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Ein Exemplar der Wandertaube aus der Sammlung des Naturkundemuseums Berlin.

© Aves/ZMB

Weltnaturkonferenz – Vielfalt erhalten: Martha, die Wandertaube

Anlässlich der Weltnaturschutzkonferenz in Montréal beschreiben wir täglich eine bedrohte, ausgerottete oder gerettete Spezies aus dem Museum für Naturkunde Berlin.

Von Gesine Steiner

Anlässlich der Weltnaturschutzkonferenz in Montréal vom 7. bis 19. Dezember beschreiben wir in Zusammenarbeit mit dem Museum für Naturkunde Berlin (MfN) täglich eine bedrohte, ausgerottete oder gerettete Spezies aus dessen Sammlung. Ziel der Konferenz ist ein neues Weltnaturabkommen, in dem sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, das Arten- und Lebensraumsterben bis 2030 zu stoppen. Mit den Einblicken in die Berliner Sammlung wollen wir exemplarisch zeigen, was auf dem Spiel steht. Autorin der Artikelfolge ist Gesine Steiner, Sprecherin des MfN. Heute: die Wandertaube.

14 Stunden flog der Schwarm vorbei

Die Amerikanische Wandertaube (Ectopistes migratorius) tauchte am Himmel einst in so dichten Schwärmen auf, dass die Sonne nicht mehr zu sehen war und der Vogelmist wie Schnee vom Himmel fiel, berichten Zeitzeugen. Während 1866 noch ein 14 Stunden langer Schwarm mit etwa drei Milliarden Tieren gesehen wurde, gab es in den 1880er-Jahren bereits nur noch Kolonien von etwa 10.000 Vögeln.

Anfang der 1890er-Jahre waren Schwärme mit mehreren 100 Vögeln schon selten. Die letzte freilebende Wandertaube wurde im Jahr 1900 erschossen. Am 1. September 1914 starb „Martha“ in ihrem Käfig im Zoo von Cincinnati.

Mit der Wandertaube starb auch die Wandertaubenmilbe aus, die die Taube als Wirt nutzte. Vielleicht sitzt eine davon auch im Gefieder der Wandertaube, die in der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin aufbewahrt wird. Dieser Teil der Sammlung wird derzeit im Rahmen des Zukunftsplans erschlossen und in absehbarer Zukunft in dem Kontext auch in der Ausstellung zu sehen sein.

Die Menschen haben es zu verantworten, dass sogar eine Art mit einem Bestand von bis zu fünf Milliarden Individuen innerhalb kurzer Zeit ausgerottet werden konnte. Die Abholzung von Wäldern, in denen die Wandertauben kolonieartig nisteten, und die Schrotflintenjagd waren menschengemachte Gründe dafür. Das Fleisch der Wandertaube galt als Delikatesse.

Gewehre sind das eine. Forschende diskutieren zudem andere Gründe fürs Aussterben, wie beispielsweise die fehlende genetische Vielfalt der Tiere. Die Wandertauben konnten sich – als ihre Wälder abgeholzt und die Schwärme durch Jagd kleiner wurden – nicht schnell genug anpassen. Wandertauben brüteten mit nur einer Jahresbrut und einem Ei nur dann erfolgreich, wenn sie in alten Wäldern in großer Zahl ihre Brut großziehen und damit auch die Beutegreifer sättigen konnten.

Ein in den USA gestartetes Projekt will bis zum Jahr 2032 das Genom der Wandertaube rekonstruieren und die Tierart mit Hilfe von Haustauben zurückzüchten. Das Projekt wird nicht nur vom WWF kritisch gesehen, schließlich ist der Lebensraum der Wandertaube nicht mehr vorhanden. Wäre es nicht viel sinnvoller, von Beginn an als Gesellschaft gemeinsam die Kraft dafür einzusetzen, Lebensräume und damit ganze Ökosysteme zu erhalten?

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