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Kann das Zucker-Imitat Aspartam Krebs auslösen?

© dpa/Hendrik Schmidt

Heute vor 49 Jahren: Süße Entdeckung, gefährliche Entdeckung?

Am 26. Juli 1974 wurde Aspartam erstmals zugelassen. Schon damals gab es Bedenken, ob das Zucker-Imitat Krebs auslöst. Und die Diskussion ebbte nicht ab. Klar wird: Der Nutzen ist gering, der Schaden aber nicht klar nachweisbar.

Eine Kolumne von Miray Caliskan

Weiß und pulverig ist der Stoff und dabei etwa 200-mal süßer als Zucker: Aspartam. In Softdrinks, Kaugummis, Süßigkeiten, Fertiggerichten oder Diät-Produkten wird das Süßungsmittel eingesetzt. Es ist auch als E951 bekannt und einer von elf in der EU zugelassenen Süßstoffen. Entdeckt wurde Aspartam, wie so oft, per Zufall.

Der US-amerikanische Chemiker James M. Schlatter wollte eigentlich ein Mittel gegen Magengeschwüre entwickeln, als er 1965 die Formel für das Zucker-Imitat entdeckte. Aspartam besteht aus zwei Aminsosäuren, aus denen auch Eiweiße bestehen. Sein Kaloriengehalt entspricht daher ungefähr dem von Zucker: rund vier Kilokalorien pro Gramm. Aber dadurch, dass es so viel süßer ist, wird er in viel geringerer Menge als Zucker eingesetzt, weshalb Produkte mit dem künstlich hergestellten Süßstoff weitaus kalorienarmer sind.

Am 26. Juli 1974, heute vor 49 Jahren, wurde Aspartam von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erstmals zugelassen. Zunächst nur für die Verwendung in Trockenlebensmitteln. Denn die Behörde hatte Bedenken, veranlasste Studien, in denen immer wieder der Frage nachgegangen wurde, ob der Süßstoff Krebs auslöst. Die Tests fielen negativ aus, sodass die FDA in den 1990ern alle Beschränkungen aufhob.

Doch die Diskussion, ob Aspartam der Gesundheit schadet, ebbte nicht ab. Erst kürzlich wurde der Süßmacher als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft. Die Entscheidung wurde von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) getroffen. Die Agentur sah in drei Studien mit Menschen begrenzte Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer bestimmten Form von Leberkrebs.

Die IARC-Fachleute beurteilen allerdings, ob ein Stoff im Prinzip Krebs verursachen könnte und berücksichtigen nicht, wie viel davon ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben. Solche Analysen macht etwa der Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der WHO (JECFA).

40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht

Der findet die IARC-Einschätzung nicht überzeugend und empfiehlt als höchste akzeptable Tagesdosis 40 Milligramm Aspartam pro Kilogramm Körpergewicht. Ein 70 Kilogramm schwerer Erwachsener müsste damit mehr als drei Liter Diät-Limonade pro Tag konsumieren, um diesen Wert zu überschreiten, wurde vorgerechnet. Wobei Aspartam eben nicht nur in Getränken steckt, sondern in ganz vielen anderen Lebensmitteln. Einen Hinweis kann die Bezeichnung E951 auf Verpackungen im Supermarkt geben.

Auch andere Expert:innen finden die Beweislage eher schwach. In der Realität werde Aspartam kaum als Einzelsubstanz konsumiert, sondern in Kombination mit anderen Süßstoffen, erklärten die beiden Schweizer Stoffwechselmedizinerinnen Bettina Wölnerhanssen und Anne Christin Meyer-Gerspach. Eine Einzelbewertung erscheine daher schwierig.

„Es gibt keinen soliden Grund, Süßstoffe aktiv zu vermeiden, aber auch keinen Grund, Süßstoffe aktiv zu empfehlen. Der Nutzen ist gering, der Schaden nicht klar nachweisbar“, ergänzte Stoffwechselmediziner Stefan Kabisch.

Es bleibe zu hoffen, dass die neue Einstufung die Konsument:innen nicht dazu bringt, von Süßstoffen auf Zucker umzusteigen. Denn für Zucker ist klarer belegt: Ein zu viel, kann zu Übergewicht führen. Und Übergewicht wiederum zu einem erhöhtem Krebsrisiko.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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