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Keine Kaffeesatzleserei: Je mehr Gift im Boden ist, desto blasser bleiben die kreisförmigen Filterpapiere.

© Tim Deussen

Kunstprojekt über kontaminierte Böden: Vom Gift in Himmel und Erde

Chemikalien kontaminieren Böden und Grundwasser unter Flughäfen – menschliche Hinterlassenschaft für die Ewigkeit. Die slowenische Künstlerin Saša Spačal führt uns nun die Konsequenzen vor Augen.

In Reihen sind sie sauber an der Wand angeordnet: 85 kreisrunde Filterpapiere mit konzentrischen Mustern in verschiedenen Brauntönen. Links sind die Ringe kräftig und variabel, weiter rechts werden sie immer bleicher. Farben und Muster spiegeln unter anderem mikrobielles Leben, Mineralien und Kontaminanten in der Erde wider, erklärt die slowenische Künstlerin Saša Spačal: „Es handelt sich um Bodenchromatogramme.“ 

Dafür hat sie mit Lauge versetzte Erdproben über einen Docht mit der Mitte des Filterpapiers verbunden: Lösliche Bestandteile breiten sich im Papier aus und erzeugen so die bunten Muster. Doch je mehr von der „Ewigkeitschemikalie“ PFAS sich in der Erde befindet, desto weniger Mikroben gedeihen darin. Und desto blasser bleibt der Papierkreis. 

Chemikalien für die Ewigkeit

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) sind extrem beständige Industriechemikalien und beispielsweise Bestandteil abweisender Beschichtungen auf Textilien oder Bratpfannen. Sie sind auf der ganzen Welt nachweisbar, biologisch kaum abbaubar, gesundheitsschädlich und reichern sich im Körper an. 

Mit weißen Stoffhandschuhen nimmt eine Assistentin Scheibe Nummer 46 von der Wand und platziert sie auf einem Drehteller, dem „Ewigkeitsscanner“. Dieser spielt die Chromatogramme wie ein Plattenspieler ab und verwandelt die visuellen Informationen mithilfe einer KI in Klänge: Je weniger Leben im Boden ist, desto stiller ist es im Raum. 

Ein Scanner übersetzt die braunen Muster in Klänge und lässt 3D-Modelle von Flughäfen an der Wand rotieren.
Ein Scanner übersetzt die braunen Muster in Klänge und lässt 3D-Modelle von Flughäfen an der Wand rotieren.

© Tim Deussen

Die Fluorchemikalien sind inert, verweigern sich also den meisten chemischen Reaktionen. Das machte sie zu perfekten Zusätzen etwa in Hochleistungs-Löschschäumen gegen brennenden Treibstoff auf Flughäfen. Wegen der Umweltgefahren sind perfluorierte Schaummittel inzwischen in der EU zwar weitestgehend verboten, in den USA aber beispielsweise nicht.

Flughäfen stehen für unsere zerstörerische Zivilisation

An der gegenüberliegenden Wand lässt Spačals Maschine derweil 3D-Modelle von internationalen Flughäfen rotieren. Flughäfen verkörperten konzentriert, wozu die Menschheit imstande sei, sagt sie: Sie seien Knotenpunkte für Technologie, Globalisierung, kulturellen Austausch. „Gleichzeitig sind sie das Epizentrum der PFAS-Verteilung.“ Tatsächlich ist auch das Gelände des Berliner Ex-Flughafen Tegel damit kontaminiert – und auch das darunterliegende Grundwasser. In den Einzugsbereich der Trinkwasserbrunnen ist das Gift bereits eingesickert. Dort muss es nun mit Aktivkohle herausgefiltert werden, vermutlich über Jahrzehnte.

Gute fünf Kilometer östlich von Tegel, im Art Laboratory Berlin in Gesundbrunnen, wurde Spačals Werk mit dem Namen „Terra Xenobiotica“ produziert und dort wird es auch ausgestellt. Sie verwendet keine originalen Proben von Flughäfen, sondern hat Erde systematisch und kontrolliert selbst mit den Chemikalien behandelt.

Ihre Installation wirft unbequeme Fragen auf: Warum gehen wir so mit dem Boden um, der uns Leben spendet? Zwar beteuern wir, unserer heimatlichen Erde verbunden zu sein, führen Kriege um Territorien. Warum ist Erde dann für uns meist nur Dreck? Warum behandeln wir unsere Umwelt als bloße Ressource, die es auszubeuten gilt?

Symbiose zwischen Wissenschaft und Kunst

Für einen Teil ihrer Forschungsarbeit kooperierte Spačal mit der Arbeitsgruppe von Matthias C. Rillig an der Freien Universität, der sich mit dem mikroskopischen Bodenleben befasst, vor allem mit Pilzen. Im Rahmen eines künstlerischen Gastaufenthalts hatte sie dort gelernt, die Filterpapiere mit Erdbestandteilen zu imprägnieren. 

In einem Bodenchromatogramm finden sich lösliche Bestandteile der Erde wieder: Mineralien, organische Substanz und Kontaminationen.
In einem Bodenchromatogramm finden sich lösliche Bestandteile der Erde wieder: Mineralien, organische Substanz und Kontaminationen.

© Tim Deussen

Die Anfänge der Methode gehen zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, heute spielt sie in der akademischen Forschung keine Rolle mehr. Doch eignet sie sich hervorragend für Kunst, wo eine Laboranalyse wenig mehr als ein paar trockene Zahlen hergeben würde. Wie Spačal in ihrem Vortrag erzählt, helfe das aufwendige Verfahren ihr außerdem dabei, eine komplexe und tiefe Beziehung zum Boden herzustellen.

Rillig hat erst kürzlich in einer Publikation dargelegt, wie die Fluorchemikalien das Bodenleben beeinträchtigen. Bodenchromatogramme aus Filterpapier spielten dabei keine Rolle – macht eine Künstlerin im Labor dann nicht nur mehr Arbeit?

Nein, antwortet der Forscher und vergleicht sein Verhältnis mit Kunstschaffenden mit einer Symbiose. „Das sind Personen, die sich für meine Arbeit interessieren, aber einen komplett anderen Blick darauf haben“, sagt er. Die Fragen, die dabei entstehen, lassen die Kreativität im Labor sprießen: „Es sind schon ganze neue Forschungsprojekte aus so einer Kooperation entstanden.“

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