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An der Nordseeküste mussten dieses Jahr schon im August Tausende an Vogelgrippe verendete Tiere geborgen werden.

© dpa/Christian Charisius

Vereinzelt übergesprungen: Das Virus, das in Vögeln lauert

Die Variante H5N1 der Vogelgrippe steckt mitunter auch Menschen an, zuletzt in Spanien. Aber wie hoch ist das Risiko?

Der Berliner Zoo muss aufgrund eines Vogelgrippe-Falls für mehrere Wochen schließen. Wie groß das Ausmaß des Ausbruchs ist, ist derzeit unklar. Vor diesem Hintergrund stellen wir diesen Text zur Ausbreitung und Herkunft des Virus für alle Leser:innen kostenfrei zur Verfügung.

Das Sterben begann früh dieses Jahr: Schon Ende August lagen Abertausende verendete Seevögel an den Stränden der deutschen Nordseeküste. Auf der Insel Minsener Oog im niedersächsischen Wattenmeer wurden innerhalb weniger Wochen 2568 tote Brandseeschwalben und 2807 tote Küken gezählt.

Auf der niederländischen Insel Texel ging die Zahl der Brutpaare im Laufe des Sommers von 4500 auf 50 zurück – Existenz bedrohend für die vergleichsweise seltene Vogelart. Ursache ist das Vogelinfluenza-Virus H5N1.

Die oberste Seuchenbehörde der EU, die ECDC, spricht mittlerweile von der schwersten Vogelgrippe-Pandemie jemals in Europa. In den Sommermonaten hatte sich das Influenzavirus mehr als je zuvor bei Wild- und Hausgeflügel ausgebreitet.

Von Juni bis September wurde in 16 EU-Staaten sowie dem Vereinigten Königreich in 3573 Vogelkadavern H5N1 nachgewiesen. 2500 Ausbrüche in Geflügelbetrieben wurden bislang gemeldet. Mehr als 53 Millionen Hühner und Puten mussten gekeult werden.

Schwerste Vogelgrippe-Pandemie in Europa.

Europäische Seuchenbehörde ECDC

In den Jahren zuvor waren in den entsprechenden Zeiträumen nur einzelne Fälle beobachtet worden. Da Ende September die Infektionszahlen bei Wildvögeln unverändert hoch waren, wird mit der herbstlichen Vogelzugsaison eine Ausbreitung des Erregers in Richtung Mittelmeer und Nordafrika befürchtet. Bislang sind 37 Regionen Europas betroffen – von Spitzbergen im Nordpolarmeer bis nach Südportugal.

Zwar ist die Vogelgrippe, wie der Name sagt, in erster Linie eine Infektionskrankheit von Vögeln. Unter gewissen Umständen, etwa sehr engem Kontakt mit infizierten Vögeln, können sich aber auch Menschen mit Vogelinfluenza-Viren wie H5N1 anstecken und dann eine schwere, nicht selten tödliche Erkrankung der Atemwege durchmachen.

37
Regionen Europas bislang von Vogelgrippe betroffen

Tatsächlich hat es in Spanien Anfang Oktober einen Fall gegeben. Ein Mitarbeiter einer Geflügelfarm in Fontanar in der Region Guadalajara, auf der die Vogelgrippe ausgebrochen war, hatte sich infiziert, erkrankte aber nicht.

Es ist der erste Vogelgrippe-Fall in Spanien und erst der zweite in Europa, nach einer dokumentierten H5N1- Infektion in Großbritannien im Jahr 2021. Solche Übertragungen sind jedoch sehr unwahrscheinlich: In mehr als 99 Prozent der Fälle gelingt es dem Vogelinfluenza-Virus nicht, von einem infizierten Vogel auf den Menschen überzuspringen. Seit 2003 hat das Robert-Koch-Institut (RKI) nur insgesamt 860 Infektionen beim Menschen registriert. Weltweit sind über einen Zeitraum von 19 Jahren etwa 1500 Fälle beobachtet worden.

Enger Kontakt zu erkrankten Vögeln erhöht das Infektionsrisiko

Die meisten dieser an H5N1 erkrankten Personen hatten laut RKI engen Kontakt zu erkranktem oder verendetem Geflügel oder zu Vogelkot. Wegen der geringen Effektivität der Übertragung muss ein Mensch eine sehr hohe Virusmenge – vermutlich das Tausendfache im Vergleich zum Coronavirus – aufnehmen, damit sich eine Erkrankung entwickelt.

Gefährlich wird es erst, sollte das Virus die Fähigkeit entwickeln, von Mensch zu Mensch übertragen zu werden. Aber das wurde bislang noch nie beobachtet. Ob sich ein bestimmtes Vogelinfluenza-Virus genetisch so verändern kann, lässt sich laut RKI nicht voraussagen.

Solche Befürchtungen gab und gibt es jedoch. Virusforscher haben über umstrittene Experimente sogar versucht herauszubekommen, welche Virusgene sich wie verändern müssten, damit H5N1 von Mensch zu Mensch übertragbar wird.

Bei einer Vogelinfluenza-Infektion treten die ersten Krankheitszeichen in der Regel zwei bis fünf Tage – manchmal auch erst nach zwei Wochen – auf. Der Patient klagt über grippeähnliche Symptome: von starken Halsschmerzen bis zu Husten und Fieber. Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine Lungenentzündung mit Atemnot. Etwa die Hälfte aller bislang dokumentierten, durch H5N1 verursachten Erkrankungen, endete tödlich.

Das ECDC geht davon aus, dass das Infektionsrisiko für die allgemeine Bevölkerung extrem gering ist. Nur Personen wie Jäger, Förster, Geflügelzüchter oder Tierärzte, die berufsbedingt Vögeln ausgesetzt sind, hätten ein geringes bis mittelmäßiges Infektionsrisiko. Das Friedrich-Löffler-Institut, die zuständige veterinärmedizinische Behörde in Deutschland, empfiehlt, jeglichen Kontakt mit offensichtlich erkrankten oder verendeten Wildvögeln zu meiden. (mit dpa)

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