Wirkung bei den beiden Eisschilden erst nach 500 bis 13.000 Jahren. Wenn die Temperaturen in diesem Zeitraum aber wieder absinken – weil die Weltgemeinschaft zum Beispiel nachträglich CO2-Emissionen aus der Atmosphäre entfernt –, bleibt auch das Risiko fürs Kippen der Eisschilde gleich. Es handelt sich also um träge Kippelemente, wie die Autor:innen beschreiben.

Kipprisiko bei 33 Prozent für 1,5 Grad Erwärmung

Ricarda Winkelmann, eine beteiligte Forscherin am PIK, sagte: „Während es lange dauern würde, bis sich der Eisverlust voll entfaltet, könnten die Temperaturniveaus, bei denen solche Veränderungen ausgelöst werden, schon bald erreicht sein“. Unser Handeln könne in den kommenden Jahren „über die zukünftige Entwicklung der Eisschilde für Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende entscheiden.“

Beim Amazonas-Regenwald und dem atlantischen Strömungssystem handelt es sich der Studie zufolge um weniger träge Kipppunkte. Die Forschenden erwarten die Klimarisiken jedoch nicht nur bei vorübergehenden Temperaturanstiegen, sondern auch, wenn die Menschheit die globale Erwärmung langfristig auf 1,5 bis zwei Grad begrenzt. Hier liege die Wahrscheinlichkeit, dass langfristig eines der vier Elemente kippt, bei mehr als 33 Prozent.

Bislang ist die Menschheit auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung um 2,7 Grad Celsius. Wenn ein solcher Temperaturanstieg auch nur vorübergehend eintreten würde, würde das zu „beachtlichen Kipprisiken führen“, warnen die Wissenschaftler:innen in der Studie.

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