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Aspirin wird nicht nur als Schmerzmittel eingesetzt, sondern auch zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall.

© mauritius images/Alamy Stock Photos/David Izquierdo Roger

Tagesrückspiegel – Heute vor 124 Jahren: Das Wundermittel, das lange Zeit niemand verstand

Vermutlich jeder Mensch hat irgendwann in seinem Leben das wohl bekannteste Mittel der Welt eingenommen: Aspirin. Eine Wirkung überrascht besonders.

Eine Kolumne von Miray Caliskan

Es zischt und blubbert, wenn sie im Wasser landet. Die kleine, runde, weiße Tablette tanzt dann, dreht sich um sich und löst sich innerhalb weniger Sekunden auf: Aspirin. Vermutlich hat jeder Mensch irgendwann in seinem Leben das bekannteste Schmerzmittel der Welt eingenommen.

Seine Geschichte beginnt wie so oft mit einem Zufall. Die Vorstufe von Acetylsalicylsäure (ASS), der Wirkstoff von Aspirin, wurde zur Herstellung von Farbstoffen verwendet.

Chemiker begannen mit Salicylsäure zu experimentieren und entdeckten, dass sie auch gegen manche Krankheiten und Symptomen hilft. Der bittere Geschmack der Substanz und die massiven Nebenwirkungen, wie Brechreiz und Schleimhautreizung, schränkten jedoch den Einsatz ein.

Es werden weitere Versuche unternommen, etwa von Charles Frédéric Gerhardt. Der Franzose schaffte es 1853 Acetylsalicylsäure in nichtreiner Form zu synthetisieren, verfolgte seine Forschung allerdings nicht weiter.

Der Legende nach gelang es dem jungen Chemiker Felix Hoffmann besser. Ihn trieb die Sorge um seinen rheumakranken Vater, der mit Salicylsäure behandelt wurde, allerdings unter den unangenehmen Nebenwirkungen litt. Am 10. August 1897 veredelte er in einem Labor vom Pharmakonzern Bayer, Salicylsäure zu Acetylsalicylsäure.

Weltbekannt: Ein historisches Aspirin-Werbefahrzeug in der Niederlande, um 1929.

© Bayer AG

Dann folgt erst einmal: nichts. Hoffmans damaliger Vorgesetzter, der Leiter des Pharmakologischen Instituts bei Bayer, interessierte sich nicht für seine Entdeckung. Selbst dann nicht, als Mediziner begeistert von den Erfahrungen ihrer Patient:innen und der wirksamen und zugleich verträglichen Acetylsalicylsäure berichteten.

1899 liefen dann auf Anweisung des damaligen Bayer-Generaldirektors erste klinischen Studien – die positiven Ergebnisse veranlassten Bayer dazu, den Wirkstoff in die Produktion aufzunehmen.

Nobelpreis für Medizin

Am 6. März 1899, heute vor 124 Jahren, wurde der Handelsname „Aspirin“ dann unter der Nummer 36433 in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin eingetragen und zum ersten Mal kommerziell vertrieben.

Zunächst wurde Aspirin als Pulver in Glasflaschen an die Apotheken verkauft, später entwickelte die Firma eine Formulierung, die sich gut zu Tabletten pressen ließ. Und damit gibt es schon den nächsten Meilenstein: Aspirin wird zum ersten industriell hergestellten Medikament in Tablettenform.

Acetylsalicylsäure, kurz ASS, ist vor allem bekannt unter dem Markennamen Aspirin.

© dpa / Peter Endig

Es wurde weltbekannt – und doch blieb die Wirkweise von ASS jahrzehntelang ungeklärt. 1966 bezeichnet die New York Times den Wirkstoff als „The Wonder Drug That Nobody Understands“. 1971 wies der britische Biochemiker und Pharmakologe John Vane dann nach, dass Acetylsalicylsäure die Bildung der Prostaglandine, also körpereigener Botenstoffe, die am Schmerzprozess beteiligt sind, hemmt. Dafür erhält er später den Nobelpreis für Medizin.

Es folgten weitere Studien zur schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkweise. Was womöglich viele nicht wissen: ASS wird auch zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt, so auch bei einem akuten Herzversagen. Als Blutverdünner verhindert das Arzneimittel die Bildung von Blutgerinnseln in den Arterien. Das fanden Forschende ab den 80er Jahren heraus.

Jährlich werden Hunderte neue Studien zu ASS durchgeführt. Vielleicht werden bald schon neue Wirkmechanismen ergründet.

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