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Die ungebrannten Lehmschnecken, die Bernhard Heeb in Rumänien entdeckte, erwiesen sich als Hausornamente der Spätbronzezeit.

© Bernhard Heeb/SMB Museum für Vor- und Frühgeschichte

Schlüsselfunde der Berliner Archäologie: Hausschmuck aus der Spätbronzezeit

Aus einem Lehmklumpen treten bei einer Grabung in Rumänien schneckenförmige Ornamente hervor. Der Berliner Archäologe Bernhard Heeb ist elektrisiert.

Man braucht ein gutes Auge und Erfahrung, um einen Fund zu identifizieren, wenn er bei der Grabung zum Vorschein kommt. Schneckenförmige Fragmente von Ornamenten aus Ton tauchten 2015 plötzlich beim Ausgraben einer Abfallgrube in Corneşti-Iarcuri im Westen Rumäniens 20 Kilometer nördlich von Timişoara auf. „Die erste Bergung ging schief, das Stück ist uns unter der Hand zerbrochen, weil der Ton nicht gebrannt war“, erzählt Bernhard Heeb, Kustos am Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin.

Beim nächsten Fund dieser Art aus der Zeit um 1400 vor unserer Zeit ist ein Restaurator mit dabei. So kann die Objektgruppe gleich vor Ort gehärtet beziehungsweise im Block geborgen werden. In Plastikeimern, die mit Sand gefüllt waren, legen die Archäologen die ersten Fragmente zu runden Mustern zusammen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Könnte das, was da an Zimtschnecken erinnerte, zur Ornamentik von Hauswänden gehört haben? Heeb ist sofort klar: Für die Spätbronzezeit wäre das eine bedeutsame Entdeckung.

Seit 2009 erforscht das Berliner Museum in Kooperation mit der Goethe-Universität Frankfurt a. M. und dem Banater Nationalmuseum in Timişoara diese größte spätbronzezeitliche Siedlung in Europa. Sie bedeckt eine Fläche von 18 Quadratkilometern und zählt vier Wallringe. Der äußerste hat einen Durchmesser von 6,6 Kilometern, der kleinste immerhin noch einen von einem Kilometer. Die Siedlung datiert vom Beginn der Spätbronzezeit um 1400 bis rund 900 vor unserer Zeit, als mit dem Beginn der Eisenzeit die Siedlung zerstört wurde.

Von 2013 bis 2017 förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft hier ein Projekt zur Siedlungsstruktur. Im Rahmen dieses Projektes stieß Heeb 2015 auf die schneckenförmigen Objekte. „Wir nahmen an, dass die Häuser irgendwie verziert waren, aber wir wussten es nicht genau“, erzählt er.

Plötzlich waren wir dieser Zeit sehr nah. Zum ersten Mal konnten wir nachweisen, dass diese Häuser offensichtlich innen verziert waren.

Bernhard Heeb, Kustos am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte

Doch wie kamen die Ornamente in den Abfall? Fiel ein Haus einem Brand zum Opfer, wurde es abgetragen und in einem großen Loch neben dem Haus „bestattet“, wahre Fundgruben für Archäolog:innen. Schritt für Schritt kommt Heeb seinem Fund näher: Abdrücke des Flechtmusters der Hauswand auf der Rückseite belegen, dass sie zum Raumdekor gehörten.

Dafür spricht auch, dass die Lehmschnecken rot und weiß übertüncht waren. „Plötzlich waren wir dieser Zeit sehr nah. Zum ersten Mal konnten wir nachweisen, dass diese Häuser offensichtlich innen verziert waren“, sagt Heeb. Solche Verzierungen seien sehr selten – und erst recht in dieser großen Zahl.

Wurden die Gegenstände in der Grube geopfert?

In der untersuchten großen Abfallgrube wurde indes nicht das ganze Haus bestattet, wohl aber über hundert dieser Ornamentstücke sowie ein Trensenknebel aus Geweih, eine Bernsteinperle und Keramikgefäße. „Es muss ein besonderes Haus gewesen sein“, vermutet Heeb. Fast sehe es so aus, als habe man Dekor und die anderen besonderen Gegenstände geopfert.

Das Haus selbst war etwa zehn bis zwölf Meter lang und fünf bis sieben Meter breit. Es handelte sich um Pfostenbauten mit Flechtwänden, die mit Lehmschlamm verputzt wurden. Die Dächer waren organisch gedeckt, meistens mit Reet, weswegen die Brandgefahr recht groß war. Zudem standen die Häuser eng beieinander.

Heute findet man die Grundrisse solcher Häuser dank des roten Lehms, der beim Brand der Häuser entstand – mithilfe von Magnetresonanz. Intakte Häuser verfielen im Lauf der Zeit und sind vom umgebenden Boden nicht mehr zu unterscheiden.

Immerhin konnten in der Siedlung bei Timişoara einige tausend Häuser nachgewiesen werden, eine beachtliche Zahl für diese Epoche. Das Klima, das reichlich vorhandene Wasser und die äußerst fruchtbare Schwarzerde begünstigten die Besiedlung. Zudem war die Region ein Transitgebiet auf dem Weg von Westasien nach Mitteleuropa. Es sei die fundreichste Region Europas, ein Hotspot der europäischen Archäologie, sagt Heeb. Warum die Siedlung aufgegeben wurde, ist bis heute eine offene Frage.

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