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Louis Pasteur beim Experimentieren.

© Wikimedia/Public Domain

Tagesrückspiegel – Heute vor 161 Jahren: Die erste Pasteurisierung

Eine geeignete Kochung schützt Lebensmittel vor dem Verderben, zeigte Louis Pasteur. Vor seiner Zeit hatte man ganz andere Folgen des Erwärmens vermutet.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Wenn sich in totem, verwesendem Fleisch irgendwann neues Leben regt, etwa in Form von Maden, dann ist das für die meisten Menschen vor allem: eklig. Viele Denker von der Antike bis in die Neuzeit sahen darin aber ein Beispiel für „Urzeugung“, die Neuentstehung von Leben aus Unbelebtem.

Die griechischen Philosophen Aristoteles und Empedokles etwa nahmen an, dass manche Tiere, etwa Würmer, Insekten, Aale oder Quallen spontan, also aus Fäulnis- und Verwesungsprozessen aus unbelebter Materie entstehen. Es bedürfe dazu nur lebenspendender Wärme. Durch diese „Kochung“ (pépsis) entstehe Leben. Auch spätere Anhänger dieser Urzeugungsidee waren davon überzeugt, dass Läuse aus Schweiß entstehen, neben Mäusen auch Schlangen aus Aas und Maden aus faulendem Käse.

Dass dem nicht so ist, sondern durch Erhitzen im Gegenteil Lebewesen, nämlich Bakterien, sogar abgetötet oder zumindest für längere Zeit unschädlich gemacht werden können, ist inzwischen Allgemeinwissen – dank eines Experiments der französischen Wissenschaftler Louis Pasteur und Claude Bernard.

Am 20. April 1862, heute vor 161 Jahren, präsentierten die beiden Forscher an der französischen Akademie der Wissenschaften zwei gläserne, penibel versiegelte Behälter, die sie sechs Wochen zuvor mit Blut und Urin eines Hundes gefüllt und bei 30 Grad Celsius aufbewahrt hatten. Beide Flüssigkeiten galten damals schon als „leicht verderblich“. Aber verändern sie ihren Zustand, aufgrund von Mikroorganismen, die in den Flüssigkeiten enthalten sind oder dort hineingelangen, wie Pasteur annahm, oder ist dieser Fermentationsprozess rein chemischer Natur, also ohne Einfluss von Bakterien wie es Bernard vermutete?

Läge Bernard richtig, hätte die erhöhte Temperatur den chemischen Fermentationsprozess eher beschleunigt, und die Akademiemitglieder hätten beim Öffnen des Behälters unangenehme Gerüche vernommen. Doch es kam, wie Pasteur es erwartet hatte: Die Nasen der Akademiker blieben verschont.

Solange Flüssigkeiten frei von Bakterien bleiben, selbst so leicht verderbliche wie Blut und Urin, bleiben sie unverändert „frisch“. Es war das erste einer Reihe von Experimenten Pasteurs, die letztlich zur „Pasteurisierung“ führte, dem kurzen (mindestens 15 Sekunden) Erhitzen (auf mindestens 72 Grad Celsius) von Lebensmitteln wie Milch, um eventuell enthaltene Mikroorganismen soweit abzutöten oder ihr Wachstum zu behindern, dass der Verzehr für eine gewisse Zeit (die Verfallsdauer) sicher ist.

Während es für Pasteur seitdem klar war, dass Fermentation Mikroorganismen braucht, war Bernard nicht überzeugt und forschte lange weiter. Und letztlich hatten beide recht: Denn Lebensmittel können auch ohne Mikroorganismen fermentiert werden, solange die dafür nötigen Enzyme in ihnen vorhanden sind, die für die chemischen Prozesse nötig sind. In der Natur werden sie aber nur von Mikroben produziert, die nicht ständig neu durch „Urzeugung“ entstehen. Das ist nur einmal passiert: Als das Leben entstand.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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