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Effektive lokales Riff-Management und Klimaschutz können Korallenriffen helfen, zu überleben.

© Tom Shlesinger

Erholung der Korallen: Gesunde Riffe überstehen Korallenbleichen durch Hitzewellen

Korallenriffe sind durch den Klimawandel bedroht. Weitere Stressfaktoren auszuschalten könnte ihnen jedoch helfen, sich selbst zu retten.

Zuletzt löste etwa eine Hitzewelle im Südsommer 2016/2017 am Great-Barrier-Riff vor der Küste Australiens eine Korallenbleiche mit verheerenden Schäden aus. Doch der Klimawandel ist nicht die einzige Bedrohung für die Riffe. Andere Faktoren wie Überfischung und Überdüngung tragen weltweit zur Schädigung der Unterwasser-Ökosysteme bei, berichten Mary Donovan von der Arizona State University und ihr Team in der Zeitschrift „Science“.

„Das ist ein sehr interessantes und wichtiges Paper“, sagt Sebastian Ferse, der am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen die Ökologie von Korallenriffen untersucht, der an der Studie aber nicht beteiligt war. „Gab es bisher für Korallenbleichen doch nur einzelne, eher anekdotische Beobachtungen, aber keine weltweit-systematischen Untersuchungen über Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und solchen kurzfristigen, lokalen Einflüssen auf die Gesundheit von Riffen.“

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Rauswurf der Symbionten

Die Baumeister der Kalkgerüste der Riffe sind Steinkorallen, kleine, nur ein paar Millimeter lange Polypen aus der Verwandtschaft der Quallen. Sie leben in Symbiose mit Algen, die in der Haut der Korallen Photosynthese betreiben und den Polypen Nährstoffe liefern.

Allerdings funktionieren solche Lebensgemeinschaften nur in bestimmten Temperaturbereichen der Tropen und Subtropen optimal. Liegt die Temperatur nur wenige Grad über den natürlichen Schwankungen in der jeweiligen Region, produzieren die Algen im Inneren der Korallen giftige Sauerstoff-Radikale und werden daher abgestoßen. Dadurch verlieren die Korallen ihre Farbe, sie bleichen aus, und sterben nach einiger Zeit oft ebenfalls.

Selbst bei weltweiten, raschen und konsequenten Klimaschutz-Maßnahmen würde das Klima nur sehr träge reagieren. Die Temperaturen werden voraussichtlich noch einige Jahrzehnte weiter steigen, bevor sie langsam wieder fallen. In dieser Zeit dürften Hitzewellen im Oberflächenwasser vieler tropischer Meere häufiger, länger und extremer werden.

Viele Riff-Fachleute und Naturschutzorganisationen fürchten daher, dass im Klimawandel ein großer Teil der Riffe zerstört werden könnte. Korallenriffe würden bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad um 70 bis 90 Prozent abnehmen. Bei einer Erwärmung von zwei Grad würden praktisch alle verloren gehen, berichtete der Weltklimarat IPCC in seinem 1,5-Grad-Sonderbericht, zumal weitere Faktoren die Riffe zusätzlich stressen.

Fischen im Trüben

So schwemmen zum Beispiel Niederschläge von den Äckern der Bauern Dünger und Boden ins Meer. Dort düngen die eingetragenen Nährstoffe Algen, die die Korallen überwuchern und vom lebenswichtigen Sonnenlicht abschirmen können. Eine solche Überdüngung schädigt nicht nur das Great-Barrier-Riff, sondern auch viele andere Korallenriffe schon jetzt erheblich. Einen ähnlichen Effekt können auch die von den Äckern ins Meer geschwemmten Bodenteilchen haben: Sie können das Wasser trüben, das dann ebenfalls weniger Sonnenlicht durchlässt.

Diese Faktoren schmälern die Chancen eines Riffs, sich von einer Korallenbleiche zu erholen, schließen Donovan und ihr Team aus der Analyse von 223 Korallenriffen im Indischen Ozean, im Pazifik und in der Karibik. So finden überlebende Steinkorallen bisweilen neue Algen als Symbiosepartner, mit denen sie das zerstörte Riff wieder aufbauen. Trübes Wasser aber schmälert diese Erholungschancen ein wenig, berichtet das US-Team. Überwuchern dagegen Makroalgen die Riffe, sterben die Steinkorallen zehnmal häufiger ab und die Riffe erholen sich seltener von den Auswirkungen des Hitzestresses.

Seeigel auf Korallen
Seeigel regulieren als Pflanzenfresser das Algenwachstum, können in großer Zahl aber nach Bleichen angegriffene Riffe weiter schädigen.

© Tom Shlesinger

Auch Überfischung fördert das übermäßige Wachstum der Makroalgen. Denn viele der gefangenen Fische fressen Makroalgen. Werden sie weggefischt, wuchern die Makroalgen. Auch Seeigel fressen Makroalgen. Sie können sich dann vermehren und auch das Riff direkt angreifen. Bei sehr hohen Seeigel-Dichten finden Donovan und ihr Team daher deutlich schlechtere Überlebenschance für Riffe nach Korallenbleichen, während geringe Seeigel-Zahlen sogar einen geringen positiven Effekt haben.

Klimaschutz, Naturschutz und nachhaltige Entwicklung

„Offensichtlich werden Riffe nur bis zu gewissen Grenzen mit Stress fertig“, erklärt ZMT-Forscher Ferse diese Zusammenhänge. Kommen mehrere Faktoren zusammen und verstärken sich diese Einflüsse, kann dann irgendwann ein Kipp-Punkt überschritten werden, an dem das Riff nach einer Korallenbleiche nicht mehr zu retten ist. Der positive Aspekt des Studienergebnisses ist, dass im Vergleich zum Klimawandel die weiteren schädlichen Einflüsse erheblich schneller gebremst werden können.

„So sind fürs Überfischen häufig die lokalen Fischer verantwortlich“, sagt Ferse. Sie zerstören ungewollt ihre eigene Lebensgrundlage. „Klärt man die Fischer über die Zusammenhänge auf, können sie die Bestände besser schonen und die Fisch-Bestände können sich rasch erholen“, erklärt der ZMT-Forscher.

Schwieriger wird es bei der Überdüngung und der Bodenerosion, die zur Trübung des Wassers in Küstennähe führen. Ändern die Bauern und Großgrundbesitzer ihre Bewirtschaftung, haben sie von der Entlastung der Riffe ja wenig. Daher brauchen sie klare Regeln und zum Beispiel Subventionen für einen Ackerbau, der den Eintrag von Nährstoffen und die Erosion von den Feldern massiv verringert.

„Helfen würde natürlich auch ein Umstellen auf Bio-Landbau und die entsprechenden Anreize dafür“, sagtt Ferse. „Auch bei den Korallenriffen sehen wir, dass der Klimawandel, der Verlust an Artenvielfalt und nachhaltige Entwicklung eng zusammenhängen“, erklärt der ZMT Forscher. „Wenn wir diese drei Felder zusammen anpacken, können wir eine win-win-Situation erreichen, in der am Ende nicht nur die Korallenriffe, sondern auch alle anderen Beteiligten profitieren.“

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