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Blassgelbe Zettelchen können gegen das Verblassen von Erinnerungen an anstehende Erledigungen helfen.

© PantherMedia / Niall Wiggan/Niall Wiggan

Tagesrückspiegel – Heute vor 43 Jahren: Das Kleben ist schön

Das haftet. Aber nur ein bisschen: Etwas zu finden, was man gar nicht gesucht hat, kann recht lukrativ sein. Die berühmten Post-its sind das beste Beispiel.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Allein schon die Farbe ist ikonisch und unverwechselbar, so blassgelb sie auch sein mag. Sie ist Zufall. Oder, gewählter ausgedrückt: Serendipität, also etwas, das man fand, ohne eigentlich danach zu suchen. Das gilt für vieles bei diesem Produkt, das heute zu jenen mit dem höchsten Bekanntheits- und Wiedererkennungsgrad weltweit zählt.

Es kam heute vor 43 Jahren, am 6. April 1980, in den USA landesweit in die Schreibwarenläden: Blocks aus Papier von jener unspektakulären Farbe. An der Oberkante klebten die Einzelblätter mäßig gut auf vielen Oberflächen, anderem Papier zum Beispiel. Der folgende Siegeszug der „Post-its“ um die Welt ist bekannt, inklusive neuer Varianten in Form, Farbe und Klebeeigenschaften, ja sogar elektronischer Versionen. Bis heute ein Milliardengeschäft, laut Industrieanalysten mit weiter stetem Wachstum.

Die Idee mit den Klebezetteln hatte Arthur Fry, ein Ingenieur beim Chemieunternehmen 3M. Gott half vielleicht auch, denn Fry kam auf den Gedanken angeblich nur, weil ihm die Lesezeichen immer aus dem Gesangbuch fielen. Zettel, die kleben, die man aber nächsten Sonntag anderswo hin pappen kann, erschienen ihm praktisch. Es war so ziemlich das einzig Absichtliche an der ganzen Erfindung.

Der nicht recht, aber auch nicht schlecht klebende Kleber war eher ein Unfall, der einem jungen Doktor der organischen Chemie, Spencer Silver, im Labor von 3M 1968 unterlief, als er eigentlich ein hochhaftendes Adhesiv für den Einsatz im Flugzeugbau erfinden wollte.

Die Chemie und Physik der Post-its ist allerdings komplexer als die manches Superklebers. So interagieren etwa die Acryl-Mikrokügelchen, aus denen die Kleb-Substanz besteht, auf eine Weise mit einer weiteren Beschichtung, dass die Zettel beim Abziehen nicht am Gesangsbuch-Papier oder der Stirn, auf die sie gepappt waren, hängen bleiben, sondern eben wieder am Post-it, das man dann noch einmal post-it-en kann, beim nächsten Hosianna 17 Seiten weiter zum Beispiel.

Zudem ist die Klebschicht eigentlich so dick wie das Zettelchen selbst, verschwindet aber beim Ankleben fast komplett in den Zwischenräumen der Papierstruktur. Es ist ein Detail, das nicht besonders nach etwas Besonderem klingt, aber etwa den sehr gewünschten Effekt hat, dass ein Block mit Post-its auf der Seite mit den Klebestreifen kaum dicker ist als auf der Seite ohne.

Das Blassgelb dagegen war noch einmal auf andere weise innovativ. Es ist, obgleich das Patent längst abgelaufen ist, wie die Post-its selbst nach wie vor als Gebrauchsmuster registriert. Genutzt hat es Frys Team aber nur, weil das Schmierpapier aus dem Nachbarlabor, mit dem man experimentierte, zufällig diese Farbe hatte.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Kolumne auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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