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Den Berliner Hochschulen - hier die HU - machen Mehrkosten in vielen Bereichen zu schaffen.

© Doris Spiekermann-Klaas / Tagesspiegel / Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

Hochschulverträge in Berlin: Verteilungskämpfe in Krisenzeiten

Wie viel wert ist Berlin die Wissenschaft in Zukunft? Die Hochschulen wollen mehr Geld vom Land – und fürchten ein verkapptes Sparprogramm.

In diesem Jahr geht es ums Ganze für die Berliner Hochschulen. Sie müssen mit dem Senat verhandeln, wie die Hochschulverträge ab dem Jahr 2024 aussehen. Deren Ergebnis wird auch eine Antwort auf die Frage geben: Wie viel wert ist Berlin die Wissenschaft in Zukunft? In Zeiten von multiplen Krisen, in denen die öffentlichen Haushalte unberechenbar werden, dürfte das für die Hochschulen keinesfalls ein Selbstläufer werden.

Ein Gespräch hat es zwischen den Hochschulleitungen, Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) und Staatssekretärin Armaghan Naghipour wie berichtet bereits gegeben. An diesem Montag folgt der nächste wichtige Termin: Im Abgeordnetenhaus gibt es im Wissenschaftsausschuss eine Anhörung von Hochschulvertreter:innen zu dem Thema. Die Abgeordneten spielen eine nicht unwichtige Rolle: Sie wollen ein entscheidendes Wort bei den Verhandlungen mitreden.

Die Ausgangslage ist klar: Die Hochschulen wollen eine deutlich stärkere Steigerung des Landeszuschüsse, als ihnen bereits zugesagt wurde – alles andere wäre vor dem Hintergrund von Inflation und massiv steigender Kosten in vielen Bereichen ein verkapptes Kürzungsprogramm, argumentieren sie.

Aktuell erhalten sie jährlich ein Plus von 3,5 Prozent der Landeszuschüsse. Das ist ihnen auch für die Zukunft von Rot-Grün-Rot im Koalitionsvertrag versprochen worden. Doch der wurde geschlossen, als von Inflation und Energiekrise nichts zu ahnen war. Schon um die einjährige Verlängerung für das Jahr 2023 mit denselben Konditionen gab es mit der Finanzverwaltung heftige Debatten – eine weitere Steigerung dürfte noch umstrittener bei den Finanzern sein. Die Wiederholungswahlen verkomplizieren die Verhandlungen umso mehr.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass 3,5 Prozent mehr Landesmittel ausreichen.

Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität

Steigenden Kosten sehen sich die Hochschulen jedenfalls in vielen Bereichen gegenüber. Ein Beispiel nennt Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität: Für die Beschäftigten würden demnächst neue Tarifverträge ausgehandelt, es sei eine „soziale Frage“, dass die Beschäftigten mehr Lohn erhalten: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass 3,5 Prozent mehr Landesmittel ausreichen, um die Tariferhöhungen zu tragen“, sagt Rauch. In einer immer teurer werdenden Stadt brauche es akzeptable Beschäftigungsverhältnisse.

„Drama“ Hochschulbau

Andreas Zaby, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR), sagt, auch die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften – also die Fachhochschulen – würden es sehr kritisch sehen, sollte es keine Steigerung der vorgesehenen Landeszuschüsse geben.

Dazu komme das „Drama“ Hochschulbau, sagt TU-Präsidentin Rauch. Die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Berlin entscheide sich noch mehr an der Frage, ob der Sanierungsstau an den Hochschulen endlich aufgelöst wird, sagt Rauch – dafür wird das Land viel Geld in die Hand nehmen müssen.

Wir wollen einen echten Aufwuchs und müssen berücksichtigen, dass es starke Kostensteigerungen gibt.

Ulrike Gote, Wissenschaftssenatorin

Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) setzt sich wie berichtet ebenfalls für eine stärkere Steigerung der Zuschüsse ein: Im nächsten Haushalt brauche es eine Priorisierung der Hochschulfinanzierung. Mit dem Finanzsenator, ihrem Parteifreund Daniel Wesener, führe sie diese Diskussion. Sie habe mit den Hochschulen ein gemeinsames Ziel: eine verlässliche Finanzierung. „Wir wollen einen echten Aufwuchs und müssen berücksichtigen, dass es starke Kostensteigerungen gibt.“

Sorge, die Finanzverwaltung wolle an die Rücklagen ran

Auch wenn noch nicht richtig absehbar sei, wie hoch die Inflation oder Tarifsteigerungen ausfallen werden. Gote will die Verträge erneut über fünf Jahre abschließen – um den Hochschulen Planungssicherheit über die Legislaturperiode hinaus zu geben.

Ein wiederkehrendes Thema, wenn man mit den Unileitungen spricht, ist die Sorge, die Finanzverwaltung wolle an die Rücklagen der Hochschulen ran. Diese werden gebildet, um langfristige, teure Vorhaben überhaupt erst finanzieren zu können, die den Rahmen des Tagesgeschäfts sprengen.

„Es gibt den Impuls der Finanzverwaltung, sich die Einzelposten anzuschauen und hineinsteuern zu wollen“, kritisiert Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität und Vorsitzender der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP). „Dabei gehört die Bildung von Rücklagen an den Hochschulen zur üblichen Haushaltsführung. Sie werden für wichtige Aufgaben zurückgelegt, nach Landeshaushaltsordnung korrekt gebildet und genehmigt. Wir können und wollen sie nicht kurzfristig für Energierechnungen ausgeben.“ Ohne die Rücklagen seien die Hochschulen gar nicht steuerbar. „Wir würden ansonsten unsere strategische Handlungsfähigkeit einschränken“, betont Ziegler.

„Das ist kein freies Geld, das man einfach einziehen kann“, bekräftigt auch Gote. Die Komplexität des Wissenschaftssystems stoße hier ein wenig mit der Finanzplanung Berlins zusammen. Das hätten aber auch schon ihre Vorgänger diskutieren müssen.

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