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In der kenianischen Savanne beeinflusst eine invasive Ameisenart über eine ökologische Kettenreaktion wie Löwen jagen.

© dpa/Victoria Zero

Kleine Tiere, große Wirkung: Wie invasive Ameisen die Savanne umkrempeln

In der kenianischen Savanne löst eine invasive Ameisenart eine ökologische Kettenreaktion aus, die sich auf die gesamte Landschaft auswirkt und wie Löwen darin jagen.

Ökologische Beziehungen sind komplex. Laufen Ameisen etwa in den Rüssel eines Elefanten und beißen zu, erinnert sich das graue Tier noch lange an diese schmerzhafte Erfahrung. Künftig wird es einen Bogen um Akazienbäume machen, in denen diese Ameisen leben.

Werden diese heimischen Ameisen von einer anderen, invasiven Ameisenart verdrängt, hat das eine Kette von Konsequenzen, die nicht nur die Savanne in Ostafrika grundlegend verändern, sondern auch Löwen zwingen, sich nach anderer Beute umzusehen.

Kleine Verteidiger

Statt Zebras jagen Löwen dann häufiger Büffel, berichtete ein Team um Jacob Goheen von der University of Wyoming in der Zeitschrift „Science“. Die Forschenden untersuchten im Ol-Pejeta-Schutzgebiet in Kenia, welche Auswirkungen das Vordringen der Dickkopf-Ameise Pheidole megacephala, einer Ameisenart, die in dieser Region früher nicht vorkam, auf das Ökosystem hat. Dickkopf-Ameisen verdrängen heimische Ameisen der Gattung Crematogaster, die eng mit den Akazien-Bäumen dieser Region zusammenleben.

Diese Bäume tragen oft selbst am Ende ausgedehnter Dürreperioden noch grüne Blätter und ziehen zahlreiche Pflanzenfresser an, die sonst kaum noch Nahrung finden. Die Akazien wehren sich zwar mit Dornen und Giftstoffen, aber Blätter und Zweige werden von Elefanten, Giraffen, Nashörnern und anderen Arten gefressen. Daher unterhalten Flötenakazien eigene Verteidigungstruppen: In den Hohlräumen ihrer Dornen leben Crematogaster-Ameisen, die von den Bäumen mit Nektar versorgt werden. Zupft ein Pflanzenfresser an den Zweigen, alarmieren die Erschütterungen die Ameisen, die mit Beißwerkzeugen und üblem Geruch die Pflanzenfresser angreifen. Diese Verteidigung ist so effektiv, dass Flötenakazien oft natürliche Monokulturen bilden.

Großköpfige Ameisen machen Teile der Ol Pejeta Conservancy in der kenianischen Savanne baumlos.
Großköpfige Ameisen machen Teile der Ol Pejeta Conservancy in der kenianischen Savanne baumlos.

© dpa/BRANDON HAYS

Das ändert sich jedoch, wenn die invasiven Dickkopf-Ameise die Verteidiger verdrängt. Die Flöten-Akazien verlieren ihren wichtigsten Schutz. Das passiert in Kenia seit mehr als zwei Jahrzehnten und verändert die gesamte Landschaft: Akazien verschwinden und die Savanne wird stellenweise kahl.

Wachsame Zebras, wehrhafte Büffel

Im Experiment versperrte Goheens Team den großen Pflanzenfressern den Zugang zu Flächen, auf denen die Dickkopf-Ameisen bereits angekommen waren, mit Elektrozäunen. Die Landschaft veränderte sich dann nur wenig. Auf nicht eingezäunten Flächen fraßen dagegen vor allem Elefanten Akazien-Grün und zerstörten dabei fünf- bis siebenmal mehr Gehölze als in den eingezäunten Arealen.

Einheimische Ameisen (roter Kopf und Brust, schwarzer Hinterleib) werden von invasiven Großkopf-Ameisen getötet.
Einheimische Ameisen (roter Kopf und Brust, schwarzer Hinterleib) werden von invasiven Großkopf-Ameisen getötet.

© dpa/PAT MILLIGAN

Das wiederum machte den Löwen zu schaffen, die sich vorher rund zur Hälfte von Zebras ernährten. Die Raubkatzen können diese wachsamen Tiere leichter erbeuten, wenn sie aus der Deckung angreifen. In Gegenden, in denen die Ameisen noch die Akazien verteidigen, fressen sie fast dreimal mehr Zebras als in kahlen Arealen.

Im Ol-Pejeta-Schutzgebiet weichen die Löwen zunehmend auf eine andere Beute aus und jagen Büffel, auch ohne Deckung. Vor der Ankunft der Dickkopf-Ameisen haben sie diese wehrhaften Tiere praktisch gar nicht gejagt. In der kahlen Landschaft liegt der Anteil dieser Beute dagegen bei rund einem Viertel. Das scheint die deutlich schlechteren Chancen, ein Zebra zu erwischen, zu kompensieren: Die Zahl der Löwen nahm in den Ameisen-Invasionsgebieten kaum ab.

Verschärfte Konkurrenz

„Diese Studie zeigt, dass auch sehr kleine Tiere einen großen Einfluss auf die Natur haben können“, sagt Oliver Höner. Der Biologe vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin untersucht in einem Langzeitprojekt im Ngorongoro-Krater in Tansania das Leben von Tüpfelhyänen und auch deren Konkurrenz mit Löwen, war an der Studie der US-Gruppe aber nicht beteiligt.

„Die invasiven Ameisen könnten auch noch weitere Arten beeinflussen“, vermutet Höner. Vielleicht könnten dort die hungrigen Löwen auch Tüpfelhyänen von ihren Rissen verjagen. Beide Raubtier-Arten konkurrieren ohnehin oft um die gleiche Beute.

Im Ngorongoro-Krater grasen in den letzten Jahren mehr und mehr Büffel, während die Zahl der Zebras und Gnus abnimmt. Die Tüpfelhyänen haben dieses Angebot angenommen und jagen inzwischen deutlich mehr Büffel als früher. Und die Löwen machen Hyänen die Beute streitig. „Vielleicht ist es ja im Ol Pejeta-Schutzgebiet ähnlich“, vermutet Höner. Auch wenn das bisher nur eine Überlegung ist, steht eines bereits fest: Die ganz kleinen Tiere können die Welt der Großen erheblich durcheinander wirbeln.

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