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Graupapagei Alex sprach und verstand die Bedeutung von Worten.

© picture alliance/AP Images/John Robert Miller

Heute vor 16 Jahren: Ein gefiedertes Genie

So klug wie ein Fünfjähriger: Der Graupapagei Alex sprach und verstand die Bedeutung von über 100 Worten und zwang die Kognitions- und Sprachforschung, so einige Theorien zu überdenken.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Er sprach über 100 Worte, erkannte sieben Farben, unterschied fünf Formen von Gegenständen, zählte bis sechs, konnte Dinge aufgrund ihrer Gestalt, ihres Materials und ihrer Farbe kategorisieren und mit „Nein“ antworten, wenn er etwas nicht wollte. Auch setzte er Redewendungen wie „Komm her“, „Ich will [dorthin] gehen“ und „ich möchte [dieses oder jenes]“ sinnvoll verwenden. Alex war intelligent.

Autodidakt war der Graupapagei allerdings nicht. Ohne Irene Pepperberg wäre das Tier zu diesen Sprach-, Gedächtnis- und Intelligenzleistungen wohl nie fähig gewesen. 1977 hatte die Kognitionsforscherin Alex in einem Chicagoer Zooladen gekauft – mit dem erklärten Ziel, dem Tier nicht nur ein paar Worte, sondern auch ihre Bedeutung beizubringen. Sie wollte der Frage nachgehen, ob die Gehirne aller Wirbeltiere, nicht nur des Menschen, die grundlegenden Fähigkeiten zur Kommunikation haben. Dazu ließ sie Alex, eine Abkürzung für „Avian Learning Experiment“, nicht einfach nur Worte und Geräusche nachplappern, sondern schulte ihn mit einer speziellen Methode: Pepperberg ließ den Vogel zuschauen, wie sie Menschen belohnte, wenn sie etwa einen Gegenstand richtig benannten.

Und Alex lernte schnell. Zeigte ihm Pepperberg mehrere verschiedenfarbige Gegenstände, konnte er sie bald nicht nur farblich unterscheiden, sondern er zählte sie auch zusammen: Fragte sie „Wie viele grüne?“, antwortete er korrekt „drei“. Sogar entschuldigen konnte er sich, allerdings ohne echte Reue, erzählte Pepperberg in einem Interview: „Er tat etwas Ungezogenes, sagte mit säuselnder Stimme ‚es tut mir leid‘ und kurz darauf tat er das Gleiche wieder.“

„Damit verfügt er über Fähigkeiten, von denen man früher annahm, dass sie auf Menschen oder nichtmenschliche Primaten beschränkt sind“, meint Pepperberg. In den 1970ern, als Pepperberg ihre Studien begann, war das fast undenkbar. In der Verhaltensforschung galten Tiere damals als „Automaten, die keinerlei kognitive Fähigkeiten besaßen und nicht denken konnten“, so Pepperberg. Niemand wollte ihr Projekt finanzieren: „Nur ein Verrückter könne annehmen, ein Vogelhirn von der Größe einer Nuss sei in der Lage, komplizierte kognitive und linguistische Leistungen zu erbringen.“

Inzwischen ist klar, nicht zuletzt durch Pepperbergs Forschungen: Alex, andere Papageien, Krähen, Delfine und diverse andere Wirbeltiere sind bis zu einem gewissen Grad sowohl intelligent als auch kommunikationsfähig. Mittlerweile spricht Alex nicht mehr. Am Morgen des 6. Septembers 2007, heute vor 16 Jahren, lag er plötzlich tot in seinem Käfig.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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