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Closeup of Sonoran Desert toad (Incilius alvarius) on rock

© imago images/adogslifephoto

Nicht lecken, bitte!: Von Kröten und aufdringlichen Menschen

Der US-amerikanische Nationalparkdienst mahnt Besucher der Naturschutzgebiete, keine Frösche abzuschlecken. Katzen und Hunde bitte auch nicht.

Eine Glosse von Sascha Karberg

Muss das wirklich sein? Müssen manche Menschen tatsächlich ausdrücklich ermahnt werden, bitte keine Tiere abzuschlecken? Eben dies hielt offenbar der US-Nationalparkdienst jetzt in einem Facebook-Post für nötig, um die Coloradokröte Incilius alvarius vor allzu aufdringlichen Homo sapiens zu schützen: „Bitte sehen sie ab vom Lecken der Kröten.“

Motivation für das übergriffig artübergreifende Geschlabber ist dabei offenbar nicht die Hoffnung einer spontanen Verwandlung des Amphibs in einen ansehnlichen Adligen. Die Begehrlichkeit mancher Humanoiden gilt vielmehr den Stoffen, die im Schleim auf der Krötenhaut stecken und LSD-ähnliche Trips versprechen.

Ein schleimiger Halluzinogen-Cocktail

Bufotenin, Dimethyltryptamin und 5-Methoxymonomethyltryptamin, die das Tier neben dem Gift Bufotoxin eigentlich zur Abwehr von Bakterien, Pilzen und Fressfeinden in speziellen Hautdrüsen produziert, haben auf Menschen halluzinogene Wirkung.

Eine halbe Stunde nach dem Schlecken berichten Krötenschleimgourmets von euphorischen, enthemmenden, selbstüberschätzenden Gefühlen, Farbwahrnehmungen und Lichtblitzen. Der Übergang zu Verwirrungszuständen und Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Augenzittern ist fließend, aber auch lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Herzversagen sind möglich.

Auch Hunde und Katzen zu schlecken, ist nicht von Vorteil

Wer jetzt Appetit bekommen hat und bereits zum nächsten Krötenzaun an der Bundesstraße unterwegs ist, der sei gewarnt: Heimischer Krötenschleim enthält keine Halluzinogene, jedenfalls nicht in wirksamer Dosis. Dafür zieht man sich aber Giftstoffe rein, die ähnlich wie Fingerhutgift wirken. Das wäre eine Erklärung, warum „eine Kröte schlucken“ eine negativ besetzte Redewendung ist: Das Herz könnte stehenbleiben.

Ein appetitliches Bananengelb, aber nicht zum Abschlecken zu empfehlen: Phyllobates terribilis, der Schreckliche Pfeilgiftfrosch.
Ein appetitliches Bananengelb, aber nicht zum Abschlecken zu empfehlen: Phyllobates terribilis, der Schreckliche Pfeilgiftfrosch.

© Wikimedia Commons/Micha Rieser

Auch Schlecker-Reisen zu fernen Fröschen sind nicht zu empfehlen. Das rote Erdbeerfröschchen Oophaga pumilio etwa, das durch Costa Ricas Regenwälder hüpft, klingt zwar fast schon appetitlich, reichert aber giftige Alkaloide (Pumiliotoxin) in seinem Hautsekret an. Für diese Gifte, zu denen auch das Batrachotoxin des größeren, zitronengelben Phyllobates terribilis, dem Schrecklichen Pfeilgiftfrosch, gehört, dass dem Froschküsser nicht nur eine kribbelnde, taube Zunge droht. Geraten nur Hunderstel eines Milligramms dieser Gifte aus dem Hautsekret des „Schrecklichen Pfeilgiftfrosches“ ins Blut, etwa über eine Verletzung, ist nach wenigen Minuten Schluss.

Dann doch lieber mal dem Hund oder der Katze zuhause einen Zungenkuss geben, oder? Das verspricht zwar keinen Trip, aber manch einer soll dabei ja Glückgefühle bekommen. Wirklich empfehlenswert, weder für Mensch noch Tier, ist das aber auch nicht. Stichwort Bakterien, Würmer, Toxoplasmose…

Dieses Gesundheitsrisiko beim innigen Kosen seines Lieblings einzugehen, mag jeder selbst entscheiden. Die meisten Tiere können es sich jedoch nicht aussuchen, ob sie von Menschen eingespeichelt werden möchten oder nicht. Lassen wir sie in ungeküsst.

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