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Als Doppelhelix kann DNA Informationen speichern und als Vorbild für ziemlich identische Kopien dienen.

© Getty Images/Universal History Archive

Heute vor 61 Jahren: Nobelpreis für die Doppelhelix

Dass Lebewesen Merkmale vererben können war klar, die Frage war aber wie? Oder genauer womit. Zwei Molekularbiologen lösten das Rätsel, allerdings nicht ohne Hilfe.

Eine Kolumne von Birgit Herden

Wo liegt der Ursprung bahnbrechender Erkenntnisse? In diesem Fall beginnt es mit Verbänden voller Eiter. Die untersucht im Winter 1869 ein junger Chemiker in Tübingen. Mit seiner Zentrifuge trennt Friedrich Miescher die Zellkerne, die er unter dem Mikroskop gesehen hat, vom Eiter ab. Er vermutet, dass sie für das Leben eine wichtige Rolle spielen.

Im ungeheizten Labor löst Miescher die ihm bekannten biologischen Substanzen aus den Zellkernen: Proteine, Fette, Zucker. Übrig bleibt eine rätselhafte glibberige Masse, die Stickstoff und auffällig viel Phosphor enthält. Der Chemiker hat in den Zellkernen eine ganz neue Substanz entdeckt: Er nennt sie Nuklein, entsprechend dem aus dem Lateinischen stammenden „Nukleus“ für Kern.

Schnitt, 84 Jahre später. An der Universität Cambridge basteln die Molekularbiologen James Watson und Francis Crick mit Pappstücken an einem Modell, um die chemische Struktur des Glibbers zu verstehen. Inzwischen kennt man dessen Bestandteile genauer, der Glibber heißt jetzt Desoxyribonukleinsäure, auf Englisch Desoxyribonucleic Acid – DNA.

Vier verschiedene basische Moleküle sind darin enthalten. Vieles spricht dafür, dass es sich um die lang gesuchte Substanz handelt, mit der Lebewesen ihre Erbinformationen übertragen. Doch wie kann die unendliche Formenvielfalt der Organismen mit vier Buchstaben geschrieben werden?

Den Wettlauf um des Rätsels Lösung gewinnen die Molekularbiologen Watson und Crick. Von Chemie verstehen die beiden brillanten Forscher nicht viel, stattdessen kommt ihnen eine Portion Skrupellosigkeit zugute. Es gelingt ihnen, einen Blick auf Röntgenaufnahmen zu werfen, die die Biochemikerin Rosalind Franklin nach mühevoller Arbeit von kristalliner DNA gemacht hat.

Schließlich kommen sie auf die entscheidende Idee. Sie ordnen die chemischen Bausteine zu zwei Strängen, die sich um eine Achse winden, zur Doppelhelix. Millionen und Milliarden der vier basischen Moleküle lassen sich so zu stabilen Molekülen aneinanderreihen, zu einem Code des Lebens aus vier Buchstaben.

Am 18. Oktober 1962, heute vor 61 Jahren, entscheidet die Kommission in Stockholm. Zusammen mit Maurice Wilkins erhalten die beiden den Nobelpreis für Physiologie. Rosalind Franklin, die Unerwähnte, ist da schon seit vier Jahren tot. Und auch an Friedrich Miescher, den frierenden Chemiker in Tübingen, denkt heute kaum noch jemand.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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