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Körperliche Arbeit kann bei Hitze lebensgefährlich werden.

© IMAGO/Debarchan Chatterjee

Wenn Schwitzen nicht mehr reicht: Die unterschätzte Gesundheitsgefahr des Klimawandels

Bei Hitze können Menschen schwitzen. Als Folge der Erderwärmung wird diese natürliche Körperkühlung aber in mehr Regionen der Erde häufiger an ihre Grenzen stoßen.

Freitag, 31. Juli 2015. In der iranischen Hafenstadt Mashhahr am Persischen Golf stieg die Lufttemperatur am Nachmittag auf 46 Grad Celsius. Es herrschte Hitze, wie sie in vielen Weltregionen aufgrund des Klimawandels häufiger erwartet wird. Bei weiter steigenden Temperaturen der Erde werden Wetterextreme mit ungesund hohen Temperaturen auch in anderen Regionen der Erde zu einer zunehmenden Gesundheitsgefahr werden.

Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit verdunstete nur noch wenig des von den Menschen von Mashhahr ausgeschwitzten Wassers in die Luft. Die Verdunstungskühlung der Schwitzenden schaffte nur noch eine Absenkung auf eine Kühlgrenztemperatur von 35 Grad. Dies entspricht der Hauttemperatur eines gesunden Menschen, doch hier bedeutete es Lebensgefahr. Denn unter diesen Bedingungen konnten die Menschen ihre überschüssige Körperwärme nicht mehr über ihre Haut an die gleich warme Luft abgeben.

Wenige Orte, wenige Stunden, bislang

Bereits 2010 hatten die in Australien forschenden Steven Sherwood und Matthew Huber erkannt, dass die lebensbedrohende Situation im Wärmehaushalt unseres Körpers entsteht: Wenn die Kühlgrenztemperatur über der Hautoberfläche eines schwitzenden Menschen 35 Grad oder mehr beträgt, führt die daraus folgende Überhitzung auch für einen gesunden Menschen nach einigen Stunden zum Tod – selbst, wenn er sich kaum bewegt.

Solche feucht-heiße Wetterbedingungen mit Kühlgrenztemperaturen in der Nähe von 35 Grad traten bis jetzt aber nur sehr selten an wenigen Orten und jeweils nur für wenige Stunden auf, vor allem in den Talbecken des Ganges in Indien und des Indus in Pakistan sowie in Küstenregionen rund um den Persischen Golf. Deshalb wurde das Gesundheitsrisiko von schwüler Hitze bis jetzt von der Klimaforschung kaum beachtet.

In Lahore in Pakistan kühlten sich Menschen bei über 45 Grad Celsius Außentemperatur in einem Kanal ab.
In Lahore in Pakistan kühlten sich Menschen bei über 45 Grad Celsius Außentemperatur in einem Kanal ab.

© IMAGO/Rana Sajid Hussain

Im vergangenen Jahr zeigte eine Studie eines Teams um Daniel Vecellio von der Pennsylvania State University, dass die Forschenden das Gefahrenpotential von Hitze in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit deutlich unterschätzt hatten. Untersuchungen an Menschen hatten ergeben, dass deren Körpertemperatur schon bei Kühlgrenztemperaturen ab 31 Grad bereits bei leichter körperlicher Betätigung zu steigen begannen – das untrügliche Anzeichen von Hitzestress. Anstrengungen wie zum Beispiel Feldarbeit sind also offenbar schon bei Kühlgrenztemperaturen von deutlich unter 35 Grad gesundheitsschädlich oder sogar lebensgefährlich, wegen drohendem Hitzschlag.

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So bemessen werden die Flusstäler von Indus und Ganges schon jetzt viel häufiger als zuvor befürchtet zu schwülheißen Landstrichen mit Belastungen durch feuchte Hitze, die Menschen kaum noch ertragen können. Es sind äußerst dichtbesiedelte Agrarregionen, in denen viele Menschen zwangsläufig oft im Freien arbeiten müssen. Keine guten Aussichten für die Lebensbedingungen dieser Menschen in Zeiten des Klimawandels.

Zunahme bei zwei Grad Erwärmung

Mit jedem Zehntel Grad, um das die Erde sich weiter erwärmt, erhöhen sich in den genannten südasiatischen Regionen die Anzahl, Intensität, Ausdehnung und Dauer schwüler Hitzewellen mit Kühlgrenztemperaturen, bei denen Feldarbeit oder auch nur der bloße Aufenthalt im Freien kaum noch möglich sein werden.

Überwiegend sind Regionen betroffen, die selbst kaum zu den Ursachen der Erwärmung beitragen. Das Treibhausgas Kohlendioxid als Hauptursache der Klimamisere strömt überwiegend in den weit entfernten Industrieländern des Nordens in die Atmosphäre und verteilt sich rund um die Erde. Klimawandel ist oft ungerecht.

