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Um den Effekt anderer klimaschädlicher Gase zu kompensieren, wird man wohl Kohlendioxid wie hier in Ketzin im Boden verpressen müssen.

© picture alliance / dpa

Alternative Mechanismen zum Klimaschutz: Wenn die Kühlung ausfällt

Konzentriert sich der Klimaschutz nur auf die Verringerung von Kohlendioxid, gewinnen andere Treibhausgase an Bedeutung.

Beim Thema Klimaschutz denken die allermeisten Menschen an Wind- und Sonnenenergie, Elektromobilität oder Heizen mit Wärmepumpen – also an Maßnahmen, die auf eine Verringerung der Kohlendioxidemissionen zielen.

Tatsächlich ist dieses Treibhausgas auch der mit Abstand wichtigste Treiber des von uns Menschen verursachten Klimawandels. Ohne starke Verringerungen der Kohlendioxidemissionen ist Klimaschutz daher nicht machbar.

Allerdings sollte man dabei keineswegs die anderen Mechanismen aus den Augen verlieren, mit denen die Menschheit das Klima beeinflusst, mahnen Nadine Mengis vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Damon Matthews von der Concordia Universität im kanadischen Montreal in der Zeitschrift „Climate and Atmospheric Science“.

Was ebenfalls beim Verbrennen von Kohle und Erdöl entsteht

So entstehen neben Kohlendioxid etwa auch Ruß, Stickstoff- und Schwefelverbindungen beim Verbrennen von Kohle und Erdöl, sowie des daraus hergestellten Benzins, Heizöls oder Schiffsdiesels. Aus diesen Verbindungen bilden sich winzige Teilchen und Tröpfchen, die in der Luft schweben und dort das Klima beeinflussen. Diese Aerosole kommen in einer großen Bandbreite von Größen, Formen und Farben vor und wirken obendrein je nach Luftschicht auch noch unterschiedlich: Schwarze Ruß-Partikel schlucken regelrecht das Sonnenlicht und heizen so die Atmosphäre auf.

Außerdem rieseln sie schon nach wenigen Tagen auf den Boden und lassen in höheren Breiten Schneedecken rasch schmelzen, was wiederum die weitere Erwärmung beschleunigt. Aus den Stickstoff- und Schwefelverbindungen entstehen in der Luft Säuren, die in sehr hohen und in tieferen Luftschichten das Klima kühlen können, in anderen Bereichen und auch abhängig von ihrer Größe und Form dagegen Wärme aufnehmen und dadurch heizen. In der Gesamtbilanz kühlen diese Aerosole das Klima zwar. Allerdings ist dieser Effekt viel kleiner als die Erwärmung des Klimas durch die gleichzeitig ausgestoßenen viel größeren Mengen Kohlendioxid.

Weitere Treibhausgase, die das Klima erwärmen

„Daneben gibt es eine Reihe weiterer Treibhausgase, die das Klima wärmen“, sagt Jochem Marotzke, der am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg forscht und seit 2009 die Berichte des Weltklimarats IPCC als leitender Autor mitverfasst. Das wichtigste davon ist Methan. Es stammt einerseits aus natürlichen Quellen. Gut ein Zehntel der vom Menschen verursachten Methanemissionen wird aus überfluteten Reisfeldern freigesetzt, wo Mikroorganismen Pflanzenreste zersetzen und dabei dieses Treibhausgas produzieren.

Sehr viel Methan gelangt auch aus den Verdauungsorganen von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Ziegen in die Atmosphäre. Diese Emissionen lassen sich aber kaum reduzieren, da Menschen weiterhin Lebensmittel produzieren müssen. Leichter verringern lassen würden sich dagegen die Methanmengen, die beim Fördern, dem Transport und der Verarbeitung von Erdgas durch Lecks in die Luft gelangen. Die EU will demnächst eine Strategie dafür vorlegen.

