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Anne Brown spielte die „Bess“, wurde als Studentin besetzt.

© imago images/United Archives International

Heute vor 88 Jahren: Broadway-Premiere für eine schwarze Oper

Die Reaktionen auf die ersten Aufführungen in New York waren durchwachsen, das Stück wurde schnell wieder abgesetzt. Doch nach einigen Jahren wurde George Gershwins „Porgy und Bess“ ein Erfolg.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Der Liedtext beschreibt eine Zeit des Überflusses, in der das Leben leicht ist: Sommerzeit, die Fische springen und die Baumwolle steht hoch. Doch die Musik scheint ein anderes Lied zu begleiten, ein trauriges, in dem sich Düsteres abzeichnet.

„Summertime“ wurde von [Korrektur, siehe unten] George Gershwin für seine Volksoper „Porgy und Bess“ geschrieben, die am 10. Oktober 1935, heute vor 88 Jahren, erstmals auf dem Broadway in New York aufgeführt wurde. Das Lied wurde zu einem der meistgespielten Jazzstücke aller Zeiten, doch das Gesamtwerk, die Oper, blieb zunächst hinter den Erwartungen zurück.

Nach dem bescheidenen Start 1935, hier ein Plakat, gilt „Porgy und Bess“ heute als große amerikanische Oper.
Nach dem bescheidenen Start 1935, hier ein Plakat, gilt „Porgy und Bess“ heute als große amerikanische Oper.

© IMAGO/Gemini Collection

„Es gibt vieles an Porgy und Bess zu lieben, aber auch Komplikationen um die Darstellung des schwarzen Lebens“, sagt Naomi André, Musikwissenschaftlerin an der University of North Carolina. Der Roman „Porgy“, der als Vorlage für die Oper diente, ist im benachbarten Bundesstaat South Carolina angesiedelt. Die Frau Dorothy des Verfassers DuBose Heyward hatte zwei Jahre nach dessen Erscheinen eine Bühnenfassung geschrieben, die zu großen Teilen in Gershwins Oper einfloss.

Das Stück handelt vom gehbehinderten Porgy, der in den Slums von Charleston versucht, die von ihm geliebte Bess von ihrem gewalttätigen Partner und ihrem Drogendealer zu befreien und letztlich scheitert.

Der Steptänzer John Bubbles spielte Bess’ Liebhaber „Sporting Life“. Obwohl er keine Noten lesen konnte, bestand Gershwin darauf, dass er den Part übernahm.
Der Steptänzer John Bubbles spielte Bess’ Liebhaber „Sporting Life“. Obwohl er keine Noten lesen konnte, bestand Gershwin darauf, dass er den Part übernahm.

© imago images/Everett Collection

„Die schwarze Gemeinschaft war bei der ersten Aufführung sehr breit repräsentiert“, sagt André. Doch in ihren Rollen führten sie auch Klischees fort, die gegenüber schwarzen US-Amerikaner:innen bestanden: über den freundlich harmlosen und naiven Porgy, eine Bess, die wenig über ihr Liebesleben mitbestimmen will und ihr bedrohlicher, sexuell hyperaktiver Liebhaber. „Es sind schreckliche Porträts von dem, was schwarzes Leben ausmacht“, sagt André.

Musikalisch konnte Gershwin aus dem Vollen schöpfen. Aus der Zeit der sogenannten „Harlem Renaissance“ war nach dem Ende der Sklaverei und nachdem viele schwarze US-Amerikaner:innen in nördliche Bundesstaaten umgezogen waren, eine lebhafte künstlerische Szene aufgeblüht, aus der auch in späteren Jahren Rollen für die Oper besetzt wurden. Seine Inspiration für das Stück „Summertime“ holte sich Gershwin jedoch woanders: von einem ukrainischen Wiegenlied. Als solches führte er es, vielleicht als Ehrerweisung, auch in seine Oper ein.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

KORREKTUR: George Gershwin stammte aus einer jüdischen Familie aus Russland, nicht wie zuvor geschrieben Irland.

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