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Werbung für „Doctor Sheffield’s Crème Dentifrice“.

© Dr. Sheffield's Naturals

Heute vor 131 Jahren: Die Erfindung des ewigen Quetschens

Ein Vater und sein Sohn krempelten die Zahnmedizin um, indem sie Zahnpasta in Metalltuben füllten. Inspiriert wurden sie durch Pariser Künstler.

Früher haben sich die Menschen so ziemlich alles auf die Zähne geschmiert, was sie in die Hände bekommen konnten: Gummiharz, Salz, Pfeffer, Ziegelmehl, Holzkohle- oder Marmorpulver, Natron, Eierschalen, verbranntes Brot – oder gar pulverisierte menschliche Knochen, wie eine Überlieferung von Plinius dem Älteren, einem römischen Gelehrten, zeigt.

Der Finger wurde dafür vermutlich zunächst in Wasser, dann in eines der erhältlichen Zahnpulver getunkt und über die Zähne und das Zahnfleisch gerieben, in der Hoffnung, so Essensreste und Bakterien zu beseitigen.

Aus Pulver wird eine Paste

Erst dank der Tüfteleien zweier amerikanische Zahnärzte sollte sich das ändern. Im Jahr 1850 mischte der erst 23 Jahre alte Washington W. Sheffield einem eigens entwickelten Zahnpulver Glycerin bei, eine farblose Flüssigkeit mit süßlichem Geschmack, um eine pastenartige Konsistenz zu erhalten.

Was genau in seinem Zahnpulver enthalten war, lässt sich nicht nachprüfen, allerdings muss es sich ausschließlich um „natürliche Inhaltsstoffe“ gehandelt haben. Sheffield, der auch Chemie studiert hatte, war nicht der alleinige Erfinder der Zahnpasta, trug aber maßgeblich dazu bei.

Seine Mixtur entwickelte er viele Jahre weiter, fügte ihr unter anderem Minzextrakte hinzu, und setzte die Creme auch bei Patienten in seiner Praxis in New London in Connecticut ein. Die fanden den Geschmack so angenehm, dass der Zahnarzt ihnen kleine Proben mitgab. Die wachsende Nachfrage führte dazu, dass er zusammen mit seinem Sohn Lucius 1880 die „Sheffield Dentifrice Company“ gründete, um das Produkt kommerziell zu vertreiben.

Die „aristokratische Zahncreme“

Ihre Zahnpasta, die „Crème Angelique“, bewarben die beiden als „die aristokratische Zahncreme“ und als ein Produkt, „das Karies aufhält, Infektionen hemmt und die Mundhöhle süß und rein hält“. Ein Problem aber gab es dabei: Die Zahnpasta wurde in Dosen oder Gläsern verkauft – und trocknete schnell aus.

„Crème Dentifrice“, hier ein Werbeplakat aus 1908, kann man noch heute als Original kaufen.

© The American Magazine, ca. 1908

Lucius, der sich im Zuge seines Zahnmedizin-Studiums zeitweise in Paris aufhielt, beobachtete, wie französische Künstler Metalltuben für Farben und Tinten verwendeten. Das brachte ihn auf eine Idee: Am 22. Mai 1892, heute vor 131 Jahren, stellten Vater und Sohn die erste Zahnpastatube der Welt vor.

Sie stellten ihre faltbaren Metalltuben selbst her, füllten ihre Zahnpasta, die mittlerweile „Crème Dentifrice“ hieß, ein und fügten auch Tubenschlüssel zum vollständigen Entleeren bei. Später ahmten große Unternehmen wie Colgate die Erfindung der Sheffields nach; das Original kann man noch immer erwerben.

Heute werden die allermeisten Zahnpasten in Kunststofftuben verkauft, die das Ausdrücken leichter machen sollen. Doch das ewige Quetschen ist damit nicht gänzlich aus der Welt geschafft. Angeblich soll man sich mit dem Inhalt einer herkömmlichen Zahnpasta über 160 Mal die Zähne putzen können. Das reicht bei zweimal am Tag Putzen für zwölf Wochen aus.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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