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In Brandenburg, bei Sieversdorf haben Fichten Trockenheit nicht überstanden. Andere Nadel- und Laubbäume sind dagegen noch grün.

© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

Zwischen Düngeeffekt und Wetterextremen: Wälder weltweit reagieren empfindlich auf Klimawandel

Der Klimawandel auf der Erde macht Wäldern zunehmend zu schaffen. Doch es gibt auch Orte, an denen das Pflanzenwachstum bislang eher profitiert.

Dürre Baumskelette in grünen Wäldern führen Spaziergängern die Folgen des Klimawandels in Thüringen, Brandenburg und vielen anderen Regionen der Welt drastisch vor Augen. Handelt es sich dabei um das Schicksal einzelner Bäume oder sind bereits auf weiten Flächen die Widerstandskräfte der Wälder gegen rasche Änderungen von Niederschlägen und Temperaturen überfordert?

Mit einer aufwändigen Auswertung von Satellitendaten bestätigen jetzt in der Zeitschrift „Nature“ Giovanni Forzieri von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission im italienischen Ispra und sein Team diese Befürchtung: Mit zwei Ausnahmen in nördlichen Regionen scheint die Anpassungsfähigkeit der Wälder an die Folgen des Klimawandels weltweit zu schwinden.

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Es geht auch grüner

„Eine wichtige wie beunruhigende Arbeit, die sich leider schlüssig in eine Reihe weiterer Studien zum Thema einfügt“, kommentiert der Naturschutzprofessor und Waldexperte Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), der an der Studie nicht beteiligt war.

Wälder bedecken rund 41 Millionen Quadratkilometer und damit etwa 30 Prozent der Landfläche der Erde. Blätter und Nadeln der Bäume nehmen große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Luft auf und speichern den darin enthaltenen Kohlenstoff einige Jahrzehnte und manchmal sogar Jahrhunderte in ihrem Holz. Wälder schlucken derzeit etwa ein Drittel des beim Verbrennen von Erdöl, Kohle und Erdgas entstehenden Kohlendioxids. Wenn ihre Widerstandskraft gegen Veränderungen aber sinkt, wächst dort oft weniger Holz, die Kohlenstoff-Senke wird kleiner und das beschleunigt den Klimawandel.

Forzieri und sein Team analysierten die Anpassungsfähigkeit an rasche Umweltveränderungen aber auch, da Wälder zentral für den Wasserhaushalt und die Verhinderung von Bodenerosion sind und darüber hinaus auch Erholungsraum für Menschen sind. Dazu nutzten sie Satellitendaten von roter und nah-infraroter Strahlung, die besonders stark von Vegetation reflektiert wird. Anhand dieser Daten aus der Zeit von 2000 bis zum Jahr 2020 untersuchte die EU-Gruppe mithilfe von Computeralgorithmen und maschinellem Lernen, wie gut die Wälder sich an die Veränderungen in ihrer Umwelt und die sich im Klimawandel häufenden Wetterextreme angepasst haben.

Dabei profitierte vor allem in den kalten und gemäßigten Breiten Europas, Asiens und Nordamerikas die Vegetation anfangs sogar von der erhöhten Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre, die einen Düngeeffekt für die Photosynthese der Pflanzen hat. Gleichzeitig verkürzen die steigenden Temperaturen die Kälteperioden im Winter und verlängern so die Vegetationsperiode. Die Wälder in diesen Regionen ergrünten.

Annäherung an Kipppunkte

Nur macht inzwischen der Klimawandel mit häufigeren und stärkeren Wetterextremen wie längeren Dürreperioden den Wäldern zunehmend zu schaffen. Vor allem in den Tropen, in den relativ trockenen Regionen und in den gemäßigten Breiten überfordern diese Effekte nach der Studie die Widerstandskräfte und die Anpassungsfähigkeit der Wälder stark und überwiegen gegenüber dem Düngeeffekt. „Es zeigt sich einmal mehr, dass man nicht leichtfertig aus einem länger anhaltenden Trend der Vergangenheit auf die Zukunft schließen darf“, erklärt der HNEE-Forscher Pierre Ibisch.

Vom steigenden Kohlendioxid-Gehalt der Luft profitieren bislang Wälder im Osten Kanadas und im europäischen Teil Russlands. Allerdings könnten auch dort die negativen Folgen des Klimawandels das Ergrünen ausbremsen, befürchtet das EU-Team.

„Wälder, die einige Zeit von der menschgemachten Kohlendioxid-Düngung profitiert haben und durchaus produktiv waren, geraten auf einmal an eine kritische Grenze und zeigen ein reduziertes Erholungsvermögen“, fasst Ibisch ein weiteres Ergebnis der EU-Studie zusammen. Demnach sind weltweit 23 Prozent der Wälder bereits in der Nähe eines solchen Kipppunktes, die allermeisten davon wachsen in den Tropen. Ist dieser kritische Punkt erst einmal überschritten, könnten die betroffenen Wälder zunehmend verwundbarer werden, meinen die EU-Forscher.

So erschreckend diese Aussichten auch sind, sie könnten uns immer noch in falscher Sicherheit wiegen: „Leider zeichnet sich ab, dass viele Trends des Klimawandels und der entsprechenden Reaktionen der Ökosysteme sich noch deutlich verschärfen könnten“, sagt Ibisch. „In Deutschland und anderen Regionen mit mehreren Extremwetter-Jahren lernen wir gerade, wie zum Beispiel Dürre- und Hitzewellen die Erholungsfähigkeit der Wälder innerhalb kürzester Zeit reduzieren können“, erklärt der HNEE-Waldexperte.

Dann können ganze Bestände bestimmter Baumarten zusammenbrechen. Zudem kann auch Nutzung den Forst zusätzlich schwächen. Ibisch fordert mehr Zurückhaltung: „Wir sollten die Wälder daher nicht immer weiter zerkleinern und beanspruchen, während gleichzeitig die Wirkungen der Klimakrise immer heftiger über sie rollen.“

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