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Freunde können gesund machen, psychisch und sogar auch körperlich.

© imago images/MASKOT

Mächtig wirkungsvoll: Warum es höchste Zeit ist, sich bei Freunden zu melden

Es gibt einen Trend zum Alleinsein, der gestoppt werden muss. Freundschaften machen nicht nur glücklich. Sie können gute Dinge in uns hervorrufen, von denen wir selbst keine Ahnung hatten.

Ein Kommentar von Miray Caliskan

Vor einigen Wochen wurde in einem Beitrag der „Washington Post“ eine Entwicklung beschrieben, die mich seither nicht mehr loslässt. Menschen würden sich zunehmend fürs Alleinsein entscheiden. In allen demografischen Gruppen würde die Zeit, die man mit Freunden verbringt, seit dem Jahr 2013, also noch weit vor der Corona-Pandemie, die uns alle zur sozialen Isolation gezwungen hat, rapide zurückgehen.

Die Daten bezogen sich zwar auf die USA, aber Ähnliches wurde auch schon aus europäischen Ländern berichtet. Und die Folgen dieses „Niedergangs des sozialen Lebens“, sind allgemeingültig. Wer sich einsam fühlt, wird krank, psychisch und körperlich, entwickelt Depressionen, Ängste und auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden begünstigt. Manche Forschende sind sich sicher, dass unfreiwilliges Alleinsein als Risikofaktor so gefährlich sein kann wie eine Alkoholabhängigkeit.

Was mich nicht mehr loslässt, ist die Frage des „Wieso“. Ist es einfacher, unsere persönlichen Sorgen nicht mit anderen zu teilen, vielleicht auch, weil wir uns einreden, dass die Unterstützung, die wir so dringend bräuchten, eine Bürde für andere darstellt? Oder sind wir zu erschöpft, um Freundschaften zu halten und sie zu pflegen?

Freunde beeinflussen Eigenwahrnehmung

Klar ist, dass die Entwicklung alle wachrütteln müsste. Freundschaften sind mächtig. Mächtiger als viele glauben.

Sie beeinflussen, wie wir die Realität wahrnehmen – und damit auch uns selbst. Wenn uns eine gute Freundin sagt, wie sehr sie uns bewundert, werden uns unsere eigenen Kompetenzen vor Augen geführt, unser Selbstwertgefühl wird daran wachsen. Wenn in einer Clique positive Dynamik herrscht, „Wir sind klug, talentiert und wir werden unsere Ziele erreichen“, stehen die Chancen gut, dass es auch wirklich passiert.

Es gibt unzählige Arbeiten, die zeigen, dass wir unsere eigenen Wünsche an die unserer engsten Freunde anpassen. Wenn sie es anstreben, eine Führungsposition anzunehmen, werden wir es auch selbst in Erwägung ziehen, uns zumindest damit auseinandersetzen.

Verhaltensänderungen gibt es nicht nur in Bezug auf den Job, sondern auch auf Gesundheit. Wenn sich Menschen im sozialen Umfeld vornehmen, mehr Sport zu treiben, mit dem Trinken oder Rauchen aufzuhören, werden wir es eher auch tun. Aber Achtung: Umgekehrt kann es aber passieren, dass wir uns etwas Schlechtes angewöhnen, weil die beste Freundin es auch so macht.

Freundschaften können das Leben verändern, sie können Dinge in uns hervorrufen, von denen wir selbst keine Ahnung hatten: Fähigkeiten, Interessen, neue Sichtweisen. Wir sind mit unseren Freund:innen befreundet, weil wir ihre Gesellschaft genießen, gleiche Interessen haben. Und nicht, weil wir uns irgendeinen Vorteil oder positiven Effekt aus der Beziehung erhoffen. Und doch sind sie das so ziemlich wirksamste Mittel, im Leben glücklich zu sein und damit seelisch gesund. Höchste Zeit also, die Entwicklung zum Alleinsein zu stoppen, und sich (wieder mal) bei alten Freunden zu melden. 

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