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Nachgemixt: Organische Substanzen dienten als Bindemittel für Ölfarben.

© Mikkel Scharff/Mikkel Scharff

Hohe Braukunst: Dänische Meister malten auf Leinwände mit Bier-Grundierung

Die Methode der Massenspektrometrie wird immer weiter verfeinert. Jetzt haben Forschende damit herausgefunden, mit welchen Substanzen Maler Farbe auf Leinwand besser haften ließen.

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt als goldenes Zeitalter Dänemarks, die Kunst blühte – und die Meister malten ihre großen Werke auf Leinwänden, auf denen Bier die Farben besonders gut festhielt. Zwar gaben Aufzeichnungen aus dieser Zeit bereits Hinweise auf eine wichtige Rolle des Gebräus nicht nur als Getränk.

Naturwissenschaftliche Fakten zur Verwendung von Bier in der Malerei liefert aber erst jetzt ein Team um Fabiana Di Gianvincenzo, Cecil Andersen und Enrico Cappellini von der Universität Kopenhagen in der Zeitschrift „Science Advances“.

Zellen zuschauen

„Kennt man ihre Zusammensetzung, können solche Werke besser in die entsprechende Epoche eingeordnet und für spätere Generationen erhalten werden“, nennt Henning Urlaub eine Bedeutung dieser Analyse. Der Wissenschaftler, der an der Studie der Gruppe aus Kopenhagen nicht beteiligt war, leitet am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen die Forschungsgruppe „Bioanalytische Massenspektrometrie“. Mit dem Verfahren können die Massen von Molekülen bestimmt oder Proteine identifiziert werden.

„Da Proteine die allermeisten Vorgänge in lebenden Zellen stemmen, lassen sich damit Lebensvorgänge sehr gut beobachten“, erklärt Urlaub. Seine Gruppe analysiert das Geschehen in normalen Zellen oder in Tumorzellen und liefert Impulse für Grundlagen- und klinische Forschung. „In dieser Proteomik genannten Erfassung aller Proteine von Zellen sind dänische Arbeitsgruppen sehr gut“, sagt Urlaub.

Christoffer Eckersberg malte dieses Bild auf einer mit Bierzutaten hergestellten Leinwand.

© C.W. Eckersberg, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen

Das Team um Cappellini hat zehn Leinwände untersucht, auf denen die dänischen Maler Christoffer Eckersberg und Christen Købke in den 1820er und 1830er Jahren gemalt haben. Als die Rückseiten der Gemälde in den 1960er Jahren mit einer zusätzlichen Leinwand verstärkt wurden, waren an den Ecken jeweils kleine Stücke gekappt worden. In diesen Überresten suchte das dänische Team jetzt mithilfe der Massenspektrometrie die „Proteom“ genannten Protein-Mischungen einiger Organismen.

Braureste im Rezept

Nach diesen Analysen stecken in sieben der untersuchten Leinwände nicht nur relativ große Mengen unterschiedlicher beim Bierbrauen eingesetzter Hefen, sondern auch Getreidekörner von Braugerste, Buchweizen, Weizen und Roggen. Auch diese Zutaten werden bis heute beim Bierbrauen verwendet. Die sieben Gemälde entstanden oder wurden zumindest begonnen, als die beiden Maler an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen tätig waren. In den drei Leinwänden, die Christen Købke danach gemalt hatte, fanden die Forschenden dagegen keine Proteine aus der Bierbrauerei.

Offenbar bevorzugten die Gehilfen, die damals an der Königlich Dänischen Kunstakademie für die Herstellung der Leinwände zuständig waren, Bierzutaten, die anderweitig weniger eingesetzt wurden. Wahrscheinlich setzten sie das Getränk auch nicht direkt ein, sondern verwendeten die Feststoffe, die aus Bier herausgefiltert werden. Diese enthalten viele Hefen, aber auch Reste von Getreidekörnern, aus denen das Bier gebraut wurde. Sie wurden damals wie heute weiterverwendet, als Futter für Nutztiere oder eben in Leinwänden. Dort halten die leicht klebrigen Substanzen die Farben besser als ein unbehandeltes Gewebe.

„Mit der Methode lassen sich in Zukunft weitere Kunstwerke auf Inhaltsstoffe untersuchen“, sagt Urlaub. Die immer feineren Protein-Analysen ermöglichten rasche, automatisierte Proteom-Analysen. In naher Zukunft könnte Massenspektrometrie in der Forschung ähnlich wichtig werden, wie es Erbgut-Analysen heute sind, vermutet der Max-Planck-Forscher.

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