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Robert Morris hatte das Programm aus Neugier verschickt.

© Wikimedia Commons/Trevor Blackwell

Heute vor 35 Jahren: Als ein Student einen Wurm auf das Internet losließ

Im Jahr 1988 legte zum ersten Mal ein Computerwurm das gesamte Internet lahm. Ein Student hatte das Programm aus Neugier verschickt. Heute ist er Informatikprofessor am MIT.

Eine Kolumne von David Will

In der Fantasywelt, die Herr-der-Ringe-Autor J.R.R. Tolkien erschaffen hat, gibt es zahlreiche furchterregende Ungeheuer. Eine der mächtigsten von ihnen ist aber ohne Zweifel der „Große Wurm“: Glaurung, der Urvater der Drachen, ist eine gewaltige Bestie, die ganze Landschaften in Schutt und Asche legen kann.

Im Zeitalter der Digitalisierung reichen ein paar Zeilen schadhafter Code, um unsere computergestützte Infrastruktur zu verwüsten. Unter Hackern wurde der Urvater der Drachen darum zum Namensgeber einer viel unscheinbareren Schreckenskreatur: Dem „Großen Wurm“, der am 2. November 1988, heute vor 35 Jahren, das gesamte Internet lahmlegte.

An diesem Tag streikten auf einen Schlag zahlreiche Computer in den USA. Aufgaben, die einen Rechner normalerweise wenig Zeit gekostet hätten, zogen sich plötzlich ewig hin. Der Grund: Ein Programm, das sich ohne Wissen der Benutzer von Computer zu Computer verbreitete und deren Rechenleistung verschlang.

Eine Diskette mit dem Sourcecode von Morris, ausgestellt im Computer History Museum.

© Wikimedia Commons/Museum of Science

Dieser „Wurm“ – so heißen Programme, die sich selbstständig und ohne Zutun der Anwender verbreiten – war das Produkt eines missglückten Experiments. Ein junger Informatikstudent namens Robert Morris hatte ihn auf das Internet losgelassen. Morris war eigentlich nur neugierig gewesen, ob sich sein Programm wirklich verbreiten würde.

Dafür nutzte der Wurm unter anderem eine Sicherheitslücke in einem Mailprogramm aus: eine Hintertür, die Entwickler:innen offengelassen hatten, um bei Bedarf nach Fehlern zu suchen. Durch diese Hintertür schlüpfte der Wurm auf alle Computer im Adressbuch des Benutzers.

Dummerweise hatte Morris aber einen Fehler gemacht. War der Wurm einmal auf einem Computer angekommen, dann vervielfältigte er sich dort immer mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit – egal, ob die Maschine schon infiziert war oder nicht. Viele Computer steckten sich darum wieder und wieder mit neuen Kopien des Wurms an, bis der Rechner vor Überlastung zusammenbrach.

Die Folgen dieses ersten Internet-Wurms waren verheerend. Tausende Computer waren zeitweise unbenutzbar, die Reparaturkosten beliefen sich auf hunderttausende Dollar. Robert Morris selbst kam glimpflich davon: Er wurde auf Bewährung verurteilt, musste Zivilstunden ableisten und eine Strafe von rund 10.000 Dollar zahlen. Heute ist Morris Professor für Informatik an der Spitzenuniversität MIT in Cambridge in den USA.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Tagesrückspiegel-Kolumne hier.

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