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Besonders für Kinder, Alte und Erkrankte können heiße Tage sehr gefährlich werden.

© dpa

Tausende Sterbefälle bei Extremtemperaturen: War die Juli-Hitze für die vielen Toten verantwortlich?

Bundesweit starben ungewöhnlich viele Menschen im Juli. Doch um die Hitze als Ursache zu identifizieren, bedarf es noch Zeit und Daten, erklärt ein Experte.

Weite Teile Deutschlands ächzten im Juli unter sengender Hitze: Im Rückblick war es der sechstwärmste Juli für Europa, wie der Copernicus Klimawandeldienst in Bonn mitteilte – in Hamburg-Neuwiedenthal maß der Deutsche Wetterdienst den diesjährigen Hitzerekord von 40,1 Grad Celsius. Bei Kindern, alten oder kranken Menschen können solch hohe Temperaturen zu Kreislaufproblemen führen und dann auch lebensgefährlich werden.

Und nun das: In genau jenem Juli sind zwölf Prozent mehr Menschen gestorben als im Mittel der Jahre 2018 bis 2021 für diesen Monat. Das rechnete das Statistische Bundesamt am Dienstag in einer Veröffentlichung vor.

85.285 Todesfälle gab es in den vier Wochen und damit 9130 mehr als im Durchschnitt. Besonders in Zeiten sehr heißer Temperaturen seien die Sterbefallzahlen erhöht gewesen – und die vermehrten Corona-Infektionen könnten diese nur zum Teil erklären.

Auf die Juli-Hitze als Hauptursache der vermehrten Todesfälle zu schließen, liegt nahe. Aber stimmt das auch? Mehr dazu weiß der Medizin-Meteorologe Andreas Matzarakis beim Deutschen Wetterdienst (DWD). „Dass die Hitze für mehr Todesfälle gesorgt hat, erscheint durchaus plausibel“, sagt der Forscher im Gespräch mit dem Tagesspiegel. 

Oftmals fielen Herz-Kreislauf-Erkrankte oder Atemwegserkrankte der Hitze zum Opfer. „Doch um den Zusammenhang nachzuweisen, müssen Fachleute das Jahr abwarten und erst alle Daten zusammentragen“, sagt Matzarakis.

Ärzte führen Tod nicht immer auf Hitze zurück

In der anschließenden Analyse würde die Gesamtzahl der Toten „gefiltert“, also die normalerweise zu erwartenden Todesfälle, aber auch solche infolge der Pandemie von ihr abgezogen. Am Ende könne dann die verbleibende „hitzebedingte Übersterblichkeit“ angeben, wie viele Menschen infolge der Hitze gestorben sind.

Andreas Matzarakis ist Medizin-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD).

© Klaus Polkowski

„Allerdings ist es im Einzelfall sehr schwierig zu unterscheiden, ob jemand an oder mit der Hitze gestorben ist“, erklärt Matzarakis. Rettungskräfte liefern während Hitzewellen immer wieder Patienten mit Herzversagen ins Krankenhaus ein. „Aber wenn die Eingelieferten sterben, stellen Mediziner nicht unbedingt extrem hohe Temperaturen als Todesursache fest.“

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Matzarakis gibt zu bedenken, dass extreme Hitze auch zu Stürzen in Treppenhäusern oder Verkehrsunfällen führen könne und auch diese vermehrten Todesfälle in die Statistiken eingehen und berücksichtigt werden müssten. Daher glichen Forschende in ihrer Analyse alle Todesfälle – nicht nur die in Krankenhäusern – immer rückblickend mit der Hitze ab.

Zahl der heißen Tage hat sich mehr als verdreifacht

Außerdem sei nicht jede Hitze gleich gefährlich. Je nach dem, wie windig oder sonnig es an einem Tag ist, oder auch wie sehr Pollen, Ozon oder Waldbrände die Luft zuvor verschmutzt haben, könne sie die menschliche Gesundheit mal weniger, aber auch mal mehr gefährden. „Häufig beobachten wir, dass die Sterblichkeit stark zunimmt, wenn zwei oder drei besonders heiße Tage aufeinanderfolgen“, sagt Matzarakis.

Klar ist: Die Klimakrise befeuert Hitzewellen, macht sie häufiger, intensiver und länger. Seit 1950 hat die Zahl der heißen Tage in Deutschland mit Temperaturen über 30 Grad deutlich zugenommen: von 3,6 auf durchschnittlich 11,1 heiße Tage in den Jahren 2011 bis 2020. Das geht aus einer Analyse des DWD im Auftrag der Deutschen Versicherungswirtschaft hervor.

Ist also in Deutschland mit mehr Hitzetoten zu rechnen, was die kommenden Jahre angeht?

Damit Hitze nicht noch gefährlicher für den Körper wird, ist viel trinken notwendig und ratsam.

© picture alliance/dpa

„Das hängt ganz davon ab, wie gut wir die Menschen auf zukünftige Hitzewellen vorbereiten“, sagt Matzarakis. Um vorzeitige Todesfälle zu vermeiden, sollten die Menschen laut dem Medizin-Meteorologen noch stärker Empfehlungen beherzigen und während Hitzewellen mehr trinken, die Wohnung verschatten oder ihre Arbeit nach Möglichkeit in die kühleren Morgenstunden verlegen. „Andernfalls ist mit noch mehr Krankenhauseinlieferungen, frühzeitigen Todesfällen und Belastungen für das Gesundheitssystem zu rechnen.“

Mehr Bäume und mehr Brunnen können Städte abkühlen

In der Regel staut sich die Hitze in Städten deutlich stärker als im weniger besiedelten Umland – das Phänomen ist bekannt als „urbaner Wärmeinseleffekt“ und kann Unterschiede zwischen zwei und acht Grad ausmachen. Verantwortlich dafür sind große und dicht bebaute Flächen, dunkler Asphalt auf den Straßen, sowie zu wenig kühlende Bäume oder offenes Wasser.

Abwärme von Autos und Klimaanlagen heizt das Stadtklima zusätzlich auf. Neben einer sensibilisierten Bevölkerung müssten Matzarakis zufolge deshalb auch die Kommunen und Landkreise stärker dafür sorgen, dass die Hitze in den Städten ausbleibt.

Hier empfehlt das Umweltbundesamt vor allem mehr Schatten, mehr Wasser, mehr Bäume und Pflanzen sowie mehr Flächen, in denen Regenwasser versickern kann. Diese Klimaanpassung kann diverse Formen annehmen und für Abkühlung sorgen. Dazu zählen verschattende Markisen und Jalousien ebenso wie begrünte Dächer, Innenhöfe und Fassaden. Auch Teiche, Spring- oder Trinkbrunnen können die Umgebung herunterkühlen.

Diese und andere Maßnahmen können bei den Bewohner:innen für einen angenehmeren Schlaf sorgen, weil sich die Innenräume infolge des Stadtklimas weniger aufheizen. Gerade sogenannte Tropennächte – also Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius fällt, gelten für Alte und Kranke als besonders belastend.

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