Die Rolle von Lachgas

Ein weiteres Treibhausgas ist Distickstoffmonoxid – Lachgas. Große Mengen davon entstehen in der Landwirtschaft aus Kunstdünger und Gülle, aber auch beim Anbau von Hülsenfrüchten wie Bohnen, Erbsen, Linsen, Sojabohnen, Erdnüssen und Lupinen. Stellt ein Bauer von konventioneller Landwirtschaft auf Ökoanbau um, sinkt die Lachgas-Produktion auf jedem Hektar seiner Felder zwar um 40 Prozent, aber eben nicht auf null.

Obendrein sind die Erträge von Biobauern meist geringer und sie müssen daher größere Flächen beackern, um die gleiche Menge Nahrungsmittel wie ihre konventionellen Kollegen zu erzeugen. Insgesamt würde also auch eine vollständige Umstellung auf Ökolandbau die Lachgasemissionen vermutlich allenfalls halbieren.

Gleichzeitig müssten wohl zusätzliche Wälder gerodet und Savannen umgepflügt werden, um die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern. Damit gingen Flächen verloren, die zurzeit noch viel Kohlendioxid aus der Luft holen. Man könnte eine wachsende Weltbevölkerung aber durchaus klimagerecht ernähren, wie die „EAT-Studie“ der Lancet-Kommission zeigt. Der Schlüssel dafür wäre die Umstellung von tierischem auf pflanzliches Eiweiß.

Weniger Emissionen aus der Landwirtschaft könnten kompensiert werden

Insgesamt erwärmen die bäuerlichen Aktivitäten mit einer Bestrahlungsstärke von 0,34 Watt pro Quadratmeter, ermitteln Nadine Mengis und Damon Matthews in ihrer Studie. Gleichzeitig kühlen die Aerosole, die beim Verbrennen von fossilen Energieträgern entstehen mit einer Stärke von rund 0,4 Watt pro Quadratmeter und machen so die Emissionen aus der Landwirtschaft sogar mehr als wett.

Werden in den kommenden Jahren die Emissionen von Kohlendioxid durch das Abschalten von Kohlekraftwerken, das Ersetzen von Öl- und Gasheizungen und durch weitere Maßnahmen gesenkt, werden auch weniger Aerosole freigesetzt. Damit werden weniger Emissionen von Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft kompensiert und die Kühlung des Weltklimas fällt zunehmend aus, mahnen Nadine Mengis und Damon Matthews.

„Damit bestätigen die beiden Forscher mit einem anderen Klimamodell einen Effekt, den wir bereits 2013 im IPCC-Bericht erwartet haben“, sagt Jochem Marotzke. Wird der Ausstoß von Kohlendioxid runtergefahren, werden die in der Landwirtschaft entstehenden Treibhausgase also nicht nur immer weniger durch kühlende Aerosole ausgeglichen, sondern sie fallen beim Klimawandel auch zunehmend ins Gewicht. Damit weisen Nadine Mengis und Damon Matthews auf ein ungelöstes Problem hin, das mit zunehmenden Erfolgen des Klimaschutzes weiter an Bedeutung gewinnen wird: Wie soll in Zukunft die Klimaerwärmung aus der Landwirtschaft kompensiert werden?

"Wir müssen Kohlendioxid aus der Atmosphäre holen"

„Um das Klima zu stabilisieren, müssen wir Kohlendioxid aus der Atmosphäre holen“, meint Marotzke. Neben dem Pflanzen von Bäumen gebe es technische Verfahren, die Energie dafür könnten Wind- und Solarkraftwerke liefern. Immer noch aber bleibt ein Problem: Wohin mit den riesigen Mengen des aus der Luft gefischten Kohlendioxids? „Am besten wäre es, dieses Kohlendioxid an geeigneten Stellen in den Untergrund zu verpressen“, sagt Marotzke.

Dagegen haben sich Bürgerinitiativen und Umweltverbände in Deutschland bislang gewehrt. Nun aber hat ein Umdenken eingesetzt. Der WWF etwa fordert die Entwicklung eines regulatorischen Rahmens für das Verpressen von Kohlendioxid aus der Industrie. Dass die Methode sicher ist, hat ein langjähriges Projekt des Deutschen Geoforschungszentrums in Ketzin bei Potsdam gezeigt.

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