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Weideland in Patagonien

© Juan José Gaitán

Wiesen, Weiden, weltweit: Von ökologisch-ökonomisch wertvoll bis Agrarwüste

Der Löwenanteil der landwirtschaftlichen Flächen des Planeten ist Grünland. Besonders gut erforscht war es bislang nicht. Das ändert sich jetzt.

Drei Viertel der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen sind nicht etwa Felder, sondern Wiesen und Weideland. Diese Kulturökosysteme wurden bislang vergleichsweise wenig wissenschaftlich untersucht. Fernando Maestre von der Uni Alicante (Spanien) und ein Team aus aller Welt stellen jetzt in der Zeitschrift Science erste Ergebnisse einer riesigen Studie auf sechs Kontinenten vor.

Sie untersuchen den Einfluss von unterschiedlich starker Beweidung auf die Ökosysteme und deren Dienstleistungen für die Menschen vom Wasserhaushalt bis zur Bodenfruchtbarkeit. Es zeigt sich, dass je nach Klima und Region die Auswirkungen sich massiv unterscheiden können.

In 98 Versuchsgebieten in für Weideland typischen Regionen in 25 Ländern hat das Team jeweils drei oder vier Versuchsflächen mit je 45 Metern Länge und Breite abgesteckt, auf denen unterschiedlich viele Tiere weideten. Dort wurde die Vielfalt der Gewächse und Pflanzenfresser über der Erde sowie die Menge und Diversität der Mikroorganismen im Boden bestimmt.

Leben im und am Boden

Untersucht wurde zudem, wie der Wasserhaushalt reguliert, wie viel Kohlenstoff im Boden gebunden, wie gut Pflanzenreste abgebaut werden. Ermittelt wurden auch Parameter der Erosion, der Bodenfruchtbarkeit, produzierter Pflanzen- und speziell Futterpflanzen-Biomasse und deren Qualität.

Je mehr Mikroorganismen, umso gesünder der Boden, umso besser werden Nährstoffe festgehalten und umso geringer ist die Erosion.

Nico Eisenhauer, Bodenökologe

Der Einfluss der Beweidung hängt neben dem Klima stark vom Boden und der Artenvielfalt ab. Frisst viel Vieh von Schafen bis zu Rindern in kühlen Regionen, wie auf den Grasländern Patagoniens, in dem viele Arten leben, können sich die Dienstleistungen der Ökosysteme sogar verbessern, zeigt die Studie.

Kuhweiden gehören in Deutschland zur Kulturlandschaft. Im Bild Kühe in Gmund am Tegernsee, 2014.
Kuhweiden gehören in Deutschland zur Kulturlandschaft. Im Bild Kühe in Gmund am Tegernsee, 2014.

© Foto: dpa / Marc Müller

Anders sieht es bei vergleichbar starker Beweidung in wärmeren Gefilden mit geringer Artenvielfalt aus: Dort wurde im Boden weniger Kohlenstoff eingelagert, Pflanzenmaterial schlechter abgebaut und bei Starkregen mehr Boden weggeschwemmt.

Kühe und Gnus in der Serengeti

Erfahrungen anderswo bestätigen die Befunde. Der Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, Christof Schenck, nennt die Serengeti, in der die Naturschutz-Organisation bereits seit den 1960er Jahren aktiv ist. „Wenn die Tragfähigkeit der Böden überschritten wird, weil zu viele Rinder dort weiden, steht das Wasser nach starken Regenfällen auf dem Boden statt einzusickern“, schildert der Zoologe die Verhältnisse. Im Nationalpark gleich daneben sei „der Boden dagegen weniger verdichtet und die Niederschläge versickern besser“.

Werden Gebiete nicht so stark beweidet, leiden das Ökosystem und die Artenvielfalt deutlich weniger. „Das klappt vor allem dann, wenn die Menschen ihr Vieh nachts vor Raubtieren schützen und einsperren", sagt Schenck, der an der Studie des Teams um Fernando Maestre nicht beteiligt war. Zu viel Vieh habe dagegen auch andernorts im tropischen Afrika negative Auswirkungen: „In überweideten Gebieten im Hochland von Äthiopien ist die Erosion deutlich größer, und es wird erheblich mehr Boden weggeschwemmt", erklärt Schenk.

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Erosion hängt auch stark von Bakterien und Pilzen im Boden ab: „Je größer die Biomasse solcher Mikroorganismen ist, umso gesünder ist der Boden, umso besser werden die Nährstoffe im System festgehalten und umso geringer ist die Erosion“, erklärt Nico Eisenhauer. Der Bodenökologe vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und seine Gruppe haben für Maestres Studie die Biomasse der Mikroorganismen im Boden der einzelnen Untersuchungsflächen gemessen.

Weidende Schafe in Patagonien
Weidende Schafe in Patagonien

© Valeria Aramayo

Der iDiv-Forscher weist auch auf einen fatalen Zusammenhang hin: Im Zuge des Klimawandels breiteten sich Trockengebiete auch aufgrund der Viehaltung auf den Flächen weiter aus. „Und gleichzeitig wächst in vielen dieser Regionen die Bevölkerung weiter.“

Die Überweidung könnte in Zukunft also weiter zunehmen. „Diese Situation könnte eine hohe Vielfalt von Pflanzen und Nutztieren in Raum und Zeit ein wenig mildern“, so der Bodenökologe. Wachse die Artenvielfalt auf den Weideflächen, werde meist auch die Bodenökologie besser, was das System stabilisieren könne.

„Eine solche Vielfalt erreicht man auch, wenn zum Beispiel in einem Jahr Rinder auf einer Fläche weiden und im nächsten Jahr Ziegen", nennt Nico Eisenhauer eine Möglichkeit, dies zu fördern. Insgesamt aber erhöhe der Klimawandel nicht nur den Druck auf die Ökosysteme im globalen Süden, sondern vor allem auch auf die Menschen, die dort leben und Vieh halten.

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