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Ein Braillezeichen besteht aus sechs erhabenen Punkten, angeordnet wie auf einer Würfel.

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Heute vor 217 Jahren: Berlins erste Blindenschule

Am 13. Oktober 1806 eröffnet die Preußisch-Königliche Blindenanstalt unter der Leitung von Johann August Zeune in Berlin. Es ist der Beginn einer Revolution in der Blindenbildung, die bis heute wirkt.

Eine Kolumne von Hanna Koerner

Lange Zeit galten blinde Menschen in der Gesellschaft als nicht bildungs- und arbeitsfähig. Oft waren sie arm, konnten nicht am Leben teilnehmen. Das änderte sich langsam, als in Europa die ersten Blindenschulen eröffneten – nach Paris und Wien am 13. Oktober 1806, heute vor 217 Jahren, auch in Berlin. Der Begründer der Schule und Pädagoge Johann August Zeune konnte an der Preußisch-Königlichen Blindenanstalt mit dem Unterricht beginnen.

Ein großer Schritt zu einer Zeit, in der Lernmethoden und -materialien für Blinde erst noch erfunden werden mussten. Vor allem die bahnbrechende Erfindung der Braille-Blindenschrift 1825 hat das Leben blinder Menschen revolutioniert. Bis heute wird sie weltweit von Millionen von Menschen benutzt.

Johann August Zeune, Begründer von Berlins erster Blindenschule.

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Doch wie kam es dazu und wie wird die Braille-Schrift heute genutzt?

Eine der ersten Methoden Schrift für Blinde lesbar zu machen kommt von Valentin Haüy. Der Gründer der Pariser Blindenschule entwickelt im 18. Jahrhundert die Reliefschrift, mit der er erste Bücher für Blinde übersetzt. Mithilfe von Bleiklötzchen prägt er die Buchstaben des Alphabets in dickes Papier. Sie sind dadurch mit den Fingerspitzen ertastbar. Doch die Herstellung ist aufwendig und die Bücher unhandlich.

Um 1815 ersetzt der Artilleriehauptmann Charles Barbier die Balken der Buchstaben durch zwölf Punkte. Durch die „Nachtschrift“ sollen Soldaten Botschaften lesen können, ohne eine Laterne anzünden zu müssen – und von Feinden entdeckt zu werden. Doch auch das System des Franzosen ist zu kompliziert, inspirierte jedoch Louis Braille, der zu dieser Zeit eine Blindenschule in Paris besucht. Im Alter von nur 16 Jahren gelingt ihm der Durchbruch.

Lesen und Schreiben mit Fingerspitzengefühl

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Braille, der durch einen Unfall in seiner Kindheit vollständig erblindet war, vereinfacht Barbiers System, macht aus zwölf Punkten sechs, angeordnet wie die sechs auf einem Würfel. Es entsteht ein System aus 64 Punktkombinationen, die Buchstaben, Ziffern und Zeichen, aber auch Musiknoten oder Strickmuster darstellen. Die Brailleschrift gilt seit 1878 weltweit als offizielle Unterrichtsschrift an Blindenschulen. Braille gilt für Blinde als Schlüssel zum Wissen.

Bis heute ist die Brailleschrift alternativlos. Aktuelle Erfindungen wie das Computer-Display „Hyperbraille“ bilden zwar digitale Texte, Bilder oder Diagramme in der Punktschrift ab. Die grafikfähige, taktile Oberfläche besteht aus tausenden Metallstiften, die je nach Buchstabe oder Zeichen nach oben fahren – ein Bildschirm für Blinde also. Doch die Produkte sind teuer und die Forschung zur Blindheit sowie der Weg zur Barrierefreiheit noch lange nicht abgeschlossen.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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