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Die Knochen von einem Oberschenkel (links), sowie einer rechten (Mitte) und linken Elle (rechts) zeigen, dass die Vorfahren der Vormenschen bereits vor sieben Millionen Jahren auf zwei Beinen unterwegs waren, aber auch noch auf allen Vieren kletterten.

© Franck Guy/ Palevoprim/CNRS – University of Poitiers

Frühaufsteher aus dem Sahel: Vormensch ging vor sieben Millionen Jahren aufrecht

Eine neue Analyse eines alten Fossilienfundes zeigt, ab wann die Vorfahren des modernen Menschen die Hände meist frei hatten.

Der lange Weg zum modernen Menschen begann nach Erbgut-Analysen vor sechs bis zehn Millionen Jahren, als sich im Stammbaum die Äste von Menschen und Schimpansen trennten. Bereits ganz am Anfang dieser Entwicklung stand eine große Veränderung.

Bis heute schwingen sich Schimpansen geschickt durch das Kronendach des Regenwaldes und sind am Boden meist auf allen Vieren unterwegs. Der Sahelanthropus tchadensis genannte Vorfahre der Vormenschen richtete sich dagegen bereits vor rund sieben Millionen Jahren auf und lief häufiger aufrecht durch Buschland und lichte Wälder.

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Stark deformierter Schädel lieferte erste Hinweise

Geschickt klettern, wenn auch etwas behäbiger als die Vorfahren der Schimpansen, konnte er aber wahrscheinlich immer noch, schließen Guillaume Daver und Franck Guy von der Universität Poitiers und ihr Team aus der Analyse eines Oberschenkel- und zweier Unterarm-Knochen dieser Art. Die Fossilien sind bereits 2001 im Norden der heutigen Republik Tschad in der Sahara ausgegraben worden, berichten die Forschenden in der Zeitschrift „Nature“.

„Diese Analyse passt gut zu einem Schädel der gleichen Art, der zur gleichen Zeit am gleichen Ort gefunden wurde“, erklärt Friedemann Schrenk. Der Früh- und Vormenschen-Forscher vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum und von der Goethe Universität in Frankfurt am Main arbeitet ebenfalls in Afrika, vor allem in Malawi und in Tansania, war an der Studie des Teams aus Frankreich und der Republik Tschad nicht beteiligt.

Im Jahr 2005 hatten Christoph Zollikofer von der Universität Zürich und sein Team in der Zeitschrift „Nature“ eine Computer-Rekonstruktion dieses stark deformierten Schädels vorgestellt. Die Lage des Hinterhauptloches, durch das das Rückenmark mit dem Gehirn verbunden ist, unterscheidet sich stark von der bei Schimpansen und Gorillas, ähnelt aber der Lage beim heutigen Menschen, sowie bei Früh- und Vormenschen wie der Australopithecus-Gattung, die ebenfalls aufrecht gingen. Allerdings war der Schädel am Hinterhauptloch besonders stark deformiert, was Zweifel an der Rekonstruktion aufkommen ließ.

Vorsichtiger Kletterer, aufrechter Gänger

Roberto Macchiarelli von der Universität in Poitiers und sein Team berichteten 2020 im „Journal of Human Evolution“ nach einer Analyse eines linken Oberschenkelknochens, dass Sahelanthropus tchadensis eindeutig zur Linie gehöre, die zum modernen Menschen führte. Allerdings vermuteten sie, dass diese Art nicht auf zwei, sondern auf vier Beinen unterwegs gewesen war.

Das Team um Daver und Guy hat nun denselben Oberschenkelknochen erneut und zusätzlich zwei ebenfalls 2001 am gleichen Fundort ausgegrabene Unterarm-Knochen detailliert untersucht und kommt zu einem anderen Ergebnis. Die Form des Oberschenkelknochens ähnelt nach ihrer Analyse sowohl denen der Australopithecus-Vormenschen, die vor rund vier bis zwei Millionen Jahren in Afrika lebten, wie auch denen der Vormenschen-Art Orrorin tugenensis, die vor sechs Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Kenias vorkam.

In diesem „Djurab“ genannten Teil der Sahara im Norden des Tschad wurden 2001 die Fossilien eines Vorfahren der Vormenschen entdeckt.

© MPFT/Palevoprim/CNRS – Université de Poitiers

Aus den Hauptachsen des Oberschenkelknochens schließt die Gruppe, dass der Nacken dieses Wesens ähnlich wie beim Menschen und bei Australopithecus nach vorne geneigt war. Die Ansatzstellen der Muskeln am Oberschenkel entsprechen Orrorin tugenensis, sowie später lebenden Vor- und Frühmenschen, die auf zwei Beinen gingen.

Eine detaillierte Analyse der Dicke der sehr kompakten und stabilen Knochenwände um das Knochenmark des Oberschenkels zeigt ebenfalls deutliche Ähnlichkeiten mit den gleichen Knochen von modernen Menschen, unterscheidet sich aber klar von den Oberschenkelknochen vorn Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans. Das Team ist daher überzeugt, dass Sahelanthropus tchadensis ein Zweibeiner war. Aus den Proportionen des Knochens schätzen sie sein Gewicht grob auf 43 bis 49 Kilogramm. Ähnlich schwer sind heutige Schimpansen und auch Vormenschen wie Australopithecus und Orrorin tugenensis.

Zusätzlich hat die Gruppe die rechte und linke Elle untersucht, die vermutlich vom selben Individuum stammen. Diese Knochen des Unterarms passen gut zu einem Wesen, das vorsichtig durch das Geäst klettert, aber nicht zu einem Menschenaffen, der auf allen Vieren über den Boden läuft.

Neue Fortbewegungsart im neuen Lebensraum

Der aufrechte Gang hat sich demnach schon vor rund sieben Millionen Jahren und damit sehr früh auf dem Weg zum Menschen und bald nach der Trennung von der Schimpansen-Linie entwickelt.

„An diesem Alter gibt es kaum Zweifel“, erklärt Friedemann Schrenk. Es passe zu den starken Veränderungen der Umwelt im damaligen Afrika. „In dieser Zeit kühlte sich das Erdklima ab“, sagt der Senckenberg-Forscher. Tropische Regenwälder schwanden und gleichzeitig öffnete sich der Grabenbruch im östlichen Afrika und veränderte die Niederschläge enorm. „Erstmals entstanden in Afrika Savannen, die zunächst eher Buschland mit Gras am Boden waren“, beschreibt Schrenk den damaligen Wandel der Ökosysteme.

Sahelanthropus tchadensis lebte vor sieben Millionen Jahren in einer solchen Landschaft mit Savannen und Wäldern am Ufersaum eines Sees am Rande einer Wüste. Die Wiege der Vormenschen stand also wohl auf Gras unter den Kronen locker stehender Bäume.

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