In ihrer neuesten Studie haben Daniel Vecellio und sein Team mithilfe von Klimamodellen berechnet, welche Erdregionen zunehmend diese bisher noch kaum beachtete Auswirkung des Klimawandels zu spüren bekommen werden, je nachdem, auf welche Temperaturen die Erde sich erwärmen wird. Dabei haben sie berücksichtigt, dass die empirisch ermittelte Hitzeschwelle, ab der es für Menschen gefährlich wird, deutlich niedriger liegt als die theoretisch abgeleitete Kühlgrenztemperatur von 35 Grad.

Arme Menschen haben kaum Möglichkeiten, sich vor Hitze zu schützen.
Arme Menschen haben kaum Möglichkeiten, sich vor Hitze zu schützen.

© IMAGO/Sudipta Das

Aktuell liegt die globale Durchschnittstemperatur der Erde etwa 1,1 Grad über dem vorindustriellen Wert. Das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 ist eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad. Sollte die Menschheit dieses Ziel erreichen – wonach es nicht aussieht – würde sich wiederholtes, aber jeweils nur kurzzeitiges Auftreten von gesundheitsschädlichen feucht-heißen Wetterextremen weiterhin auf Regionen in Indien und Pakistan beschränken sowie rund um den Persischen Golf.

Unerträglich für einen größeren Teil der Erdbevölkerung würde es aber schon bei einer Erhöhung des globalen Temperaturdurchschnitts um zwei Grad. Dann würden auch Menschen im östlichen China sowie südlich der Sahara immer öfter in lebensgefährlichen Stress durch feuchte Hitze geraten. Schon bei dieser kaum noch zu vermeidenden scheinbar moderaten Erwärmung des Erdklimas werden somit insgesamt bereits vier Milliarden Menschen – die Hälfte der Erdbevölkerung – in Regionen leben, in denen sie von einer unheilvollen Kombination aus hoher Temperatur der Luft und viel Wasserdampf in ihr getroffen werden können.

Hitze erreicht auch Industrieländer

Laut aktueller Datenlage steuert die Erde aber eher auf einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von drei Grad zu. Daniel Vecellio nennt dem Tagesspiegel die beiden Hauptfolgen: „Zum einen erweitern sich dadurch die Landflächen beträchtlich, in denen die Schwelle der Kühlgrenztemperatur von 31 Grad überschritten wird.“ In einer um drei Grad erwärmten Welt würde man außer in Ländern wie Bangladesch und Myanmar solche gefährlichen Hitzebelastungen erstmals auch in den USA entlang der Golfküste und im Tal des Mississippi beobachten. „Zum anderen wird in den Gegenden, die schon jetzt Hitzezentren sind, die aufsummierte Dauer deutlich anwachsen, während der die Schwelle zu unerträglicher schwüler Hitze überschritten wird“.

Im Winter wird es weiterhin kühl am Mississippi, aber sommers könnten die Temperaturen auch hier unerträglich werden.
Im Winter wird es weiterhin kühl am Mississippi, aber sommers könnten die Temperaturen auch hier unerträglich werden.

© dpa/Laurie Skrivan

In der pakistanischen Stadt Lahore zum Beispiel würde sich in einem Plus-Zwei-Grad-Szenario die Dauer, während der feuchte Hitze die physiologisch gefährliche Hitzeschwelle überschreitet, auf insgesamt 147 Stunden pro Jahr aufsummieren. In der Plus-Drei-Grad-Welt dagegen würde sich diese Zeit in Lahore schon auf insgesamt 447 Stunden pro Jahr ausdehnen.

Da diese Hitzegefahr fast immer nur tagsüber auftritt, bedeutet dies: Die elf Millionen Einwohnerinnen und Einwohner von Lahore müssten an mindestens 60 Tagen im Jahr den Aufenthalt im Freien tagsüber vermeiden, geschweige denn außer Haus arbeiten können – bei Gefahr für Leib und Leben durch Überhitzung. Und auch innerhalb ihrer Wohnungen würden sie es in dieser gefährlichen Hitzezeit nur mit ausreichender Kühlung aushalten können.

Wie in Lahore werden sich durch den menschengemachten Klimawandel eine wachsende Zahl von Menschen in den Tropen auf immer längere Perioden feuchter Hitze und die dadurch bedingten Gesundheitsrisiken gefasst machen müssen. „Unsere Studie zeigt, dass in einer Plus-Drei-Grad-Welt rund 500 Millionen Menschen an Orten leben würden, in denen jedes Jahr so viele gesundheitsschädliche Hitzestunden zusammenkommen würden, dass die Dauer dieser nicht mehr erträglichen Hitzebelastung insgesamt einem ganzen Monat entspricht“, sagt Daniel Vecellio. Man möchte hinzufügen: Falls sie überhaupt in diesen Hitzehotspots bleiben würden.

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