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Die Signatur fürs Wundermittel.

© mauritius images/Tschanz-Hofmann

Heute vor 126 Jahren: Wie die Medizin das Aspirin entdeckte

Dass Weidenrinde bei Schmerzen hilft, weiß man seit der Antike. Im 19. Jahrhundert belegt ein Arzt die Wirkung in einer klinischen Studie – auch wenn er durch Folklore auf seine Idee kommt.

Eine Kolumne von David Will

Wenn es um ihre Gesundheit geht, neigen Menschen zu einfachen Erklärungen. Die Homöopathie stützt sich zum Beispiel auf die Idee, dass man Krankheiten mit Giften heilen kann, die verwandte Symptome hervorrufen. Die Idee: Was oberflächlich ähnlich aussieht, könnte ein Schlüssel zur Heilung sein, auch wenn man dabei Ursache und Wirkung vertauscht.

In mindestens einem Fall aber hat dieses Denken rein zufällig einen medizinischen Durchbruch begünstigt: Bei der Entdeckung von Aspirin, das am 10. August 1897, heute vor 126 Jahren, zum ersten Mal synthetisiert wurde.

Aspirin basiert auf Salicin, einem Wirkstoff, den man aus Weidenrinde oder Mädesüß gewinnen kann. Dass Weidenrinde bei Fieber und Schmerzen hilft, war schon in der Antike bekannt. Und im 19. Jahrhundert mehrten sich auch in der jungen Disziplin der Pharmakologie die Hinweise auf ihre heilende Wirkung.

Der schottische Arzt Thomas MacLagan überführte die Weidenrinde schließlich von der Naturheilkunde in die wissenschaftlich orientierte Medizin. Er führte in den 1870er Jahren die erste rigorose Studie inklusive Kontrollgruppe durch, die den medizinischen Nutzen von Salicin belegte. Den Anstoß dazu gab allerdings eine Theorie, die eigentlich aus der Folklore stammt: Die „Doktrin der Signaturen“.

Laut dieser Theorie, die jahrhundertelang viele Anhänger:innen in Europa hatte, gibt die äußere Erscheinung von Pflanzen einen Hinweis auf ihren möglichen Nutzen. Walnüsse sind demnach wegen ihrer Windungen gut für‘s Gehirn, Bohnen helfen der Niere. Und Weiden, die in Feuchtgebieten gedeihen, könnten das rheumatische Fieber heilen, das sich vor allem in Feuchtgebieten verbreitete – zumindest dachte das MacLagan.

MacLagans Aufsatz in der Fachzeitschrift „The Lancet“ löste einen Boom um Salicin aus: Die Preise für den Wirkstoff schossen nach der Veröffentlichung in die Höhe, zahlreiche Ärzte führen bald weitere Studien durch.

Im Jahr 1897 verarbeitete der deutsche Chemiker Felix Hoffmann schließlich Salicylsäure, ein Salicin-Derivat, zu einem besser verträglichen Mittel. Heraus kam dabei die Acetylsalicylsäure – auch bekannt als Aspirin, wie es Hoffmanns Arbeitgeber Bayer später vermarkten würde.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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